EWR 4 (2005), Nr. 2 (März/April 2005)

Wolfgang Böttcher/Ewald Terhart (Hrsg.)
Organisationstheorie in pädagogischen Feldern
Analyse und Gestaltung
Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften 2004
(303 S.; ISBN 3-531-14334-4; 31,90 )
Organisationstheorie in pädagogischen Feldern Nach einer empirischen Studie von Andreas Schröer über Wandlungsprozesse in Einrichtungen der Evangelischen Erwachsenenbildung (Change Management pädagogischer Institutionen 2004) liegt nun der zweite Band der neuen Reihe Organisation und Pädagogik vom VS-Verlag vor. Der Band von Böttcher und Terhart wie die Reihe sind Ausdruck eines neuen pädagogischen Interesses an Organisationen und Institutionen. Das Buch beginnt entsprechend mit einer grundsätzlichen Begründung der Notwendigkeit der angezielten Fragestellung: "Von solchen erziehungswissenschaftlichen Traditionen, die das Erziehen selbst, die pädagogischen Institutionen wie auch die pädagogischen Berufe primär vom pädagogischen Handeln her deuten ist der Faktor Organisation häufig gar nicht oder nur am Rand behandelt worden" (7). Heute kann aber gesagt werden, dass "pädagogisches Handeln immer schon organisiert ist, dass seine Voraussetzungen im Organisatorischen abgesichert sind, und dass schließlich auch Handeln organisierte … Konsequenzen hat" (8) und entsprechend untersucht werden sollte.

Der Band geht auf die Herbsttagung der DGfE-Kommission Bildungsorganisation, Bildungsplanung und Bildungsrecht zurück. Er untergliedert sich erstens in allgemeine Zugänge zum Thema, zweitens Beiträge zur Schule als Organisation, drittens Beiträge zum Verhältnis von Lehrerberuf zur Schulorganisation, viertens zur Schulentwicklung sowie fünftens zu außerschulischen Bildungseinrichtungen. Neben der Einführung liegen 17 relativ knappe Artikel vor, die einen guten Einblick in den Stand der Diskussion ermöglichen. Gleichzeitig bietet der Band verschiedene Schwerpunktsetzungen an, so die Schule und den LehrerInnenberuf, was einerseits aktuell und verständlich, andererseits traditionell ist. Allein Kuper und Weber thematisieren die Jugendberufshilfe, Wetzel/Aderhold integrationspädagogische Einrichtungen und Krücken die Umstellung der Studienstrukturen auf konsekutive Modelle (BA/MA).

Eine andere Art der Schwerpunktsetzung des Bandes ist die Konzentration auf die Rezeption soziologischer Sichtweisen. Eine Ausnahme stellt der Beitrag von Krause dar, der zwei neue psychologische Verfahren zur Messung von Arbeitsbelastung in Schulen präsentiert. Auch der Beitrag von Blutner, der das Bedingungsgefüge für kooperatives LehrerInnenhandeln und die beschränkten Möglichkeiten der Schulleitung dieses zu beeinflussen behandelt, argumentiert z.T. sozialpsychologisch.

Die soziologische Dominanz wird zudem weiter eingeengt. Systemtheoretische Ansätze (bzw. kurz Luhmann) scheinen z.T. die gesamte Soziologie zu repräsentieren (Tacke, Kurtz, Blutner). Diese Sicht beansprucht primär das in einer Organisation als relevant zu erachten, was den Charakter von Entscheidungen hat. Das Geschehen in pädagogischen Organisationen scheint so aber gerade nicht ausreichend charakterisiert – wie der vielfache Verweis auf Begriffe wie Netz, Netzwerke, lose gekoppelte Systeme zeigt (Kuper, Weber, Wetzel/Aderhold). Die Grenzen letzterer Begriffe werden wiederum durch den Beitrag von Fuchs aufgezeigt. Er verdeutlicht die weiterhin starren Kopplungen des deutschen Bildungssystems. Fuchs kommt so zu dem Schluss, "dass der Schulalltag vieler Akteure und ihre Wahrnehmung von Schule heute durch ein scheinbar widersprüchliches Nebeneinander von bürokratischer (Über-) Regulierung und gleichzeitig existierenden Freiräumen im schulischen Alltag bestimmt sind" (218).

Mitten in diesem Spannungsfeld liegt beispielsweise die Frage der neuen Besetzungskompetenz von LehrerInnenstellen durch die Schulen selbst (Schaefers, Clement/Wissinger). Trotz aller späteren Selbständigkeit der LehrerInnen und der entsprechenden "Einzelkämpfermentalität" kann bei der Stellenbesetzung von Schulautonomie weiterhin keine Rede sein, eher vom Gegenteil. Daher scheinen aber auch theoretische Ansätze aus den Wirtschafts- und Politikwissenschaften, die diese Eigenständigkeit der Organisationen im Ansatz voraussetzen, zwar »interessant«, aber eben nur bedingt realisierbar (Brüsemeister: Neue Governance und Wissensmanagement, Brohm: Change Management). Für die wohl bekanntesten Thematisierungsformen dieser Art, den Konzepten der lernenden Organisation, warnt Tacke sogar vor einer Deprofessionalisierung von LehrerInnen durch Übernahme von Zusatzaufgaben und zweifelt am Erfolg für Schulen. Girmes weist auf das einseitige Denkmodell eines Organismus hin, der in einer sich verändernden Umwelt überleben will. Blutner diskutiert die Möglichkeiten bzw. vor allem die Grenzen von Schulmanagement angesichts der spezifischen Mitgliedschafts- und Vertragsverhältnisse, die kooperatives LehrerInnenhandeln kaum fördern, ja behindern.

Versuche eines initiierten Wandels von oben wiederum können nun aber andererseits auch nicht einfach mit Erfolgen rechnen. Ob in der Hochschullandschaft (Krücken) oder bei der Schulentwicklung (Altrichter, Schaefers, Vanderstraeten) sind Eigenlogiken und Widerstände der Organisationen zu beobachten, so dass die Adaptionsprozesse nicht unbedingt den gewünschten Zielen entsprechen.

Insgesamt entsteht durch die Vielfalt der vorgestellten Ansätze des Bandes ein differenziertes Bild von Schule und LehrerInnenprofession (Kurtz), zu deren Analyse und Veränderung aber kein Königsweg führt (Lersch), wohl aber zunehmend mehr Türen geöffnet werden. Neben dem Lob des kohärenten Charakters des Bandes muss zum Ende noch auf (notwendig) fehlende Thematisierungsweisen hingewiesen werden. Für LeserInnen, die interessiert sind an Methoden oder der Geschichte pädagogischer Organisationen, bietet der Band wenig.

Angemerkt werden kann abschließend auch, dass die neu aufkommende Organisationspädagogik eine Öffnung ihrer Fragen über pädagogische Felder hinaus gut täte. Die Vergleiche mit den Fragestellungen und Ergebnissen anderer Disziplinen legen dies nahe, wie die aktuellen Thematisierungsweisen von Organisationsveränderungen von »organisationalem Lernen« bis »Wissensmanagement« zeigen.
Fritjof Bönold (Nürnberg)
Zur Zitierweise der Rezension:
Fritjof Bönold: Rezension von: Böttcher, Wolfgang / Terhart, Ewald: Organisationstheorie in pädagogischen Feldern, Analyse und Gestaltung, Verlag für Sozialwissenschaften: Wiesbaden 2004. In: EWR 4 (2005), Nr. 2 (Veröffentlicht am 06.04.2005), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/53114334.html