EWR 3 (2004), Nr. 2 (März/April 2004)

Jürgen Wittpoth
Einführung in die Erwachsenenbildung
Opladen: Leske und Budrich 2003
(229 Seiten; ISBN 3-8252-8244-9; 14,90 EUR)
Einführung in die Erwachsenenbildung Einführungen in die Erwachsenenbildung und Weiterbildung haben wieder Konjunktur. So legt auch Jürgen Wittpoth ein 229-seitiges Werk im Verlag für Sozialwissenschaften [1] vor. Zielgruppen des Buchs sind Studierende und Berufsanfänger im Bereich Erwachsenenbildung. Genau für diese Klientel fällt die Entscheidung innerhalb der Einführungsliteratur schwer: was hebt gerade den Wittpoth’schen Einstieg von anderen ab?

Eine Inhaltsangabe liest sich wie eine Wiederholung der Vorgänger: Kapitel zur historischen Verortung (Kapitel 2), Theorie (Kapitel 3) oder Forschung (Kapitel 4) der Erwachsenenbildung finden sich in ähnlicher Form auch in anderen Einführungen neueren Datums. So weisen schon Weisser [2] oder Kade et al. [3] auf die Begriffsentwicklung, theoretische Zugangsmöglichkeiten oder die empirischen Überblicksschwierigkeiten hin. Wer zu Institutionen im quartären Sektor (Kapitel 5), Berufsfeldern (Kapitel 6) oder zum Arbeitsmarkt in der Erwachsenenbildung (Kapitel 7) etwas wissen möchte, greift direkt zum Porträt Weiterbildung Deutschland [4] oder dem Datenreport Erziehungswissenschaft [5]. Die im Kapitel "Theoretische Zugänge" verwendete plausible Unterteilung in eine Makro-, Meso- und Mirkoebene, bzw. eine Gesellschafts-, Institutions- und Individualebene findet sich bereits in der Einführung von Arnold [6]. Das Kapitel "Der ‚quartäre Sektor’ des Bildungssystems: Strukturen, Institutionen, Aktivitäten" greift wesentliche Daten und Gegenüberstellungen aus dem Berichtssystem Weiterbildung [7] auf. Als Einführung sind diese Themenbereiche allesamt wichtig und regen dank einer kurzen und prägnanten Darstellung zum Weiterlesen an. Es ist der Charakter einer guten Einführung, dass ein Überblick über das gesamte Spektrum zum Thema zusammengetragen wird. Über den inhaltlichen Umriss lässt sich Wittpoths Einführung aber nicht von anderen abgrenzen.

Der wesentliche Unterschied liegt im Stil und im Zuschnitt, wie fachlich relevante Inhalte präsentiert werden. Der Grundstein dafür findet sich im ersten Kapitel "Perspektiven auf die Erwachsenenbildung und die Bildung Erwachsener". Die Präsentationsform der Einführung ist in diesem Kapitel vorgegeben. Einzelne Perspektiven werden als kurze Einblicke dargestellt und als Alternativen im Zugang zum Thema Erwachsenenbildung abgewogen. Bereits bei Kade et al. [3] wurde Erwachsenenbildung nicht nur als Wissenskanon beschreiben, sondern in verschiedenen Sichtweisen gegenüber gestellt. Wittpoth macht dies in geordneter Form und bündiger Sprache verständlich. Entscheidend dafür ist die Beschreibung der eigenen Reflexionsebene und ein Raster oder Leitmotiv auf das hin die einzelnen Themenbereiche überprüft werden. Weisser [2] arbeitet ebenfalls perspektivisch, setzt mit "Weiterbildung als öffentliches Problem" aber einen problem- und themenspezifischen Schwerpunkt. Wittpoth stellt solche Bezüge in der Erwachsenenbildung einander gegenüber und umreißt deren Ursprünge und Anknüpfungsmöglichkeiten. Die "Zugänge" in der Einführung von Nuissl [8] und die "Perspektiven" in der Einführung von Arnold [6] verbleiben im Gegensatz zu Wittpoth mehr auf dem beschreibenden und konkreten Level. Damit sind auch das Berichtssystem Weiterbildung [7] auf Individueller (Haushaltsbefragung) und das Portrait Weiterbildung [4] auf institutioneller Ebene als mögliche empirische Perspektiven zu sehen, die bei Wittpoth Eingang gefunden haben. Es geht aber nicht um die bloße Datenreproduktion, sondern um eine Darstellung, wie Erwachsenenbildung rezipiert wird. Wittpoth bewegt sich auf einer reflektierenden Linie und hält diese Position auch weitestgehend durch.

