EWR 13 (2014), Nr. 4 (Juli/August)

Benjamin Justice (Hrsg.)
The Founding Fathers, Education, and „The Great Contest“
The American Philosophical Society Prize of 1797
New York: Palgrave Macmillan 2013
(296 S.; ISBN 978-1-137-27101-3; 85,95 EUR)
The Founding Fathers, Education, and „The Great Contest“ (Geistes-)Wissenschaft ist ein einsames Geschäft und der Forscher nur am eigenen Schreibtisch wahrlich produktiv, so das gängige Klischee. Der vorliegende Band beweist das Gegenteil. Er entstand aus einem Workshop mit sechs Doktoranden und zwei Professoren, abgehalten im Jahr 2009 in der American Philosophical Society (APS) in Philadelphia. Ziel des Workshops war es, den Essaywettbewerb der APS von 1797 zum Bildungssystem der USA neu aufzurollen. Die Energie und Dynamik, die aus der Zusammenarbeit entstanden, machen dieses Buch zu etwas Besonderem. Enthusiasmus, Forschungs- und Entdeckergeist dieses Workshops tragen auch die schwächeren Beiträge des Bandes, der noch durch Beiträge fünf weiterer Autoren ergänzt wurde.

Dem Herausgeber Benjamin Justice ist in seiner Einführung die Begeisterung für das Projekt anzumerken, das sich zum Ziel gesetzt hat, mit unterschiedlichster Methodik und Fragestellung Forschungslücken zu diesem Ereignis der amerikanischen Bildungsgeschichte zu schließen. Zum einen versucht der vorliegende Band dies in Bezug auf die Frage der bisher unerklärten Autorenschaft einiger Wettbewerbsbeiträge, zum anderen befasst er sich in Form von Beiträgen zu Gender, Race und Religion mit thematischen Forschungslücken. Letztlich bietet der Sammelband auch erstmalig veröffentlichtes Quellenmaterial. Diesem Erkenntniswillen folgend, gliedert sich der Band in die drei Teile: „Methods“, „Meanings“ und „Materials“.

Der Essaywettbewerb zu Fragen von Inhalt, Struktur und Finanzierbarkeit von Bildung in den USA der APS im Jahr 1797 startete mit großen Erwartungen. Die amerikanische Republik war noch jung und die Ausbildung der zukünftigen amerikanischen Bürger eine viel diskutierte Frage. Unerwarteterweise erreichten die APS, trotz Verlängerung der Einreichungsfrist, nur sieben Einsendungen. Zwei Beiträge (von Samuel Harrison Smith und Samuel Knox, beides bekannte Namen im politischen und geistigen Leben Philadelphias) wurden zu Gewinnern ernannt und ihre Schriften in den folgenden Jahrhunderten vielfach besprochen und analysiert. Die Autorenschaft der fünf weiteren Beiträge blieb anonym, und die Beiträge blieben weitgehend unbekannt. Im ersten Teil des vorliegenden Sammelbandes setzen sich Lisa Green und Eric Strome auf die Fährte dieser fünf Autoren und versuchen mit sehr unterschiedlicher Vorgehensweise, deren Identität zu entschlüsseln.

Klassische Quellenarbeit liegt dem Essay von Lisa Green „The Mysterious No.3“ zu Grunde. Die Wettbewerbseinsendung „No.3“ befindet sich nicht mehr in den Archiven der APS, trotzdem gelingt es Green durch Analyse der vom Auswahlausschuss verfassten Beurteilung des Beitrags und weiterer Quellen der APS aus dem Jahr 1797, Reverend William Smith, Provost der University of Pennsylvania, als wahrscheinlichen Autor auszumachen. Eric Strome verfolgt einen komplett anderen Ansatz in der Beschäftigung mit den anonymen Wettbewerbsbeiträgern. Er nähert sich ihnen durch eine statistische und linguistische Analyse und kann so zwei Beiträgen einen Autor zuordnen. Die Identitäten der beiden verbliebenen Autoren sind weiterhin ungewiss. So konträr diese Zugangsweisen auch sind, zeigen sie doch, wie fruchtbar und innovativ mit begrenztem Quellenmaterial gearbeitet werden kann.

Die zweite Sektion des Sammelbandes steht unter dem Titel „Meaning“ und befasst sich nicht mit Fragen der Autorenschaft, sondern konzentriert sich auf unterschiedliche inhaltliche Facetten der Wettbewerbsbeiträge.

