EWR 6 (2007), Nr. 5 (September/Oktober 2007)

Reinhold Nickolaus
Didaktik – Modelle und Konzepte beruflicher Bildung
Orientierungsleistungen fĂĽr die Praxis
(Studientexte Basiscurriculum Berufs- und Wirtschaftspädagogik, Bd. 3)
Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren 2006
(149 S.; ISBN 978-3-8340-0090-3; 12,00 EUR)
Didaktik – Modelle und Konzepte beruflicher Bildung „Didaktische Theorien sind Aussagesysteme zur Gestaltung und Struktur von Lehr-Lernprozessen, die als Orientierungshilfen zur Planung und Analyse konkreter eigener (und fremder) Gestaltungsversuche herangezogen werden können“ (1). Dieser Aussage widmet sich Reinhold Nickolaus in seinem 149 Seiten umfassenden Buch „Didaktik – Modelle und Konzepte beruflicher Bildung. Orientierungsleistungen für die Praxis“. Zweifelsfrei thematisiert er damit einen bedeutsamen Bereich der Pädagogik, so dass dieses Werk berechtigt zur zehnbändigen Reihe „Basiscurriculum Berufs- und Wirtschaftspädagogik“ gehört.

Als Adressaten dieser Ausführungen benennt er Studierende, Referendare/innen und Lehrkräfte an beruflichen Schulen sowie alle in der Berufsbildung tätigen Personen. Insofern möchte er sein Werk als Lehrbuch verstanden wissen, mit welchem er die Einführung in den Theoriebereich, die Bereitstellung wichtigen Grundlagenwissens für die pädagogische Praxis sowie die Motivation der Leser zu einer detaillierten Auseinandersetzung mit der Thematik intendiert.

Nickolaus begründet im ersten Kapitel die Relevanz didaktischer Theorien und Modelle für die gegenwärtig bzw. zukünftig in der pädagogischen Praxis agierenden Personen. Allerdings fokussiert er dabei vorrangig die Legitimationsfunktion, die didaktische Theorien für die pädagogische Realität besitzen können. Meines Erachtens greift diese Argumentation zu kurz, da der persönliche Nutzen für den Leser deutlicher herausgestellt werden sollte.

Das zweite Kapitel dient dazu, dem Leser die notwendigen Grundlagen hinsichtlich des thematischen Verständnisses zu vermitteln. Nickolaus erläutert die Begriffe Didaktik und didaktische Theorien und präsentiert zudem „ein Strukturmodell des didaktischen Feldes, das die Möglichkeit bietet zu überprüfen, welche Ausschnitte in den verschiedenen didaktischen Theorien behandelt werden“ (6). Er beruft sich dabei auf „Lemperts Modell“, ohne jedoch ein dazugehöriges Werk oder eine genaue Quellenangabe zu nennen. Dennoch gelingt es ihm mittels leicht verständlicher Ausführungen die Bedingungen systematischer Lehr-Lernprozesse, die Lehr-Lernprozesse selbst sowie ihre Folgen zu beschreiben und die einzelnen Elemente zueinander in Beziehung zu setzen. In den weiteren Abschnitten des Kapitels widmet sich Nickolaus den Entwicklungen der Berufs- und Wirtschaftspädagogik sowie der Lernzielproblematik.

Das dritte Kapitel enthält einen Überblick sowohl bezüglich der Theorien und Modelle der allgemeinen Didaktik wie auch im Hinblick auf Konzepte der beruflichen Didaktik.
In Bezug auf die Modelle der allgemeinen Didaktik gelingt Nickolaus die Strukturierung der Ăśbersicht gut.

