EWR 7 (2008), Nr. 2 (MĂ€rz/April)

Kerstin Martens / Alessandra Rusconi / Kathrin Leuze (Hrsg.)
New Arenas of Education Governance
The Impaxt of International Organizations and Markets on Educational Policy Making
(Transformations of the State Series)
Basingstoke et. al.: Palgrave Macmillan 2007
(256 S.; ISBN 978-0-230-00703-1; 74,95 USD)
New Arenas of Education Governance Die verschiedenen Disziplinen in den Sozialwissenschaften beschĂ€ftigen sich zurzeit intensiv mit den VerĂ€nderungen in Staatlichkeit, Gesellschaft und Wirtschaft. Ein besonderer Fokus des Forschungsinteresses gilt den VerĂ€nderungen in den Steuerungsformen. Der vorliegende Band ist im Rahmen des in Bremen angesiedelten Sonderforschungsbereichs 597 „Staatlichkeit im Wandel“ entstanden und beschĂ€ftigt sich mit diesem Thema. Zentrale Fragen sind: „erstens die wachsende AktivitĂ€t internationaler Organisationen (IOs) in der Formulierung von Bildungspolitik und zweitens die zunehmende Marketisierung des Bildungsbereichs“ (3). Die Autorinnen untersuchen die zwei Arenen entlang drei Kernfragen: erstens, wer die neuen Akteure sind und welche AktivitĂ€ten sie im Bildungsbereich verfolgen; zweitens fragen sie nach den GrĂŒnden, weshalb sich diese neuen Arenen entstehen konnten; und schließlich drittens welche Implikationen fĂŒr den Nationalstaat auszumachen sind. Das Hauptziel der Untersuchung liegt auf Punkt drei: die politikwissenschaftliche Analyse der VerĂ€nderungen im Feld der Bildungspolitik (vgl. 4).

Die BeitrĂ€ge werden anhand der zwei thematischen Teile des Bandes – Internationale Organisationen und MĂ€rkte – organisiert und von der Einleitung sowie zwei abschließenden Kapiteln gerahmt.

Die Einleitung markiert den Untersuchungsgegenstand und klĂ€rt einige der verwendeten Begriffe (8f.). Leider wird der ‚notorisch schlĂŒpfrige’ [1] Begriff ‚Governance’ trotz zentraler Bedeutung fĂŒr den Band unzureichend erlĂ€utert (vgl. 8). Teil 1 des Bandes enthĂ€lt sechs Kapitel und wird von Karen Mundy eröffnet: „Educational Multilateralism – Origins and Indications for Global Governance“. Mundy arbeitet die historische Entwicklung des edukativen Multilateralismus im Bildungsbereich heraus und erlĂ€utert die GrĂŒnde fĂŒr das Engagement der IOs in diesem Feld. Die Frage nach den Wirkungen internationaler Organisationen ist ebenfalls Gegenstand ihres Beitrags. ‚Educational multilateralism’ wird als ‚jedwede institutionelle Form der Koordination der Beziehungen zwischen drei oder mehr Staaten auf der Basis von verallgemeinerten Verhaltensprinzipien’ (19) definiert. Nachdem diese Form der Zusammenarbeit im Bildungsbereich in der Nachkriegszeit in den Fokus gerĂŒckt wurde, etablierte sie sich, so Mundy, insbesondere wĂ€hrend zwei Phasen: der des ‚embedded liberalism’ und der des ‚neoliberal multilateralism’ (20). Diese zwei Phasen bilden den zeitlichen Rahmen fĂŒr Mundys AusfĂŒhrungen; darĂŒber hinaus geht sie auf die ‚Perspektiven und Grenzen dessen ein, was als neue pluriskalare Ära in der Rekonfiguration des edukativen Multilateralismus zu sein scheint’ (29ff.). Das qualitativ Neue hinsichtlich des Multilateralismus im Bildungsbereich ‚ist am besten als eine Reihe von Experimenten auf den verschiedenen Ebenen der Governance beschrieben’ (31).

