EWR 9 (2010), Nr. 1 (Januar/Februar)

Carol Strauss-Sotiropoulos
Early Feminists and the Education Debate
England, France, Germany 1760-1810
Madison, Teaneck: Fairleigh Dickinson University Press 2007
(319 S.; ISBN 978-0-8386-4087-6; 39,00 EUR)
Early Feminists and the Education Debate Carol Strauss Sotiropoulos, Literaturwissenschaftlerin an der Northern Michigan University in Marquette, untersucht für die Zeit von 1760 bis 1810 einen bestimmten Teil des pädagogischen Diskurses, nämlich die Gegenstimmen zum dominanten Diskurs über weibliche Erziehung und Bildung. Im Rekurs auf Karen Offen bezeichnet sie diese Position, auch wenn es den Begriff seinerzeit noch nicht gab, als „feministisch“ [1].

In ihrem Untersuchungszeitraum, dem pädagogischen 18. Jahrhundert, wurde erstmals breit, leidenschaftlich und vor allem kontrovers über weibliche Bildung diskutiert. Einigkeit herrschte darüber, dass es um die Erziehung des weiblichen Geschlechts schlecht bestellt sei, Uneinigkeit darüber, womit dem abzuhelfen sei. Während die Hauptströmung differenztheoretisch die Erziehung zur Hausfrau, Gattin, Mutter, also die Erziehung für die Familie propagierte, was mit oder ohne Piano und Französisch ausfallen konnte, aber stets im Rekurs auf die weibliche Natur begründet wurde, stellt Sotiropoulos mit den feministischen Positionen jene Gegenströmung ins Zentrum, die Mädchen und Frauen möglichst umfassend, ja meist gleich wie Knaben erzogen wissen wollten, Positionen, die politisch in Richtung Egalitätstheorie gingen bzw. explizit, wenn wir an Hippel, Wollstonecraft oder Condorcet denken, Gleichheitspositionen vertraten und davon ausgingen, wie es Poullain de la Barre formuliert hatte, dass der Verstand kein Geschlecht habe.

Das Besondere an der Untersuchung von Sotiropoulos liegt darin, dass sie an diese Texte literaturwissenschaftlich herangeht, das heißt, sie interessiert sich vor allem dafür, wie Positionen literarisch gestaltet werden, für literarische Genres, für rhetorische Figuren, für Tropen, die in der Debatte zum Tragen kamen – oder auktorial betrachtet, die die Autorinnen und Autoren nutzen. Damit eröffnet sie neue Perspektiven auf die Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung, die ja ansonsten vor allem von der historischen Bildungsforschung untersucht wird. Dass diese literaturwissenschaftliche Lesart der pädagogischen Texte Sinn macht, begründet sie überzeugend damit, dass die Feministinnen und Feministen mehr oder weniger gezwungen waren, mit rhetorischem Geschick und Einfallsreichtum vorzugehen. Sie hätten sich nämlich einer Phalanx überzeugter pädagogischer Differenztheoretiker gegenübergesehen, die der Theorie der getrennten Lebensbereiche und der ihnen entsprechenden komplementären und polaren Geschlechtscharaktere folgend, weibliche Gelehrsamkeit mit Männlichkeit, Interesse an Lernen bei Frauen mit sexueller Zügellosigkeit gleichsetzten. Sotiropoulos nimmt ein close reading vor und folgt der kontextualisierenden Narratologie, indem sie vor allem die narrativen Strategien ihrer Autorinnen und Autoren untersucht.

