EWR 8 (2009), Nr. 6 (November/Dezember)

Meike Sophia Baader (Hrsg.)
„Seid realistisch, verlangt das Unmögliche“
Wie 1968 die Pädagogik bewegte
Weinheim; Basel: Beltz 2008
(279 S.; ISBN 978-3-407-85872-6; 16,90 EUR)
„Seid realistisch, verlangt das Unmögliche“ Ein Beginn für die bildungshistorische Beschäftigung mit „1968“ soll mit diesem Band gesetzt werden, den die Herausgeberin mit Rekurs auf ihre früher publizierten Thesen (vgl. Zeitschrift für pädagogische Historiographie 2007) zur bisher unterbelichteten Bedeutung von „1968“ für die Pädagogik eröffnet. In dem einleitenden Beitrag wird darauf verwiesen, dass doch immer wieder dieselben Namen, Ereignisse und Formen betrachtet würden und für eine Erweiterung des Blicks plädiert. Beim Lesen der Beiträge des Bandes ist dann freilich festzustellen, dass auch hier Engführungen vorliegen: sehr oft wird mit Bezug auf die Kinderläden argumentiert. Lediglich einmal wird in einem aktuellen Forschungsbeitrag die Universität thematisiert, während die Schule, ein zentraler Gegenstand der pädagogischen Debatten der Zeit, nur zweimal und davon einmal in einem Wiederabdruck eines Textes von O. Negt aus dem Jahr 1975 in den Fokus gerät. Der Untertitel des Bandes ist als Aussage, als Behauptung zu lesen, und entsprechend wird in der Regel auch argumentiert, ohne dass allerdings die Kontexte, die Vorgeschichte(n) und die parallelen Entwicklungen ausreichend Berücksichtigung fänden. In zwei Beiträgen allerdings wird die Frage nach den Zusammenhängen zwischen „1968“ und den Zeitläuften insgesamt gestellt, wobei das Ergebnis nicht überraschend lautet, dass man von eindeutigen und monokausal Wirkungszusammenhängen wohl kaum sprechen kann, sondern doch auch berücksichtigen muss, dass Reformanstrengungen im pädagogischen Bereich bereits vorher sichtbar waren. Dies war auch in einer Antwort auf die Thesen von M. Baader zu lesen, auf die – wie auch auf die anderen Stellungnahmen – sie selbst aber in diesem Band überhaupt nicht eingeht. Dass auch „1968“ die „Pädagogik bewegte“, steht außer Frage – schließlich ist Pädagogik als ein gesellschaftliches Phänomen von den Zeitereignissen nicht abgesondert – und wird am deutlichsten sichtbar in den Beiträgen, die sich der Theorieentwicklung zuwenden. Wie, in welchen Wechselbeziehungen und mit welchen Folgen dies längerfristig geschah, dazu muss wohl noch viel geforscht werden. Ein Beginn also.
Klaus-Peter Horn (Tübingen)
Zur Zitierweise der Annotation:
Klaus-Peter Horn: Annotation zu: Baader, Meike Sophia (Hg.): „Seid realistisch, verlangt das Unmögliche“, Wie 1968 die Pädagogik bewegte. Weinheim; Basel: Beltz 2008. In: EWR 8 (2009), Nr. 6 (Veröffentlicht am 01.12.2009), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/annotation/978340785872.html