EWR 4 (2005), Nr. 5 (September/Oktober 2005)

Stephanie Conein / Josef Schrader / Matthias Stadler (Hrsg.)
Erwachsenenbildung und die Popularisierung von Wissenschaft
Probleme und Perspektiven bei der Vermittlung von Mathematik, Naturwissenschaften und Technik
Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag 2004
(232 S.; ISBN 3-7639-1864-7; 22,90 EUR)
Erwachsenenbildung und die Popularisierung von Wissenschaft Popularisierung war und ist ein Reizthema. Im Begriff schwingt trotz aller Rehabilitierungsversuche die negative Konnotation des Unseriösen, Spektakelhaften und Dilettantischen mit. Gleichwohl hat es Popularisierung im Sinne einer Wissenschaftsvermittlung an ein (möglichst) breites Publikum von Nicht-Wissenschaftlern seit dem 19. Jahrhundert, der Blütezeit der Verbreitung naturwissenschaftlichen Wissens, bis heute immer wieder gegeben: in vielen Institutional- und Organisationsformen, darunter auch in der organisierten Erwachsenenbildung. Seit einiger Zeit ist sogar ein gesteigertes Interesse an der Vermittlung naturwissenschaftlichen Wissens zu beobachten. Das betrifft zahlreiche bildungspolitische Initiativen sowie ein zunehmend wissenschaftskritisches Interesse von Bürgern, das betrifft aber auch die Ausweitung eines Marktes an medialen Offerten und freizeit- bzw. erlebnisorientierten Angeboten. Im Kontext aktueller bildungspolitische Aufmerksamkeit für das Thema ist auch die vorliegende Publikation zu sehen, die Ergebnisse eines vom BMBW geförderten Projekts, „Wissenschaft für Erwachsene“, zusammenfasst. Dass an Erwachsene gerichtete Wissenschaftsvermittlung ein Thema der Erwachsenenbildung ist, ist allerdings nicht selbstverständlich. Tatsächlich wird das Thema primär von der Wissenschaftssoziologie, der Wissenschaftsjournalistik und neuerdings dem Wissenschaftsmanagement bearbeitet, und es ist abzusehen, dass sich daran wenig ändern wird.
Umso mehr verdient der von den Mitarbeitern des genannten Projekts herausgegebene Band Aufmerksamkeit. An diesem besticht zunächst die Gliederung in die Teile „Anknüpfungspunkte“, „Praxis-Sondierungen“ und „Perspektiven“. Dementsprechend sind es zunächst Darstellungen der Diskussion um Wissenschaftspopularisierung in der Erwachsenenbildung (J. Schrader) und der Entwicklung des Konzepts „Public Understanding of Science“ (St. Conein), die in das Thema einleiten. Es folgen Übersichten über die (vergleichsweise marginale) Behandlung naturwissenschaftlicher Themen in der kursförmig organisierten Erwachsenenbildung und die ungleich öffentlichkeitswirksamere Wissenschaftsvermittlung durch die Medien, durch Beteiligungsverfahren wie Bürgerkonferenzen, durch Wissenschafts-Events und durch naturwissenschaftlich orientierte Experimentierausstellungen (Science Centers). (Dass in diesem Teil vorzugsweise quantitative Daten herangezogen wurden und qualitative Daten wie Experteninterviews eher als gelegentliche Zitatquelle genutzt wurden, dürfte weniger an dem Wissenschaftsverständnis der Mitarbeiter als an den Arbeitsbedingungen von Projekten dieser Art gelegen haben.) Den Abschluss bilden generelle didaktische Überlegungen zu einer Popularisierung von Wissenschaft durch Erwachsenenbildung (J. Schrader) sowie spezielle Hinweise zu Handlungsfeldern und -möglichkeiten zur Verbreiterung der mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Grundbildung (M. Stadler).
Mit dieser Anlage hebt sich das Buch von plakativen Appellen ebenso ab wie von der müßigen Klage über die Missachtung organisierter Erwachsenenbildung durch die Öffentlichkeit. Statt dessen wird hier auf der Basis historischer und wissenschaftspolitischer Kenntnisse, aktueller Recherchen (Statistiken, Expertenbefragungen) und Expertisen (Beiträge über Wissenschaft im Radio, Fernsehen, in den Printmedien) der organisierten Erwachsenenbildung die Funktion der systematischen und kontinuierlichen Förderung einer mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Basiskompetenz zugewiesen. Dabei geht es nicht um abfragbares Fakten- und Formelwissen, sondern um Anwendbarkeit, Erweiterung von Handlungsfähigkeit bzw. seine Aufrechterhaltung unter den Bedingungen von Nicht-Wissen. Methodisch kann Erwachsenenbildung dabei durchaus von entsprechenden Medienangeboten lernen. Und statt sich von Orten der impliziten Erwachsenenbildung abzugrenzen, sind Kooperationen möglich, in denen die organisierte Erwachsenenbildung vorbereitende und begleitende Funktionen übernehmen könnte. Diese Aufgaben wird Erwachsenenbildung nach Meinung der Herausgeber dann optimal erfüllen können, wenn - neben politischer Förderung, institutioneller Vernetzung, Fortbildungsangeboten für Dozenten - die Wissenschaft von der Erwachsenenbildung verstärkt an der konzeptioneller Klärung und empirischen Erforschung von Fragen der Wissensvermittlung arbeitet.
Eine sinnvolle Vorstufe dazu bietet der vorliegende Band. Die dort entwickelte, vom Konzept des Public Understanding of Science abgegrenzte erwachsenenpädagogische Bestimmung von Popularisierung als reflexiver Kompetenzförderung ist nachvollziehbar, wäre aber vielleicht noch um die direkte Auseinandersetzung mit wissenschaftstheoretischen Positionen zum Thema „Wissenschaftskommunikation“ zu erweitern. Zu überlegen ist auch, ob nicht die für das Projekt gegebene Beschränkung auf die ‚harten’ Naturwissenschaften zugunsten einer zusätzlichen Berücksichtigung der ‚weichen’ Geistes- und Kulturwissenschaften aufgegeben werden sollte. Eine solche Erweiterung würde an bildungspolitische Initiativen („Public Understanding of Science and Humanities“) ebenso anschließen wie an schon von der Weimarer Erwachsenenbildung geführte Diskussionen.

Sigrid Nolda (Dortmund)
Zur Zitierweise der Rezension:
Sigrid Nolda: Rezension von: Conein, Stephanie / Schrader, Josef / Stadler, Matthias (Hg.): Erwachsenenbildung und die Popularisierung von Wissenschaft, Probleme und Perspektiven bei der Vermittlung von Mathematik, Naturwissenschaften und Technik, Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag 2004. In: EWR 4 (2005), Nr. 5 (Veröffentlicht am 04.10.2005), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/76391864.html