Die Frage nach dem Zusammenspiel lokaler und nationaler Kräfte sowie staatlicher und freiwilliger Einrichtungen in der Aushandlung bildungspolitischer Ideale stehen im Zentrum der Beiträge von Campbell Scribner, Nancy Beadie und Adam R. Nelson. Scribners kompakter und gut strukturierter Essay mit dem Titel „False Start: The Failure of an Early ‘Race to the Top’” ordnet den Wettbewerb und seine Beiträge in die historische und politische Situation des ausgehenden 18. Jahrhunderts ein und gibt dem Leser damit einen Rahmen zum Verständnis der darauffolgenden Essays. Unter dem Titel „‘Encouraging Useful Knowledge‘ in the Early Republic: The Roles of State Governments and Voluntary Organizations“ befasst sich Beadie mit der Frage, wie und mit welcher Zielsetzung die unterschiedlichen Akteure ihre Position zur Frage des “useful knowledge” in die Debatte einbrachten. Nelson hingegen analysiert unter dem Titel „The Perceived Danger of Study Abroad, 1780-1800“ die Debatte um die Etablierung einer National University und die Aushandlung der Herausbildung einer eigenen, amerikanischen Führungselite.

Die Themen Race und Gender finden in den Beiträgen des APS-Wettbewerbs, wie verschiedene Autoren des Bandes anmerken, kaum Erwähnung. Zwei Beiträge stellen dieses „beredte Schweigen“ in seinen historischen Kontext. Den Auftakt macht Hilary Moss‘ Beitrag „Race Schooling in Early Republican Philadelphia“ und bietet einen kompakten, gut lesbaren Überblick der Entwicklung von Bildungseinrichtungen und der gesellschaftlichen Akzeptanz der Bildung von Schwarzen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Margaret Nash geht in ihrem Essay „Gender and Citizenship in Educational Plans in the New Republic“ der Frage nach, warum die Bildung von Frauen und Mädchen in keinem der Wettbewerbseinsendungen ausführlich behandelt wurde.

Einige der spannendsten Beiträge des Bandes nehmen den APS-Wettbewerb nur als Anstoß, sich mit einem komplett anderen Thema zu beschäftigen. So auch der Beitrag „The Significance of the ‚French School‘ in Early National Female Education“ von Kim Tolley. In diesem dicht und informativ geschriebenen Beitrag zeigt sie, wie die French Schools im 18. Jahrhundert die Bildungsangebote für Frauen prägten und welches Konfliktpotential diese Einrichtungen für die Bildungsideale der jungen Republik beinhalteten.

Waren die French Schools auch wegen ihres katholischen Hintergrundes vielen Wortführern der frühen Republik suspekt, war die Rolle von Religion für das Bildungsideal der Zeit generell umstritten. Benjamin Justice, der Herausgeber des Bandes, befasst sich in seinem Essay „The Place of Religion in Early National School Plans“ mit diesem Dauerbrenner der amerikanischen Bildungsdebatte: der Erziehung von „virtuos citizens“ in einer religiös-pluralistischen Gesellschaft. Justice umreißt die unterschiedlichen Positionen der Debatte und verbindet sie mit strukturellen und finanziellen Aspekten und den Vorstellungen der neuen, auf der Trennung von Staat und Kirche aufbauenden, amerikanischen Nation.

Eines der größten Verdienste des Sammelbandes ist sicherlich das im dritten Teil des Buches unter dem Sektionstitel „Materials“ abgedruckte Quellenmaterial zu den sieben Wettbewerbsbeiträgen. Die beiden Gewinnerbeiträge wurden bereits zuvor schon mehrfach veröffentlicht und finden sich hier nur in Auszügen. Erstmals ediert sind jedoch Materialien zu den fünf weiteren Beiträgen. Vier davon sind komplett erhalten. Der fünfte wurde dem Verfasser zurückgesendet und fehlt deshalb in den Beständen der APS. Stattdessen wurde die Beurteilung des Beitrags durch das APS-Komitee in den Quellenteil aufgenommen.

Die Errungenschaften des Bandes fasst Carl F. Kaestle in seinem Vorwort sehr treffend zusammen. Gelungen scheint ihm eine beispielhaft produktive Zusammenarbeit bedeutender Wissenschaftler und solcher, die es werden wollen, an einem für die amerikanische Bildungsgeschichte bedeutsamen Ort, ebenso wie der Erkenntnisgewinn durch Forscherdrang und, wie Justice und Kaestle es nennen, die Detektivarbeit mit historischen Quellen und letztlich eine überzeugende Einordnung des „Great Contest“ in die ideengeschichtlichen Strömungen des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Dieser Einschätzung schließe ich mich an. Benjamin Justice und seinen Mitautoren ist mit diesem Band ein lebendiges Stück Geschichtsschreibung gelungen, lesenswert nicht nur wegen der Inhalte, sondern auch wegen des Einblicks in seinen dynamischen Entstehungsprozess.
Anne Overbeck (Berlin)
Zur Zitierweise der Rezension:
Anne Overbeck: Rezension von: Justice, Benjamin (Hg.): The Founding Fathers, Education, and „The Great Contest“, The American Philosophical Society Prize of 1797. New York: Palgrave Macmillan 2013. In: EWR 13 (2014), Nr. 4 (Veröffentlicht am 25.07.2014), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/978113727101.html