EWR 1 (2002), Nr. 1 (Januar bis März 2002)

Christoph Wulf / Birgit Althans / Kathrin Audehm / Constanze Bauch / Michael Göhlich / Stephan Sting / Anja Tervooren / Monika Wagner-Willi / Jörg Zirfas
Das Soziale als Ritual
Zur performativen Bildung von Gemeinschaften
Opladen: Leske und Budrich 2001
(387 Seiten; ISBN 3-8100-3132-1; 24,90 DM)
Das Soziale als Ritual Performativität und Rituale werden anhand empirisch ausgewählter Szenerien in Familie, Schule, Peer-group und im Umgang mit Medien qualitativ untersucht. Im Zentrum stehen 10-13 jährige Kinder einer Grundschule in Berlin. Wie Mosaike fügen sich die Analysen aus den verschiedenen Bereichen ineinander. Die zentrale Forschungsfrage ist, wie Rituale durch alltägliches Handeln entstehen, wie Gemeinschaft dadurch hergestellt wird und was sie für die Einzelnen bedeutet. Theoretisch stehen Pate neben vielen anderen Austin, Turner, Ricoeur und Bourdieu. Im Kontext des theoretical samplings von Glaser Strauss wird ein Ritualbegriff qualitativ-theoretisch konzipiert, der auf der Ebene des Alltagshandelns ansetzt und performative Vergemeinschaftungsprozesse umgreift. Das Soziale wird hier zum Ritual, wobei es besonders die Familie ist, die als zentraler Ort der Hervorbringung von Gemeinschaft über Essensrituale Sozialität herstellt. Interessant sind vor allem die Analysen über rituelle Übergänge in der Schule. Kinder benutzen in Schwellensituationen Territorien, die Tür des Klassenraumes, den Stuhl oder Schulutensilien, um schulaffirmative Ritualisierungen zu initiieren. Dazu gehört auch das Pausenspiel als performative Kinderkultur. Jenseits unterschiedlicher sozialer und geschlechtsspezifischer Strukturen performieren die Kinder über die Regeln des Spieles Gleichheit. Medienwerkstätten als schulisches Arbeiten nutzen die Heranwachsenden zur Ritualisierung von jugendlichen Ablöseprozessen und Statusübergängen in das Erwachsenenalter. Aber auch Schulwochen mit einstudierten Inszenierungen, die über teilnehmende Beobachtungen eingefangen wurden, tragen über szenische Arrangements zur Gruppenidentität bei, die mimetisch mit dem Körperlichen in Rituale überführt werden. Rituale zeichnen sich insgesamt durch ein hohe Komplexität und eine szenische Aufführung aus, die Elemente des Ludischen und der Körperlichkeit enthalten, wobei Mimesis, Macht und Regelhaftigkeit zum Vorschein gelangen. Insgesamt präsentiert das Buch interessante Ergebnisse eines qualitativen Projektes im Rahmen des Sonderforschungsbereichs zum Thema Kulturen des Performativen, das von der DFG gefördert ist.
Jutta Ecarius (Koblenz-Landau)
Zur Zitierweise der Rezension:
Jutta Ecarius: Rezension von: Wulf, Christoph / Althans, Birgit / Audehm, Kathrin / Bauch, Constanze / Göhlich, Michael / Sting, Stephan / Tervooren, Anja / Wagner-Willi, Monika / Zirfas, Jörg: Das Soziale als Ritual, Zur performativen Bildung von Gemeinschaften, Opladen: Leske und Budrich 2001. In: EWR 1 (2002), Nr. 1 (Veröffentlicht am 01.01.2002), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/81003132.html