Kerstin Martens’ Beitrag „How to Become an Influential Actor – The ‘Comparative Turn’ in OECD Education Policy“ thematisiert den „Aufstieg” der OECD als einer der wichtigsten Akteure in der Bildungspolitik sowie die Hinwendung dieser IO zu vergleichenden Studien. Semi-standardisierte Interviews mit Politikern, Verwaltungsbeamten (bureaucrats) und Experten bilden die empirische Grundlage des Beitrags. Martens fĂŒhrt aus, dass eine Änderung der Herangehensweise – statt ein Fokus auf individuelle Staaten der Vergleich dieser untereinander oder mit standardisierten Kriterien (Benchmarks) – der OECD ermöglicht, einen grĂ¶ĂŸeren Einfluss auf die Staaten auszuĂŒben. Der leichte Zugang zu Leistungsstatistiken der Bildungssysteme fĂŒr Politiker, Medien und breitere Öffentlichkeit spiele dabei eine entscheidende Rolle (40). Martens macht die alles durchdringende ‚Governance by comparison’, insbesondere in Form von ‚rakings and ratings’, als ein Hauptinstrument der OECD aus (41), welches ein ‚wissenschaftliches Vorgehen’ impliziere (42). Um den ‚comparative turn’ in der bildungspolitischen AktivitĂ€ten der OECD zu erkunden, lenkt Martens ihre Aufmerksamkeit auf zwei evaluative Mechanismen: das Indikatorenprogramm und die ‚peer-reviewing’ Praktiken, in denen das OECD-Personal eine entscheidende Rolle spielt, weil sie betrĂ€chtliche Freiheit in der Formulierung, Implementation und Veröffentlichung der Projekte genießen. Die komparative Arbeit der OECD erklĂ€rt – zumindest teilweise, so Martens – die breite Wirkung dieser IO (54).

Kapitel vier („From the European Commission to the Member States and Back – A Comparison of the Bologna and the Copenhagen Process“) rĂŒcken Carolin Balzer und Alessandra Rusconi die EuropĂ€ische Kommission in den Mittelpunkt der Analyse. Der Vergleich zwischen dem Bologna Prozess und dem Kopenhagen Prozess zeige, so die Autorinnen, wie dieser Akteur zunehmend an Bedeutung im bildungspolitischen Bereich gewonnen hat. Theoretisch wird der Beitrag durch den ‚two level norm game’ Ansatz informiert (58f.). Hierbei handelt es sich um ein Stufenmodell (ideational impetus, norm emergence, norm cascade, norm internalization) fĂŒr die Beschreibung von Normbildung und -diffusion – in dem Fall um den ‚EuropĂ€ischen Bildungsraum’. ‚Internationale Normen erwachen zum Leben in einem ideationalen Rahmen, der von IOs gestellt wird. Diese werden dann durch das Zutun unterschiedlicher Akteure – im Wechselspiel zwischen internationaler und nationaler Agenten – internationalisiert (59f.). Vor dem Hintergrund dieses ‚norm cycle model’ werden die historische Entwicklung der bildungspolitischen AktivitĂ€ten der EU sowie der Bologna und Kopenhagen Prozesse skizziert und die Rolle der EuropĂ€ischen Kommission in der Entstehung einer neuen Idee rekonstruiert (61-71).