Den Schwerpunkt der Arbeit bildet das vierte Kapitel, so dass es nicht verwundert, dass es circa die Hälfte des Buches für sich beansprucht. Im Sinne des Buchtitels ist Nickolaus bestrebt, die ausgewählten Modelle und Konzepte der Didaktik darzustellen und sie im Hinblick auf ihre praktische Bedeutsamkeit (Orientierungsleistung) zu bewerten. Zunächst widmet er sich den allgemeinen Didaktikmodellen, von denen er „lediglich die lern- und bildungstheoretische Didaktik ausführlicher thematisiert, da diesen einerseits die größte praktische Relevanz zu kommen dürfte und andererseits wesentliche Anstöße aus anderen Didaktiken in deren Weiterentwicklung Eingang fanden“ (26f.). Nickolaus skizziert die beiden Didaktikmodelle Klafkis, die bildungstheoretische Didaktik und als Weiterentwicklung die kritisch-konstruktive Didaktik in ihren wesentlichen Zügen.

Auch hier führt Nickolaus neben einer meines Erachtens gelungenen Aufbereitung der Theorie empirische Befunde an, um die Tauglichkeit des Modells in der praktischen Erprobung zu erhöhen. In diesem Fall greifen die zitierten empirischen Arbeiten relativ weit und entstammen spezifischen Kontexten, so dass die Verwertbarkeit der Ergebnisse für den Anwender in der Praxis fraglich erscheint. Dennoch gelingt es dem Autor mittels dieser Ausführungen, dem Leser die Komplexität der beim Lehr-Lernplanungsprozess zu beachtenden Bedingungsfelder vor Augen zu führen.

Schließlich gelangt er bezüglich der Orientierungsleistung der vorgestellten allgemeinen Didaktikmodelle zu dem Resultat, dass sie „wesentliche strukturierende Hilfestellungen für die Analyse und Planung von Lehr-Lernprozessen“ bereitstellen (51), jedoch „nur insoweit, als zur Klärung zentraler Fragestellungen angeregt wird“ (ibid.). Ein Rückgriff auf Forschungsergebnisse, welche die Bedingungen beruflicher Bildung berücksichtigen, sei für eine Konkretisierung der Modelle unverzichtbar.

In einem zweiten Abschnitt des Kapitels widmet sich Nickolaus ausgewählten Konzepten der beruflichen Didaktik, die im Gegensatz zu den allgemeinen Didaktikmodellen „weniger auf eine allgemeine Strukturierung didaktischer Probleme als auf die Umsetzung didaktischer Überlegungen gerichtet“ sind (55). Im Bereich der beruflichen Didaktiken ordnet er die Konzepte nach ihrer jeweiligen Präferenz für das Wissenschafts-, Situations- oder Persönlichkeitsprinzip. In diesem Rahmen stellt er zwei fachwissenschaftsorientierte Ansätze von Hering und Grüner vor, die auch als Ansätze der didaktischen Reduktion bekannt sind. Weiterhin bringt er dem Leser den gestaltungsorientierten Ansatz von Rauner nahe, dessen übergeordnetes Ziel Gestaltungsfähigkeit ist und das durch die Nähe zur Situationsorientierung gekennzeichnet ist. Die Modelle werden kritisch gewürdigt und bezüglich ihres praktischen Nutzens bewertet. In beiden Fällen wird deren Orientierungsleistung von Nickolaus jedoch als relativ gering eingeschätzt.

Insgesamt vermag das Kapitel das notwendige Wissen über die exemplarisch präsentierten Modelle zu vermitteln. Fraglich bleibt die Auswahl der Modelle, da Nickolaus deren Orientierungsleistung als relativ gering ausweist. Das steht meines Erachtens im Widerspruch zu seinen Auswahlkriterien; denn an früherer Stelle weist er darauf hin, dass die „Auswahl der Ansätze an der unterstellten praktischen Relevanz und systematischen Überlegungen orientiert“ (55) gewesen ist.

In dem mit „modell- und konzeptübergreifende Aspekte didaktischer Analyse- und Gestaltungsprozesse“ benannten Kapitel verfolgt Nickolaus die Absicht, dass „einige zentrale Befunde zusammengestellt werden, die für die Gestaltung von Lehr-Lernprogrammen besonders bedeutsam scheinen“ (95).

