EWR 5 (2006), Nr. 3 (Mai/Juni 2006)

Christine Schaubs
Die Erziehungsanstalt in Schnepfenthal im Umfeld geheimer Sozietäten
Ein Beitrag zum Leben und Werk Christian Gotthilf Salzmanns
Nordhausen: Verlag Traugott Bautz 2005
(485 S.; ISBN 3-88309-189-8; 100,00 EUR)
Die Erziehungsanstalt in Schnepfenthal im Umfeld geheimer Sozietäten Die Erziehungsanstalt in Schnepfenthal – südwestlich von Gotha am Fuße des Thüringer Waldes – gehört zu den bekanntesten und bedeutendsten Bildungseinrichtungen Mitteldeutschlands. Christian Gotthilf Salzmann hatte 1784 das Landgut Schnepfenthal erworben und darauf seine Bildungsanstalt errichtet. Seit 1781 selbst als Religionslehrer und Liturg am Philanthropin in Dessau tätig, richtete Salzmann seine Schule auf Rousseau und die Aufklärungspädagogik Basedows aus. Sein pädagogisches Hauptziel lag in einer „natürlichen Erziehung“, wobei er sein Hauptaugenmerk auf spielendes Lernen, körperliche Ertüchtigung, praktische Arbeit, Realienkunde, Muttersprache und einen allgemeinchristlichen Religionsunterricht im Sinne einer überkonfessionellen Bildung richtete. Insofern ist die Erziehungsanstalt Schnepfenthal untrennbar mit der Person Salzmanns verbunden.

Entsprechend gliedert Christine Schaubs ihre Studie in drei Kapitel. Mit Recht verweist sie einleitend darauf, dass aufgeklärte Erziehung im Allgemeinen sowie in ihrer speziellen Ausprägung des Philanthropismus zu den Schwerpunkten bildungsgeschichtlicher Forschung gehört. Aufgeklärte Erziehungsvorstellungen in geheimen Sozietäten und Logen des letzten Drittels des 18. Jahrhunderts sind dagegen kaum erforscht (19). Im ersten Kapitel skizziert Schaubs die allgemeinen pädagogischen Grundsätze des Philanthropismus und dessen spezifische Ausformung bei Salzmann, um dann ausführlich auf die Erziehungskonzepte und die Tätigkeit im Concordien-, Freimaurer- und Illuminatenorden einzugehen. Dabei zeigt sie die geistig-pädagogischen Parallelen der philanthropischen Grundpositionen Salzmanns mit den freimaurerischen und illuminatorischen Erziehungsansichten auf. Zugleich werden Einblicke in die Entwicklung, die Organisationsstruktur, das geistige Klima und die Zielsetzungen der Orden gegeben. Ungeachtet der inhaltlichen und formalen Überschneidungen bringt Schaubs die pädagogischen Tendenzen auf eine klare Formel: „Die Freimaurer stellten mehr die Moralerziehung, die Concordien mehr die Erziehung zum wirtschaftlichen Denken und die Illuminaten stellten eine Reform der sozialen Verhältnisse durch eine zielgerichtete Eliteerziehung in den Mittelpunkt ihres Interesses“ (135).

Das zweite Kapitel ist der Persönlichkeit Salzmanns und seinen Verbindungen zu den Geheimbünden gewidmet. Hierbei stehen die Motive und die Bemühungen der Gothaer Illuminaten im Mittelpunkt, mit Hilfe Salzmanns das Schnepfenthal-Projekt als einen Teil ihres pädagogischen Konzepts zu verwirklichen. Besonders aufschlussreich erscheint der Abschnitt über die Gründungsgeschichte der Erziehungsanstalt. Schaubs beschreibt einerseits eine Parallelentwicklung von bildungspolitischen Ambitionen der Gothaer Illuminaten und des Herzogs Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg, der im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts selbst einer der führenden Illuminaten im Herzogtum war, sowie andererseits der pädagogischen Aspirationen Salzmanns und kommt zu dem Schluss: „Die Erziehungsanstalt war in ihrer Gründungsphase organisatorisch eine Leistung der Gothaer Illuminaten und der Freimaurer und in ihrem erzieherischen Anspruch eine Interessenverfechtung philanthropischer mit illuminatisch-freimaurerischen Erziehungszielen“ (255).