Die BemĂŒhungen, die Konventionen der UNESCO zur internationalen Anerkennung von Hochschulbildungszertifikaten so zu verĂ€ndern, dass diese als nĂŒtzliche Steuerungsinstrumente der ‚knowledge economy‘ dienen können, bilden die Kernfrage des Beitrags von Eva Hartmann („Towards an International Regime for the Recognition of Higher Education Qualifications – The Empowered Role of UNESCO in the Emerging Global Knowledge-based Economy“). Es geht um Vereinbarungen, welche akademische und professionelle MobilitĂ€t ermöglichen. In dem ersten Teil skizziert die Autorin den Ausgangspunkt der Entwicklung. Das erste dieser Abkommen wurde bereits erfolgreich im Rahmen der Lissaboner gemeinsamen Konvention des Europarats und UNESCO 1997 ĂŒberarbeitet (76). Letzterer wurde damit zum wesentlichen Bestandteil des so genannten Bologna Prozesses und zum Motor dieser Entwicklung. Das erhöhte Interesse an der Revision dieser ÜbereinkĂŒnfte muss jedoch, wie Hartmann argumentiert, vor dem Hintergrund des GATS-Abkommen betrachtet werden. Modus 4 des GATS-Abkommen regelt die Erbringung einer Dienstleistung durch die PrĂ€senz natĂŒrlicher Personen im Ausland. Da sich zurzeit die ZugestĂ€ndnisse der Mitglieder auf hoch qualifiziertes Personal beschrĂ€nkt (86), spielt die Anerkennung von Hochschulzeugnissen eine wesentliche Rolle in der Liberalisierung der MĂ€rkte – insbesondere vor dem Hintergrund der (ungleichen) Verhandlungen zwischen LĂ€ndern des SĂŒdens und des Nordens (87f.). DarĂŒber hinaus, so Hartmann, können dadurch die ersten Konturen eines neuen ‚internationalen Migrationsregimes‘ beobachtet werden, in dem der UNESCO eine bedeutsame Rolle zukommt (88). Die Diskussion der theoretischen Implikationen wird im Rahmen von Gramscis Hegemonietheorie (ebd.) und Poulantzas Kapitalistischer Staatstheorie (90) aufgerollt. Vor diesem Hintergrund werden in dieser komplexen institutionellen Governance-Struktur die Rollen der EuropĂ€ischen Kommission als ‚a kind of organic intellectual, though with a fragile position‘ entfaltet; denn aufgrund ihrer parteiischen Position verliert sie die LegitimitĂ€t in der Mediation innerhalb des Kapitals und zwischen Kapital und Arbeitskraft (91). Weiterhin werden die Rollen der UNESCO und der WTO als ‚Kristallisationspunkte unterschiedlicher sozialer KrĂ€fte‘ eingeschĂ€tzt, welche als Mediatoren zwischen konfliktiven Interessen fungieren (92).

Kapitel sechs von Anja P. Jakobi („Converging Agendas in Education Policy – Lifelong Learning in the World Bank and the International Labour Organization“) schließt Teil I des Bandes und leitet die Diskussion von den IOs zu MĂ€rkten in Teil 2 ein. Vergleichend diskutiert die Autorin die AktivitĂ€ten der Weltbank und der ILO im Themenfeld „Lebenslanges Lernen“ (LLL). An diesem Beispiel macht Jakobi deutlich, dass die Entwicklungen in IOs-Governance und Privatisierung Hand in Hand gehen. Sie zeigt einerseits, dass diese zwei Organisationen das Thema auf der nationalen Ebene voranbringen und sich dadurch aktiv und konzertiert an der Governance von Bildungspolitik beteiligen. Andererseits verbinden sie ihre AktivitĂ€ten mit derjenigen der nicht-staatlichen Akteure, denn in der aktuellen Diskussion um LLL wird davon ausgegangen, dass Bildungsdienstleistungen als persönliche Investition zu sehen sind und daher ausschließlich individuell finanziert und in einem privaten Sektor erbracht werden sollen (99). Folgerichtig wird seitens der IOs eine neue Rolle fĂŒr den Staat gesucht: Der Weltbank zufolge kommt dem Staat lediglich eine Regulations- und Informationsfunktion zu (102). Auch ILO folgt neuerdings einem liberaleren Ansatz in ihren Empfehlungen, nimmt somit die Betonung auf soziale Fragen (z.B. Rolle von Bildung fĂŒr benachteiligte Bevölkerungsgruppen) ein StĂŒck weit zurĂŒck (105f.). Auch wenn sich die AnsĂ€tze dieser beiden IOs unterscheiden, so resĂŒmiert Jakobi, konvergieren ihre Schlussfolgerungen hinsichtlich der Bedeutung von LLL und bilden eine gemeinsame Agenda (108).

