Unter „Schulkunst“ versteht die freie Künstlerin Ute Reeh die Vernetzung von künstlerischem Denken und Schulkultur. In ihrem Buch geht es daher nicht um isolierte Projekte von außen, die „Schule bunter machen oder dekorieren“, sondern „um die künstlerische Begleitung schulimmanenter Entwicklungen“ (13). Ihre eigentliche künstlerische Arbeit sieht Reeh darin, im gesellschaftlich institutionalisierten Raum Schule einen langfristig angelegten Prozess zu initiieren, der die Energie und die Selbstentfaltungswünsche von Kindern und Jugendlichen nutzt und dadurch in Schule und Gesellschaft erzeugt, „was immer gewünscht wird: Konzentration, Identifikation und Durchhaltevermögen“ (8). Hierzu entwirft sie das Berufsbild eines Schulkünstlers, der schulische Prozesse begleitet, die Lehrer bei ihrer Arbeit unterstützt, die kreativen Prozesse der Schüler fördert und Gestaltungsprozesse moderiert und organisiert.
In den einzelnen, reich bebilderten, Abschnitten erfährt der Leser etwas über die Entstehung und den Verlauf verschiedener Projekte, die von der Autorin an der Dieter-Forte-Gesamtschule in Düsseldorf initiiert und begleitet wurden. Jedes aufgeführte Beispiel endet mit einem konkreten Vorschlag, der nicht nur präzise vorgestellt, sondern jeweils auch um Angaben zu den benötigten Ressourcen ergänzt wird. An zwei langfristigen Projekten, dem „Schultoilettenprojekt“, in dem Schüler der 5. Jahrgangsstufe an der Renovierung und Umgestaltung der Toiletten (wo es heute neben Wandzeichnungen der Schüler auch schwarze Flächen zum Beschreiben gibt) mitwirkten und dem Projekt „Schülercafé international“ wird exemplarisch die Struktur gewachsener Projekte erläutert. Auch auf Schwierigkeiten, wie verbale oder physische Zerstörung von Arbeitsergebnissen und den Umgang damit, wird mehrfach hingewiesen. In diesem Zusammenhang hebt Reeh immer wieder die Bedeutung der Partizipation aller am Schulleben Beteiligten hervor.
Der Erfahrungsbericht enthält viele konkrete Ideen zur (Um-)Gestaltung von Schulhäusern, bei denen stets auch personale und soziale Lernprozesse mitbedacht werden. Nach verschiedenen, ähnlich praxisnahen Abhandlungen aus der Pädagogik und der Architektur erweitert Reeh den interdisziplinären Blick auf die Gestaltung von Schulraum damit durch die Perspektive von Kunst, der in Bezug auf Identifikationsprozesse offenbar ein Potenzial innewohnt, das in seinen Wirkungen erst in Ansätzen erforscht ist.
Wenngleich das Buch, das im Übrigen an keiner Stelle auf Literatur verweist, vermutlich zuerst Praktiker aus Schule und (Schul-)Sozialarbeit anspricht, ist es durchaus auch für diejenigen, die sich wissenschaftlich mit der Gestaltung von Schulraum auseinandersetzen, interessant. Für die Forschung stellen sich Anschlussfragen, wie sie seit Christian Rittelmeyers Untersuchungen zur Wahrnehmung von Farben und Formen durch Schüler im Hinblick auf Wirkungsaspekte von Schularchitektur immer wieder thematisiert werden. Im Grunde genommen müssten die von Reeh beschriebenen „praxiserprobten“ Projekte in Bezug auf ihre Nachhaltigkeit evaluiert werden. Das wiederum würde Begleitforschung erfordern, die längerfristig Effekte erfasst und möglicherweise genauer deutlich machen kann, ob und inwiefern sich die vorgestellten Projekte auf andere Schulkontexte übertragen lassen.
[1] Rittelmeyer, Chr.: Schulbauten positiv gestalten. Wie SchĂĽler Farben und Formen erleben. Wiesbaden 1994.
EWR 8 (2009), Nr. 2 (März/April)
Schulkunst
Kunst verändert Schule
Weinheim/Basel: Beltz 2008
(192 S.; ISBN 978-3407-62632-5; 24,90 EUR)
Barbara Zschiesche (Braunschweig)
Zur Zitierweise der Rezension:
Barbara Zschiesche: Rezension von: Reeh, Ute: Schulkunst, Kunst verändert Schule. Weinheim/Basel: Beltz 2008. In: EWR 8 (2009), Nr. 2 (Veröffentlicht am 27.03.2009), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/340762632.html
Barbara Zschiesche: Rezension von: Reeh, Ute: Schulkunst, Kunst verändert Schule. Weinheim/Basel: Beltz 2008. In: EWR 8 (2009), Nr. 2 (Veröffentlicht am 27.03.2009), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/340762632.html