Im Zentrum dieser Strategien steht, so Sotiropoulos, die Nutzung der Muttermetaphorik und -rhetorik. Anschlussfähig an den Natur- wie den Nationendiskurs, ließ sich mit der Mutterrhetorik eine bessere Mädchenerziehung ganz allgemein legitimieren, die Familie und Kindern zu Gute käme, aber auch die Errichtung guter öffentlicher Schulen für Mädchen, um, wie es im Kontext der französischen Revolution geschah, die Erziehung der „mère republicaine“ zu befördern, die unabdingbar sei für die Hervorbringung des neuen Bürgers. Feministinnen und Feministen, so Sotiropoulos’ These, lernten sich dem Zeitgeist anzupassen, indem sie die narrativen Strategien ihrer Kontrahenten adaptierten, um ihr Publikum zu erreichen; in dieser Perspektive werden die feministischen Autorinnen und Autoren auch als Akteure sichtbar mit ihren Handlungsspielräumen wie auch ihrem Gestaltungswillen.

Angelegt hat Sotiropoulos ihre Studie nach der einleitenden Exposition ihres Themas in vier großen Kapiteln und einem Schlusskapitel. Die einzelnen Kapitel werden jeweils mit schönen „Windows on women’s education“ eröffnet, in denen für das jeweilige Land der Stand der Debatte über Mädchenerziehung und die Möglichkeiten, als Mädchen oder Frau an Erziehung, an Wissen zu kommen, behandelt werden. Für alle drei Länder gilt, dass Mädchen im Vergleich zu Knaben signifikant weniger Schulen und von Ausnahmen wie etwa den englischen Quäkerschulen abgesehen, keine qualifizierten höheren Schulen zugänglich waren bzw. dass ehedem qualifizierte Schulen wie etwa St. Cyr im Laufe des 18. Jahrhunderts ihr Curriculum immer mehr einschränkten. Solide Kenntnisse konnten Mädchen eigentlich nur durch solide häusliche Erziehung erhalten, wozu es daran interessierter Eltern bedurfte, die sich das leisten konnten – Stipendien, Gymnasien, Universitäten, das alles war dem männlichen Geschlecht vorbehalten.

Dass Sotiropoulos ihr erstes Kapitel „Accomodating voices: Sophie von La Roche“ der ersten Herausgeberin einer Frauenzeitschrift, der „Pomona für Teutschlands Töchter“ (1783-84) widmet, ist bemerkenswert. La Roche (1731-1807) verstand sich nicht als Erziehungstheoretikerin, sondern als Schriftstellerin, die unterhalten und – hier kommt Erziehung doch ins Spiel – belehren wollte. Sotiropoulos zeigt, wie La Roche als Herausgeberin, Ich-Erzählerin und, das war neu, Dialogpartnerin ihrer Leserinnen agierte. Als erste nahm sie das Genre der Leserbriefe auf, indem sie diese zwar nicht abdruckte, aber auf sie antwortete und dem weiblichen Publikum damit eine öffentliche Plattform bot. Sie argumentierte vordringlich im Horizont der Theorie der getrennten Sphären, was sie aber nicht davon abhielt, den Frauen, die von Natur aus dafür begabt seien, intellektuelle Beschäftigung zu empfehlen; ihre Zeitschrift lieferte dazu, beispielsweise mit historischen Abhandlungen, breite Anregung.

Das nächste Kapitel gilt den Debatten der Französischen Revolution. Diese nahm bekanntlich die Fraternité in der Trias Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit wörtlich, indem bürgerliche und politische Rechte Männern vorbehalten blieben: ungeachtet des vehementen Engagements von Frauen im revolutionären Geschehen wurden 1793 die existierenden Clubs von Frauen verboten; für deren politische Artikulation war kein Platz vorgesehen. An Jean-Maurice Talleyrands (1754-1838) an die Nationalversammlung adressiertem „Rapport sur l’instruction publique“ (1791) zeigt Sotiropoulos, wie Frauen im Rekurs auf die revolutionäre Rhetorik zu ihrem moralischen Schutz, so Talleyrands Argument, auf den häuslichen Bereich festgeschrieben wurden. Dass es in der Debatte um öffentliche Erziehung auch Stimmen gab, die Frauen in die Erzählung vom neuen Bürger einbezogen, wird an den „Mémoires sur l’instruction publique“ (1791) und „Rapport et Projet de décret sur l’organisation générale de l’instruction publique“ (1792) von Marie-Jean Nicolas Caritat, Marquis de Condorcet (1743-94) dargestellt. Als einziger plädierte er in der Nationalversammlung für koedukative Schulen, die er als Zugang des weiblichen Geschlechts zur öffentlichen Sphäre verstand. Auch er bediente sich der Rhetorik des Mütterlichen, wobei seine „gute republikanische Mutter“ allerdings die gleiche Erziehung wie Männer erhalten und über politische wie bürgerliche Rechte verfügen sollte.