Diese Stilfragen laufen letztendlich auf eine inhaltliche Ebene zu. Das im ersten Kapitel entworfene Raster in eine programmatische und eine analytische Perspektive auf Erwachsenenbildung wird zum Leitmotiv, das sich durch das gesamte Buch zieht. Die programmatische Perspektive umreißt dabei Gestaltungsmaximen bestimmter Interessengruppen. Der analytische Blickwinkel zielt hingegen auf die Erfassung der Erwachsenenbildung, wie sie "vorgefunden" wird. Die zweite Unterscheidung in implizite und explizite Erwachsenenbildung geht daneben im weiteren Verlauf etwas unter. Explizit wäre demnach, was zum Zweck der Erwachsenenbildung geschieht, implizit das beiläufige im Alltag verflochtene Lernen. Die einzelnen Themen in den Kapiteln werden nicht mit Blickwinkel auf jegliche Details dargestellt, wie es für eine Einführung auch nicht nötig ist. Vielmehr greift Wittpoth die eingangs entworfenen Perspektiven auf das jeweilige Thema auf. Dies ermöglicht eine Wertung hinsichtlich des programmatischen oder analytischen Interesses einer jeden Facette. Zudem macht Wittpoth mehrfach darauf aufmerksam, dass eine Position nicht zwangsläufig zulasten der anderen geht. So finden zum Beispiel Theorie und Forschung (66f) oder Institutionen und Selbstgesteuertem Lernen (60) nicht als Gegensatzpaare, sondern als sich ergänzende Sichtweisen Eingang. Diese Herangehensweise wendet sich gegen einen eindeutig zu vermittelnden, detaillierten Wissenskanon als Einführung in die Erwachsenenbildung. Vielmehr wird das Ziel "Einäugigkeit" zu vermeiden verfolgt, was selbst einer analytischen und weniger programmatischen Sichtweise Rechnung trägt. Die Studierenden und Berufsanfänger, an die sich dieses Buch richtet, werden auf das Thema Erwachsenenbildung vorbereitet, das sich durch all diese Perspektiven und nicht durch eine eindeutig zu verfolgende Richtung auszeichnet. Dabei birgt die Reflexionsebene sozusagen als Vogelperspektive die Möglichkeit, sich dessen bewusst zu werden.

Teils etwas gewöhnungsbedürftig und narrativ wirkt die an manchen Stellen verwendete Ich/Wir-Form oder der explizite Bezug zu eigenen Forschungsprojekten oder -orten, da hierbei nicht ganz klar ist, wieso diese Auswahl getroffen wird. Darüber sieht der Leser aber gerne hinweg, wenn deutlich wird, dass diese Personifizierung gezielt zur Verdeutlichung der eigenen Reflexionsquelle dient und die eigenen Forschungsarbeiten eher illustrativen Charakter haben.

Zu den Formalien ist zu sagen, dass es eine nach Kapiteln geordnete Literaturliste, aber leider kein Sach- oder Personenregister gibt. Ein Register und auch ein Glossar könnten das positive Bild als Einführungsliteratur noch abrunden. Die Abbildungen werden im Text vorteilhaft - nämlich eher sparsam, aber gezielt - eingesetzt.

Wittpoth gelingt es nicht nur einzelne Sichtweisen nebeneinander zu stellen, sondern auch deren Grundlagen und Strukturen zu reflektieren und in einen ideengeschichtlichen Kontext zu stellen. Insofern handelt es sich nicht um eine Einführung in die Erwachsenenbildung, sondern eher um eine Einführung über die Erwachsenenbildung.

Anmerkungen:

[1] seit Anfang 2004 fusionierte Leske & Budrich mit dem Westdeutschen Verlag zum VS Verlag für Sozialwissenschaften
[2] Weisser, J.: Einführung in die Weiterbildung. Weinheim: Beltz 2002
[3] Kade, J., Nittel, D., et al.: Einführung in die Erwachsenenbildung/Weiterbildung. Stuttgart: W. Kohlhammer 1999
[4] Nuissl, E., Pehl, K. : Porträt Weiterbildung Deutschland. Bielefeld: Bertelsmann 2000
[5] Otto, H.-U., Krüger, H.-H., et al.: Datenreport Erziehungswissenschaft. Opladen: Leske und Budrich 2000
[6] Arnold, R. :Erwachsenenbildung : Eine Einführung in Grundlagen, Probleme und Perspektiven. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2001, 4. Aufl.
[7] Bundesministerium für Bildung und Forschung, (Hrsg.): Berichtssystem Weiterbildung VIII : Integrierter Gesamtbericht zur Weiterbildungssituation in Deutschland. Bonn 2003
[8] Nuissl, E.: Einführung in die Weiterbildung : Zugänge, Probleme und Handlungsfelder. Neuwied: Luchterhand 2000
Markus Weil (Zürich)
Zur Zitierweise der Rezension:
Markus Weil: Rezension von: Wittpoth, Jürgen: Einführung in die Erwachsenenbildung, Opladen: Leske und Budrich 2003. In: EWR 3 (2004), Nr. 2 (Veröffentlicht am 31.03.2004), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/82528244.html