EWR 1 (2002), Nr. 2 (April/Mai 2002)

Wolfgang Einsiedler / Margarete Götz / Hartmut Hacker / Joachim Kahlert / Rudolf W. Keck / Uwe Sandfuchs (Hrsg.)
Handbuch Grundschulpädagogik und Grundschuldidaktik
Bad Heilbrunn: Klinkhardt 2001
(633 Seiten; ISBN 3-7815-0959-1; 29,70 EUR)
Handbuch Grundschulpädagogik und Grundschuldidaktik Die Entwicklung der Grundschulpädagogik zu einer eigenständigen universitären Disziplin wird als das Motiv und die Legitimation zur Herausgabe des Handbuches benannt, das – ĂĽber eine lexikalische Systematisierung pädagogischer Begriffe hinausgehend – die Darstellung und wissenschaftliche Aufarbeitung des grundschulpädagogischen und -didaktischen Gegenstandsfeldes in seiner gesamten thematischen Breite zur Zielsetzung hat. Damit wird hinsichtlich der Konzeption und des Adressatenkreises ein hoher Anspruch formuliert, der – um es gleich zu sagen – in vollem Umfang eingelöst ist.

Die inhaltliche Struktur leitet sich aus einer Fokussierung auf organisations- und handlungsspezifische Aufgaben- sowie Lernbereiche ab, die es unter den Aspekten

  • "Grundschule als Institution"
  • "Grundschule als pädagogisches Handlungsfeld" (Grundschulkinder / pädagogische Grundfragen und Aufgaben)
  • "Grundschule als didaktisch-methodisches Handlungsfeld"
  • "fachliche und ĂĽberfachliche Ziele und Inhalte" (Fächer und Lernbereiche / fächerĂĽbergreifende Aufgaben)

ermöglicht, die 80 einzelnen Themenschwerpunkte in einen Kontext zu stellen, ohne den Perspektivenreichtum der grundschulpädagogischen Theorie und Praxis zu nivellieren. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Stimmigkeit der Einzelbeiträge, die sich gegenseitig ergänzen und aufeinander bezogen sind, wodurch inhaltliche Redundanzen vermieden wurden. Die Ähnlichkeit der jeweiligen Textstruktur (für die Autoren bestand die Vorgabe einer möglichst geschichtlichen Einbettung des Themas, einer Bezugnahme auf Forschungsergebnisse und -desiderata sowie einer Herstellung aktueller Praxisbezüge) trägt zudem dazu bei, dem Handbuch den Charakter eines komplexen Gesamtwerkes zu verleihen. Dies gelingt trotz der breiten Autorenschaft und der Vielschichtigkeit der Einzelaspekte. Insofern wird das Handbuch zu weit mehr als einem Nachschlagewerk. Obwohl die Beiträge einen unterschiedlichen Umfang aufweisen (es gibt Lang- und Kurzbeiträge), ist es den Autoren durchgängig gelungen, den thematischen Überblick tiefgründig, sachlich fundiert und in überzeugender Argumentation zu präsentieren. Ein differenziertes Sachregister, umfangreiche aktuelle Literaturverweise, Zusammenfassungen von Forschungsergebnissen und Perspektiven der Forschung, eine historisch und theoretisch gerahmte Positionierung aktueller Strömungen sowie zukunftsorientierte Ausblicke geben zahlreiche Lesehilfen und Anregungen für eigene weiterführende Auseinandersetzungen mit ausgewählten Themenaspekten.

FĂĽr Studierende, Lehramtsanwärter/innen und Lehrer/innen, Lehrkräfte in der Fort- und Weiterbildung sowie Lehrende an Hochschulen hält das Handbuch ein umfassendes Themenspektrum bereit, das sowohl die eher "klassischen" Inhalte der Grundschulpädagogik – wie "Geschichte der Grundschule", "Pädagogische Anthropologie des Kindes", "Grundlegende Bildung" – als auch aktuelle Fragestellungen – z. B. "ComputergestĂĽtztes Lernen", "Fremdsprachliches Lernen", "Gesundheitserziehung" – aufgreift und Anforderungen, die in neuen Lehrerleitbildern formuliert werden, berĂĽcksichtigt; insbesondere ist in diesem Kontext auf Fragen der Schulentwicklung, des Umgangs mit verhaltensauffälligen SchĂĽler/innen oder der Professionalisierung von Lehrer/innen hinzuweisen. Unter diesen Aspekten wird die Herausbildung des Grundschullehrerberufes in seinem sozial-historischen Kontext als eine vom – allenfalls autodidaktisch geschulten – Elementar-, ĂĽber den seminaristisch qualifizierten Volksschullehrer zum universitär gebildeten Akademiker voranschreitende Entwicklung skizziert, die gegenwärtig in eine z. T. kontrovers gefĂĽhrte Professionalisierungsdebatte mĂĽndet. In Abgrenzung zu einem kriterienbezogenen Ansatz orientiert sich die Argumentation an einem handlungs- und berufsbiographisch orientierten Professionsverständnis, und damit an Wissens-, Handlungs- und Kooperationskompetenzen, die Schulentwicklung insgesamt als neue Aufgabe in den Blick nehmen und Professionalität aus der gelingenden Bewältigung alltäglicher Schulsituationen ableiten. Unter Bezugnahme auf Forschungsergebnissezu Altersstrukturentwicklungen, Berufswahlentscheidungen, Leistungsvoraussetzungen und der Feminisierungstendenz in der Grundschularbeit werden sowohl Ausbildungsdimensionen als auch persönlichkeitsstabilisierende Selbst- und Identifikationskonzepte angesprochen, ohne dabei Belastungsmerkmale oder auch Ambivalenzen zu unterschlagen, die sich aus Differenzen von persönlichem Anspruch und beruflicher Wirklichkeit ergeben.

Mit seiner Themen- und Argumentationsbreite stellt das Handbuch nicht nur für das Einzelstudium, sondern explizit auch für die Seminararbeit eine wertvolle Grundlagenliteratur dar, durch die wissenschaftliche Forschung und grundschulpraktisches Handeln in einen engen Bezug gestellt werden, der aber zugleich Raum lässt für eine selbstreflexive motivationale Selbstvergewisserung.
Renate Hinz (Oldenburg/Dortmund)
Zur Zitierweise der Rezension:
Renate Hinz: Rezension von: Einsiedler, Wolfgang / Götz, Margarete / Hacker, Hartmut / Kahlert, Joachim / Keck, Rudolf W. / Sandfuchs, Uwe (Hg.): Handbuch Grundschulpädagogik und Grundschuldidaktik, Bad Heilbrunn: Klinkhardt 2001. In: EWR 1 (2002), Nr. 2 (Veröffentlicht am 00.04.2002), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/78150959.html