Weiter kommen Frauen mit ihren an die Nationalversammlung gerichteten Petitionen für (ständeübergreifende) Mädchenschulen zu Wort. Als pädagogische Praktikerinnen, als Mütter und Lehrerinnen, wie sie betonten, autorisierten sie sich als Sprecherinnen der Nation, indem sie öffentliche Mädchenerziehung als Mittel zur Verbesserung der Moral propagierten und zugleich eigene Optionen auf qualifizierte berufliche Tätigkeiten formulierten. Dass sie es dabei mit den männlichen Gesetzgebern ihren Anliegen kaum günstig gesonnenen Adressaten zu tun hatten, machte sie, wie Sotiropoulos zeigt, rhetorisch findig, doch ohne Erfolg.

In England, dem das Kapitel „Narratives of miseducation: Catharine Macaulay and Mary Wollstonecraft“ gilt, wurde im ganzen 18. Jahrhundert über weibliche Bildung debattiert. Dass dies vor allem im Umfeld der Dissenter geschah, zeigt einmal mehr, wie stark religiöse Überzeugungen pädagogische Positionen beeinflussten. Zwei Figuren bestimmten, so Sotiropoulos, die feministische Debatte: die „ closet learned lady, die sich ihrer persönlichen intellektuellen Entwicklung widmete, und die public proper lady, die sich mit ihren Wissen und Talent im Hintergrund hielt und sich der vorherrschenden Weiblichkeits- und Häuslichkeitsideologie anpasste“ (126); für Bemühungen um öffentliche Mädchenerziehung waren das keine guten Ausgangsbedingungen. Mit Catharine Macauley (1731-91) und Mary Wollstonecraft (1759-97) stellt Sotiropoulos zwei radikale Feministinnen ins Zentrum, die beide an der weiblichen miseducation ansetzten und beide eine umfassende, den Knaben gleiche Erziehung forderten. Wollstonecraft propagierte in ihrer breit rezipierten „Vindication of the rights of women“ (1792), die übrigens bereits 1793 in Weissenborns Übersetzung in Deutschland erschien (mit einer Einleitung des Philanthropen Salzmann, also in einem pädagogischen Kontext) „die mütterliche Erzieherin als ein klassenübergreifendes Ideal, die über den Schlüssel zur moralischen Erneuerung verfügte“ (137f.), wobei sie, die selbst eine Mädchenschule betrieben hatte, erstaunlich vage in punkto öffentliche Mädchenerziehung blieb. Macauley dagegen, eine anerkannte Schriftstellerin, argumentierte in ihren „Letters on Education“ (1790), die seinerzeit wie heute kaum rezipiert wurden, für staatlich geförderte koedukative Schulen und formulierte ein umfassendes klassisches Curriculum, ohne allerdings auf die probate Mütterrhetorik zu rekurrieren, für Sotiropoulos der Grund ihrer marginalen Rezeption.

Im letzten Kapitel kehrt Sotiropoulos wieder nach Deutschland zurück, in die Zeit zwischen 1780 und 1810. Mit Theodor Gottlieb von Hippels (1741-96) „Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber“ (1792), in der zwischen Ernst und Humoreske jean-paulesk gewechselt wird, stellt Sotiropoulos einen radikalen Gleichheitstheoretiker vor, der sich für die völlige rechtliche und bürgerliche Gleichstellung aussprach. Er forderte die gleiche Erziehung für beide Geschlechter in koedukativen Schulen und den Zugang von Frauen zu allen, auch akademischen, Berufen, wurde aber, obwohl ein bekannter Autor, mit dieser Schrift kaum rezipiert.