Teil 2 des Bandes wird von Christoph Scherrers Beitrag „GATS – Commodifying Education via Trade Treaties“ eröffnet. Der Autor beschreibt unter RĂŒckgriff auf Stephen Gills ‚new constitutionalism‘ das GATS-Abkommen als einen allgemeinen politischen und rechtlichen Rahmen, der die Rechte der Staaten vis-Ă -vis Unternehmen einschrĂ€nkt und sich nicht ohne weiteres rĂŒckgĂ€ngig machen lĂ€sst (122). Indem die öffentlichen Bildungssysteme dem direkten Wettbewerb in einem freien Markt ausgesetzt wĂŒrden, werde die Rolle des Nationalstaates in der Governance sowie in der Formulierung von Inhalten stark eingeschrĂ€nkt, so Scherrer (133). GATS selbst sei nur marginal in der Kommodifizierung von Bildung; das gros der Liberalisierung im Bildungssektor ist vielmehr ein „spill-over“-Effekt anderer Sektoren des Freihandels sowie der ‚new constitutionalist agenda‘ der IOs. Scherrer fasst zusammen: „For those who want to oppose the commodification of education a focus on GATS is therefore not sufficient. It has to include the full scale of new constitutionalism (ebd.).

Die Registrierung, QualitĂ€tsprĂŒfung und Akkreditierung der Anbieter grenzĂŒberschreitender Bildungsdienstleistungen ist ein zentraler Aspekt der Diskussion um BildungsmĂ€rkte. Hier setzt Jane Knight in Kapitel acht an: „Crossborder Education – Changes and Challenges in Program and Provider Mobility“. Der steile Zuwachs der Nachfrage im tertiĂ€ren Bereich ließ in letzter Zeit nicht nur neue Erbringungsmodi, sondern auch neue Anbieter und neue StudiengĂ€nge entstehen. Dies zieht darĂŒber hinaus die Entwicklung und Etablierung von Rahmengesetzen fĂŒr die QualitĂ€tskontrolle – insb. vor dem Hintergrund der Entstehung von unseriösen ‚degree mills‘ (138) – nach sich. Knight arbeitet drei unterschiedliche Typologien fĂŒr die Anbieter abhĂ€ngig von ihrem Typus, ihrem MobilitĂ€tsmodus oder der Art ihrer GrenzĂŒberschreitung heraus. Des Weiteren diskutiert Knight die unterschiedlichen Strategien, welche der Intensivierung grenzĂŒberschreitender Bildungsdienstleistung zugrunde liegen. Dabei trĂ€gt sie dem Folgenden Rechnung: „diverse and often contradictory perspectives and expectations that different groups of stakeholders may have“ (144).

Reinhold Sackmann geht in seinem Beitrag (Kapitel neun) „Internationalization of Markets fĂŒr Education? New Actors Within Nations and Increasing Flows Between Nations“ der Frage nach, ob tatsĂ€chlich eine Internationalisierung von BildungsmĂ€rkten vonstatten geht (156). Er prĂ€zisiert Konzepte wie Markt und Internationalisierung und prĂ€sentiert empirisches Material zu privaten Anbietern in Deutschland und den USA. Die Internationalisierung eines Bildungsmarktes kann erst zustande kommen, so Sackmann, wenn ein Segment von Profitunternehmen auf nationaler Ebene entsteht und sich auf die internationale Ebene ausdehnt (159). FĂŒr Deutschland bleibt der Grad an Kommodifizierung des Bildungssektors niedrig (162). Anderes gilt fĂŒr die USA, die in diesem Bereich fĂŒhrend sind (166). Hinsichtlich der MobilitĂ€t von Studierenden wird ein niedriges Niveau an Denationalisierung konstatiert (168). Die Diskussion der empirischen Daten zeigt eine Bewegung in Richtung Internationalisierung in den letzten zwei Jahrzehnten. Ob dies als ‚Markt‘ definiert werden soll, bleibt umstritten, so der Autor (170). Bis dato zeige jedoch keins der untersuchten LĂ€nder eine tatsĂ€chliche Welle von Internationalisierung (wie beispielsweise im Automobilsektor). Wichtig sei vielmehr zwischen unterschiedlichen Grade der Kommodifizierung zu differenzieren, statt nur zwischen öffentlichen und privaten Anbietern zu unterscheiden (171). Ebenso notwendig sei die Verbesserung statistischer Quellen in privaten Bildungssektor. In einem Postskriptum behandelt der Autor außerdem zwei relevante Fragen in einer breiteren gesellschaftlichen Perspektive: „Why could this arena of an international education market arise? und „Why could this arena implode?“ (172f.).

