EWR 5 (2006), Nr. 4 (Juli/August 2006)

Manfred Göbel
Katholische Jugendverbände und Freiwilliger Arbeitsdienst 1931-1933
(Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe B, Bd. 103)
Paderborn u.a.: Ferdinand Schöningh 2005
(346 S.; ISBN 3-506-71351-5; 48,00 EUR)
Katholische Jugendverbände und Freiwilliger Arbeitsdienst 1931-1933 Zur Geschichte des deutschen Arbeitsdienstes am Übergang von der Weimarer Republik zum ‚Dritten Reich‘ sind in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Arbeiten erschienen. Etwas vergröbernd könnte man sagen, dass nach ideen- und organisationshistorischen Überblicken aus den 1960er Jahren und primär erziehungshistorischen Studien aus den späten 1970er und 1980er Jahren seit dem vergangenen Jahrzehnt ein neues Interesse an dieser Organisation entstanden ist [1].

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der in der Mitte der 1990er Jahre öffentlich geführten Debatte, ob eine Neuauflage eines solchen Dienstes sinnvoll sei, wurde die Vergangenheit erneut befragt. Vor allem drei Dimensionen standen seitdem in der historischen Forschung im Vordergrund. Erstens stellt die bereits 1995 erschienene Arbeit von Manfred Seifert zur Kulturarbeit im Reichsarbeitsdienst einen Ausgangspunkt für eine kulturhistorische Analyse des Gegenstandes dar. Durch Vergleiche und Beziehungsanalysen wird zweitens stärker als zuvor versucht, nach den Spezifika der deutschen Entwicklung zu fragen. Drittens schließlich gibt es eine ganze Reihe Studien mit organisations-, regional- oder sozialhistorischem Zuschnitt, die die früheren Ergebnisse vertiefen und häufig die Frage nach Kontinuitäten und alternativen Entwicklungspotentialen der Weimarer Republik neu zu vermessen versuchen.

Manfred Göbels Dissertation gehört zu der dritten der hier genannten Richtungen. Er fragt nach der Rolle katholischer Jugendverbände im Freiwilligen Arbeitsdienst (FAD). Der FAD wurde 1931 vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise eingerichtet, um jungen Arbeitslosen eine Beschäftigungsmöglichkeit zu bieten. Der Staat übernahm die Organisation der Jugendlichen aber nicht selbst, sondern überließ sie Vereinen, Verbänden und anderen Trägern. Vor diesem Hintergrund brachten sich am Ende der Weimarer Republik auch jene katholischen Jugendverbände im FAD ein, denen Göbel nachgeht.

Mit einem ideen- und organisationshistorisch angelegten Ansatz fragt Göbel nach Motiven und Formen dieses Engagements. Breit bettet er die katholische Haltung zum FAD in einem ersten Kapitel in die Debatten über einen Arbeitsdienst sowie in die Geschichte sozialpolitischen Engagements katholischer Verbände während der Weimarer Republik ein. Im Einklang mit der bisherigen Forschung zeigt er, dass die katholischen Jugendorganisationen den FAD zunächst primär als Mittel der Arbeitslosenhilfe verstanden. Ihr Engagement speiste sich in erster Linie aus dem christlichen Arbeits- und Berufsverständnis, wonach Arbeitsdienst als Dienst an erwerbslosen Jugendlichen im Sinne der Bruderliebe zu verstehen sei.

Das zweite Kapitel gibt dann einen Einblick in die Durchführung des FAD seit 1931. Göbel stellt dessen recht gut erforschte Geschichte dar und lotet zugleich die katholischen Aktivitäten in diesem Rahmen tiefer aus. Hierbei zeigt sich unter anderem, dass zu der pragmatischen, aus dem Arbeitsverständnis rührenden Begründung katholischen Engagements mit der Zeit die Idee trat, dass für die Betroffenen der „ideelle Dienst durch die Erfahrung einer gläubigen Gemeinschaft mit einer christlich fundierten Arbeitsauffassung“ stehen sollte (203). Deswegen war es nur konsequent, dass die katholischen Jugendverbände auf der Freiwilligkeit des Dienstes bestanden, während etwa die völkische Rechte inklusive der Nationalsozialisten eine staatliche Arbeitsdienstpflicht forderte.

Der dritte und letzte Teil wendet sich schließlich dem Übergang zum ‚Dritten Reich‘ und dem zu, was Göbel die „Auflösung“ des FAD nennt (264). Er kann dabei den tiefen Bruch zeigen, den die Machtübertragung für die FAD-Lager mit katholischer Trägerschaft (rund 9 % aller Lager) darstellte. Ob die „Gleichschaltung“ des FAD mit dem Begriff insgesamt angemessen charakterisiert wird, ist dagegen eine andere Frage. Deutlich wird zudem, dass die katholischen Jugendverbände sich nicht lange der Illusion hingaben, ihre gegenüber den Nationalsozialisten konträren Vorstellungen erhalten zu können. Mit relativ geringem Protest war man bereit, die eigenen Lager aufzugeben und insistierte lediglich in Bezug auf das Anliegen, die Arbeitsdienstleistenden auch künftig seelsorgerisch betreuen zu können.

Vor dem Hintergrund einer schwierigen Quellenlage gewinnt Göbel so tiefe Einblicke in die konzeptionellen Überlegungen sowie in die organisationshistorische Seite der Beteiligungen katholischer Jugendverbände am FAD. Besonders hervorzuheben ist, dass die grundsolide Arbeit stets auch die Frage der Beteiligung von Frauen am Arbeitsdienst im Blick hat. In ihren Ergebnissen weist die Studie jedoch nicht sehr über den Forschungsstand hinaus. Das erklärt sich auch aus dem Zugriff: Angesichts des überschaubaren Themas wäre es aufschlussreich gewesen, nicht nur nach Programmatik und Absicht, sondern auch nach Praxis und pädagogischen Effekten der katholischen Arbeitsdienstlager zu fragen. Diesen geht Göbel jedoch ebenso wenig nach wie etwa dem Problem, inwieweit die katholische Tendenz zur Sakralisierung des Arbeitsdienstes den Nationalsozialisten Anknüpfungspunkte bot, da auch sie sich – freilich mit ganz anderen Intentionen – eines religiösen Vokabulars bedienten. Die Frage, inwieweit katholisches Engagement im FAD eine Chance in der Krise der Weimarer Republik darstellte und hätte helfen können, die erste deutsche Demokratie zu stabilisieren, wird somit nicht umfassend ausgelotet.

[1] Vgl. als Überblick: Christian Illian/Kiran Klaus Patel: Vom freiwilligen Arbeitsdienst zur Arbeitsdienstpflicht. Eine Tagung zur Entwicklung des Arbeitsdienstes (1918 bis 1945) vom 24. bis 25. November 2000 an der Ruhr-Universität Bochum. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 49 (2001), S. 450-452.
Kiran Klaus Patel (Berlin)
Zur Zitierweise der Rezension:
Kiran Klaus Patel: Rezension von: Göbel, Manfred: Katholische Jugendverbände und Freiwilliger Arbeitsdienst 1931-1933, (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe B, Bd. 103). Paderborn u.a.: Ferdinand Schöningh 2005. In: EWR 5 (2006), Nr. 4 (Veröffentlicht am 27.07.2006), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/50671351.html