Anders war das bei Amalias Holsts (1758-1829) „Über die Bestimmung des Weibes zur höheren Geistesbildung“ (1802) und Betty Gleims (1781-1827) „Erziehung und Unterricht des weiblichen Geschlechts“ (1810). Beide machten das Argument stark, dass Frauen besonders als Mütter eine umfassende Erziehung bräuchten, aber auch allgemeiner für die häusliche Sphäre, dies aber auch und vor allem für sich selbst und nicht für andere, womit sie, das ist wichtig, Bildung als Menschenrecht konzeptualisierten. Beide wollten darüber hinaus Frauen auch dafür erzogen wissen, im „ehelosen Zustand“ (Holst) für sich selbst sorgen zu können. Während Gleim ein systematisches Curriculum für höhere Mädchenschulen aufstellte, äußerte sich Holst erstaunlicherweise nur zur häuslichen Erziehung. Erstaunlich ist das, weil sie wie Gleim eigenen Mädchenschulen vorgestanden hat.

An solchen Widersprüchen zwischen Biographie und ideologischer Position wie auch gewähltem Genre – warum, so eine weitere Frage, wählte beispielsweise die für ihre politischen Polemiken bekannte Macaulay das vergleichsweise zahme Briefgenre – setzt Sotiropoulos in ihren Conclusions an und fragt sich, ob darin „genuine Überzeugungen oder strategische Anpassungen (bzw.) rhetorische Manöver“ (220) zu sehen sind. Beides, so ihre Antwort, sei einzigartig verflochten, was dem potentiell ablehnenden Publikum wie auch der allgegenwärtigen Doktrin der getrennten Sphären geschuldet sei.

Dass sich fiktionale und nicht-fiktionale Texte wechselseitig fruchtbar machen lassen, zeigt sie abschließend in ihrer Analyse einzelner Frauenromane als Bildungsromane, um zu der These zu kommen, dass „Schriftstellerinnen des 18. Jahrhunderts in den Genres Abweichungen vornahmen, um die Spannung zwischen Selbstverleugnung (Tugend) und agency zu thematisieren“ (222). Eine den Leserinnen vermutlich nicht unvertraute Spannung: sie konnten in den Texten das Modell der tugendhaften mütterlichen Erzieherin finden, aber, so Sotiropoulos, auch eine Vorstellung davon bekommen, dass umfassende Bildung dem keineswegs tugendkompatiblen Ziel weiblicher Selbstverwirklichung näher bringen konnte.

In ihrer Untersuchung hat Sotiropoulos überzeugend herausgearbeitet, wie kreativ ihre Autorinnen und Autoren unterschiedliche literarische Genres und literarische Mittel nutzten. Insgesamt hat Sotiropoulos gezeigt, dass eine literaturwissenschaftlich inspirierte Analyse der angewandten narrativen Formen und Tropen den Blick auf die frühen feministischen Debatten über Erziehung gerade in ihrer Vielstimmigkeit und Ambivalenz weiten kann. Dass sie dabei drei Länder untersucht hat, macht ihre Untersuchung auch unter vergleichender Perspektive zu einer lohnenden Lektüre. Dem elegant geschriebenen Buch sind viele Leserinnen und Leser zu wünschen.

[1] Die vorliegende Rezension erschien zuerst in: Monatshefte, Vol. 101, No. 3. University of Wisconsin Press. Fall 2009, S. 423-426.
Pia Schmid (Halle)
Zur Zitierweise der Rezension:
Pia Schmid: Rezension von: Sotiropoulos, Carol Strauss: Early Feminists and the Education Debate, England, France, Germany 1760-1810. Madison, Teaneck: Fairleigh Dickinson University Press 2007. In: EWR 9 (2010), Nr. 1 (Veröffentlicht am 05.02.2010), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/978083864087.html