Die Rolle des Nationalstaates in der Ausdehnung gewinnorientierter Bildungsunternehmer wird am Beispiel USA von Guilbert C. Hentschke untersucht. Sein Beitrag „Characteristics of Growth in the Education Industry – Illustrations from US Education Businesses“ fasst vier Unternehmentypen – education delivery, content, infrastructure und services firms – zur Bildungsindustrie zusammen (177). Dieser junge, aber schnell wachsende Sektor – im Jahr 2003 wurde fast eine Milliarde US-Dollar erwirtschaftet (178) – wurde durch staatliche Maßnahmen beeinflusst und gefördert, z. B. durch neue Regulierungsvorgaben wie in LeistungsĂŒberprĂŒfung der SchĂŒler und Schulen sowie durch Subsidien fĂŒr Dienstleistungen oder Materialien (192). Hentschke macht mit seiner Analyse deutlich, dass „‚Marketisierung‘ im Bildungsbereich nicht einfach geschieht, sondern aktiv – auch von Nationalstaaten – gestaltet wird (193).

Bettina Kohlrauschs und Kathrin Leuzes Kapitel elf schließt den zweiten Teil des Bandes. In „Implications of Marketization for the Perception of Education as Public or Private Good“ gehen sie der Frage nach dem Wandel des VerstĂ€ndnisses von Bildung als öffentlichen Guts oder Ware nach. Sie analysieren zwei Bereiche der post-sekundĂ€ren Bildung – Hochschul- und Erwachsenenbildung – vergleichend in Deutschland und Großbritannien. Unterschiede zwischen den Feldern verweisen auf eine Tendenz in der Hochschulbildung in Richtung ‚privates Gut’. Damit fĂ€llt die Verantwortung den Einzelnen zu. Zugleich wird im Bereich Erwachsenenbildung die Rolle des Staates als Anbieter betont, folgerichtig das VerstĂ€ndnis von Bildung als öffentliches Gut verstĂ€rkt. WĂ€hrend im Allgemeinen diese Konzepte der Bildungspolitik in den untersuchten LĂ€ndern zu konvergieren scheinen, werden in der Frage der Implementierung Unterschiede festgestellt, welche die tatsĂ€chliche Konfiguration von Bildung als öffentlichem Gut oder Ware beeinflussen (209). Die Autorinnen resĂŒmieren: „Convergence of the perception of education as a public or private good was found at the level of policy goals, divergence persisted at the level of policy implementation.” Das ĂŒberraschende Ergebnis ist vielmehr, dass „das Niveau und die entsprechend wahrgenommenen positiven oder negativen externen Effekte das jeweilige VerstĂ€ndnis von Bildung als öffentliches Gut oder Ware erklĂ€ren“ (210).