Im letzten Kapitel wird den vielfältigen Einflüssen jener Erziehungsziele auf die Ausgestaltung der Bildungsanstalt nachgegangen. Dabei kann die Autorin die Zöglingswerbung über das europaweit verzweigte Kommunikationsnetz der Freimaurerlogen belegen und Salzmanns Affinität zur freimaurerischen Denktradition bei der Einrichtung der Erziehungsanstalt verdeutlichen. Diese äußerte sich nicht zuletzt in der freimaurerischen Symbolik, die noch heute am Schnepfenthaler Schulgebäude zu sehen ist. Zu den einzelnen Kapiteln finden sich umfangreiche Anhänge, in denen zusätzliche Informationen zur Geschichte der Geheimbünde, zu Salzmanns Beziehung zu diesen und zur Geschichte der Schnepfenthaler Anstalt gegeben werden.

Auf ein Resümee, das noch einmal die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit zusammenfasst, verzichtet die Autorin. Stattdessen stellt sie lediglich heraus, dass sie mit ihrer Arbeit nachweisen will, „auf welchen tiefen und umfangreichen Wurzeln die Erziehungsanstalt Schnepfenthal gründet und welch enormer persönlicher Einsatz für ihren Aufbau notwendig war“ (340). Einige Unsicherheiten zeigen sich in der allgemeinen Geschichte und der thüringischen Landesgeschichte. So werden als politischer Hintergrund des Untersuchungszeitraums die Verhandlungen zum Fürstenbund genannt (156), an denen Sachsen-Gotha-Altenburg gar nicht aktiv beteiligt war. Dagegen werden die seit dem Siebenjährigen Krieg auf dem Herzogtum lastenden enormen Schulden und die damit verbundenen Kürzungen bei Militär und Verwaltung nicht erwähnt. Angesichts der Tatsache, dass eine neuere Gesamtdarstellung zur Geschichte der Erziehungsanstalt Schnepfenthal fehlt, wäre es bei der Drucklegung der Arbeit sicher von Vorteil gewesen, den Dissertationsstil zu verlassen und eine flüssige, allgemein verständliche Diktion zu wählen. Bedauerlich ist auch, dass ein Register fehlt, welches einen schnelleren Zugriff ermöglicht hätte.

Insgesamt legt Schaubs eine überaus kenntnisreiche Studie vor, deren Schwerpunkt auf dem pädagogischen Engagement insbesondere der Gothaer Illuminaten und des Herzogs Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg liegt. Zum pädagogischen Erziehungskonzept Salzmanns bietet die Arbeit – wie aufgrund der Forschungslage nicht anders zu erwarten war – keine neuen Erkenntnisse. Auf der Basis umfangreichen archivarischen Quellenmaterials kann Staubs erstmals den enormen Einfluss offen legen, den die geheimen Sozietäten auf die Gründung der Erziehungsanstalt Schnepfenthal ausübten. Sie relativiert damit den organisatorischen Anteil Salzmanns bei der Gründung der Erziehungsanstalt. Darüber hinaus wird das ambivalente Verhältnis zwischen den Illuminaten und Salzmann erkennbar. Die Verfasserin betont zwar, dass es ihm gelang, seine Unabhängigkeit zu bewahren, in dem er kein Mitglied des Illuminatenordens wurde. Gleichzeitig wird aber deutlich, dass Salzmann wirtschaftlich, politisch und persönlich von diesen und dem Herzog abhängig war, was auch seinen pädagogischen Gestaltungsspielraum einschränkt.
Jonas Flöter (Leipzig)
Zur Zitierweise der Rezension:
Jonas Flöter: Rezension von: Schaubs, Christine: Die Erziehungsanstalt in Schnepfenthal im Umfeld geheimer Sozietäten, Ein Beitrag zum Leben und Werk Christian Gotthilf Salzmanns. Nordhausen: Verlag Traugott Bautz 2005. In: EWR 5 (2006), Nr. 3 (Veröffentlicht am 30.05.2006), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/88309189.html