Im sechsten Kapitel resümiert der Autor, dass es „in sich geschlossene, alle Gestaltungsfragen abdeckende didaktische Theorien“ (114) nicht gibt. Er schlägt vor, „für die Planung und Analyse von Lehr-Lernprozessen verschiedene, sich ergänzende Theorien heranzuziehen“ (114). In Form einer Zusammenfassung wiederholt er, welche Aspekte die einzelnen Modelle und Theorien im Hinblick auf die Lehr-Lernprozessgestaltung berücksichtigen und gibt deren Orientierungsleistung wieder.

Hinsichtlich der didaktischen Aufbereitung des Buches ist zunächst die Nutzung von Beispielen, die Nickolaus immer wieder in die Erläuterung von Sachverhalten und Zusammenhängen einfließen lässt, positiv zu bewerten. Dieses Vorgehen erhöht die Nachvollziehbarkeit und infolgedessen das Verständnis beim Leser. Ebenso werden dadurch Bezüge zum praktischen Anwendungsfeld hergestellt. Darüber hinaus richtet er eine große Zahl verschiedener Aufgabenstellungen an den Leser. Leider hebt Nickolaus die Fragestellungen und Arbeitshinweise nicht durchgängig vom Fließtext ab (z.B. S. 30, 35, 56), so dass sie teilweise als solche nicht wahrgenommen werden. Die Lösung der Aufgaben setzt häufig die Beschaffung und Bearbeitung von Lehrplänen oder weiterführender Literatur voraus. Möglicherweise kann dies jedoch nicht in jedem Fall realisiert werden. Empfehlenswert wäre es daher, bedeutsame Literaturquellen als Anhang bereitzustellen. In Kapitel sieben gibt Nickolaus Hinweise zur Bearbeitung der Aufgaben. Diese sind übersichtlich nach Aufgabenstellung sortiert und bieten eine gezielte Hilfestellung. Weiterhin stellt Nickolaus den Adressaten ein Glossar und ein Sachwortverzeichnis zur Verfügung, welche die Arbeit mit dem Buch erleichtern.

Insgesamt ist das Buch von Nickolaus empfehlenswert. Er kommt seinem inhaltlichen Versprechen, eine Einführung in das Themengebiet sowie eine Abschätzung der Orientierungsleistung verschiedener didaktischer Theorien zu geben, nach. Der Autor trifft eine ausgewogene Balance zwischen theoretischen Betrachtungen und empirischen Ergebnisberichten. Die Erläuterungen und die dazugehörigen graphischen und didaktischen Aufbereitungen sind dem Adressatenkreis entsprechend gestaltet. Ebenso überzeugt sein sprachlicher Stil und Anspruch, wenngleich dieser Band meiner Ansicht nach nicht als Lehrbuch bezeichnet werden kann, da ein selektives Lesen durch zahlreiche Rückbezüge und umfassende Arbeitsaufträge kaum möglich erscheint.

In Bezug auf die Textgestaltung und die Einhaltung formaler Richtlinien kann das Werk von Nickolaus nicht überzeugen. Neben Mängeln in der Rechtschreibung stört vor allem eine gestalterische Inkonsistenz. So weichen beispielsweise die Kapitel- und Abschnittstitel von 3.1, 4 und 4.1 im Inhaltsverzeichnis von denen im Text ab. Das Buch besticht gleichwohl durch seine inhaltlichen Qualitäten, den sachlogischen Aufbau und die didaktische Aufbereitung, und diese Kriterien wiegen meines Erachtens schwerer als formale und gestalterische Gesichtspunkte. Wer vor diesem Hintergrund das Buch mit Aufmerksamkeit liest und die Aufgabenstellungen bearbeitet, wird Erkenntnisse für die praktische Arbeit gewinnen und einen transferfähigen Wissenszuwachs verzeichnen können.
Anja Gebhardt (Jena)
Zur Zitierweise der Rezension:
Anja Gebhardt: Rezension von: Nickolaus, Reinhold: Didaktik - Modelle und Konzepte beruflicher Bildung, Orientierungsleistungen fĂĽr die Praxis (Studientexte Basiscurriculum Berufs- und Wirtschaftspädagogik, Bd. 3). Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren 2006. In: EWR 6 (2007), Nr. 5 (Veröffentlicht am 04.10.2007), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/978383400090.html