Zwei Kapitel bilden den Schlussteil des Buches. Das erste, von Roger Dale und Susan Robertson „New Arenas of Education Governance – Reflections and Directions“, fasst die Ergebnisse der einzelnen BeitrĂ€ge zusammen und leistet die theoretisch-analytische Synthese des Bandes. Ihr Beitrag wird anhand dreier GedankengĂ€nge organisiert: 1. „the nature and operation of IOs and market actors in the field of education“ (218). An diesem Punkt stellen sie heraus, dass es wichtig ist, die Akteure differenziert zu sehen: „as part of a complex set of social forces and patternings which change over time“. Dies leisten die BeitrĂ€ge des Bandes. Die daraus hervortretenden divergierenden Mechanismen sollten jedoch den Blick fĂŒr die wichtigere Frage nicht verstellen, ob eine gemeinsame Agenda verfolgt wird (219). FĂŒr Dale und Robertson besteht in der Tat eine von allen Organisationen geteilte ‚worldview‘. Zweitens fragen die Autoren, welche Lehren fĂŒr die Bildungsgovernance aus den Fallstudien gezogen werden können (221). Das VerhĂ€ltnis zwischen den globalen und nationalen Ebenen lĂ€sst sich nicht als Nullsummenspiel erklĂ€ren, so Dale und Robertson. Geboten sei vielmehr zwischen verschiedenen ‚scales‘ zu unterscheiden, welche die Arbeitsteilung in der Bildungsgovernance besser zum Ausdruck bringen können (222). Der dritte Gedanke kreist um Folgendes: „the possible consequences for our conceptions of the nature, purpose and governance of education“ (217). Dale und Robertson unterscheiden in ihrer Diskussion zwischen formalen und wesentlichen Fragen der Bildungsgovernance. Geht es im ersten Fall um die inhĂ€rente Beschaffenheit von Bildung als Feld der internationalen Governance (222), so geht es im zweiten Fall in den wesentlichen Fragen um die möglichen Folgen der AktivitĂ€ten der IOs im Bildungsbereich (225). Abschließend sprechen die Autoren zwei VorzĂŒge des Bandes an: Die BeitrĂ€ge bieten eine Reihe detaillierter, ausgewogener und differenzierter Darstellungen zentraler Akteure der internationalen Bildungspolitik an, und zweitens legen sie den Grund fĂŒr ein umfassendes Wiederaufgreifen des Themas sowie die Rekonzeptualisierung und Restrukturierung des Feldes. Insgesamt decke der Band die Notwendigkeit einer kompletten Reformulierung der theoretischen Rahmen der Bildungsgovernance auf (227).

Der zweite Beitrag des Schlussteils bettet die Ergebnisse der Fallstudien in den breiteren Kontext der Beziehung zwischen Staat, Gesellschaft und Bildung ein. Der Beitrag „International Organizations, Markets and the Nation State in Education Governance“ von Ansgar Weymann, Kerstin Martens, Alessandra Rusconi und Kathrin Leuze geht der Frage nach, ob die in den Fallstudien konstatierte Entstehung neuer Arenen der Bildungsgovernance als Bedrohung fĂŒr die PrĂ€rogative des Nationalstaates zu werten ist (229). Die Autoren arbeiten drei Phasen der Bildungsgovernance historisch heraus und analysieren die möglichen Konsequenzen der letzten Phase – die der internationalen Arenen, IOs und MĂ€rkte – fĂŒr die bildungspolitische Agenda des Nationalstaates und diskutieren schließlich einige der denkbaren Konfliktlinien zwischen den unterschiedlichen Akteuren und Weltregionen (239).

Der vorliegende Band versammelt ausnahmslos differenzierte und interessante BeitrĂ€ge, die in geglĂŒckter Weise thematisch gebĂŒndelt sind und daher nicht nur einzeln, sondern auch insgesamt – trotz der bei SammelbĂ€nden fast unvermeidlichen Dopplungen und Wiederholungen – anregend sind. Zweifellos liefert der Band eine gute Grundlage fĂŒr die weitere erziehungswissenschaftliche Diskussion, insbesondere um die enger gefassten Konsequenzen fĂŒr die Theorie und Praxis der Bildung.

[1] Pierre, Jon/Peters, B. Guy (2000): Governance, Politics, and the State. Houndmills u. a.: Macmillan u. a., 7.
Marcelo Parreira do Amaral (TĂŒbingen)
Zur Zitierweise der Rezension:
Marcelo Parreira do Amaral: Rezension von: Martens, Kerstin / Rusconi, Alessandra / Leuze, Kathrin (Hg.): New Arenas of Education Governance, The Impaxt of International Organizations and Markets on Educational Policy Making (Transformations of the State Series). Basingstoke et. al.: Palgrave Macmillan 2007. In: EWR 7 (2008), Nr. 2 (Veröffentlicht am 15.04.2008), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/978023000703.html