EWR 1 (2002), Nr. 1 (Januar bis März 2002)

Hans Pfaffenberger (Hrsg.)
Identität – Eigenständigkeit – Handlungskompetenz der Sozialarbeit/Sozialpädagogik als Beruf und Wissenschaft
Münster, Hamburg, London: Lit Verlag 2001
(224 Seiten; ISBN 3-8258-4519-2; 20,90 EUR)
In dem von Hans Pfaffenberger heraus gegebenen Reader wird genau das verhandelt, was der Titel verspricht. Diesbezüglich können wir uns allerdings fragen, ob damit nicht lediglich Redundanz erzeugt wird. Denn zu den Themen des Bandes ist in den letzten Jahren – insbesondere unter dem Schlagwort "Sozialarbeitswissenschaft" – viel publiziert worden. Daher überrascht auch dieses Buch nicht: Es wird zumeist das wiederholt, was wir von den Autorinnen und Autoren (H. Pfaffenberger, R. Bauer, R. Merten, S. Hering, G. Hey, M. Meinhold und C.W. Müller) an anderen Stellen bereits lesen können. Dies muss allerdings auch nicht verwundern, handelt es sich doch um eine Dokumentation, die – wenn ich so sagen darf: schon etwas in die Jahre gekommene Beiträge zusammenfasst, die 1997 und 1998 im Kontext von Tagungen des Fachbereichs Sozialwesen der FH Nordost-Niedersachsen und der Gilde Soziale Arbeit entstanden sind (S. 4).

Dennoch sind m.E. mindestens zwei Stellen des Bandes bemerkenswert; z.B. jene, in der der (emeritierte) Universitätsprofessor Pfaffenberger zur Praxiserfahrung von Lehrenden sich so äußert, wie wir dies zwar von FH-Professoren, aber nicht von einem ihrer universitären Kollegen erwarten würden: Wer für die Profession Soziale Arbeit lehrt und forscht, "sollte diese Berufspraxis und dieses Praxissystem aus eigener praktizierender Erfahrung, und nicht nur als distanzierter Beobachter kennen" (S. 16). Dass dies jedoch (noch) nicht immer die Regel ist, müsste eigentlich sehr überraschen, vor allem angesichts der Ausbildungspraxis anderer Professionen. Welcher Universitätsprofessor für Medizin würde zukünftige Ärzte ausbilden können/dürfen, wenn er nicht selbst als praktizierender Mediziner tätig wäre?

Zweitens möchte ich den Beitrag von Rudolph Bauer (S. 31-39) zu den politischen und ökonomischen Determinanten der Sozialen Arbeit heraus greifen. Bauer räumt auf mit einigen überkommenen politischen Ideen, die auch in der Sozialen Arbeit immer wieder herunter geleiert werden, z.B. mit dem Mythos der Vollbeschäftigung. Denn wir haben längst eine ökonomische Entwicklung erreicht, die "es völlig ausgeschlossen scheinen läßt, daß in diesem Lande jemals wieder die Vollbeschäftigung erreicht wird" (S. 36). Der Glaube an die Möglichkeit der Vollbeschäftigung ist genauso antiquiert wie die Idee, dass Sozialpolitik noch nationalstaatliche Politik sein kann. Die Globalisierung der Weltgesellschaft gerät dabei auch hinsichtlich der Sozialen Arbeit in den Blick. Aber nicht nur deshalb, sondern aufgrund vieler weiterer Entwicklungen (z.B. der Erosion solcher Unterscheidungen wie Norm und Abweichung, Integration und Desintegration), die in diesem Band leider auf Kosten alt bekannter Themen eher ausgeblendet werden, ist wohl Bauer Recht zu geben, wenn er auf die Frage, was aus seinen politischen und ökonomischen Beobachtungen für die Soziale Arbeit folgt, antwortet: "Die Soziale Arbeit wird sich radikal verändern müssen" (S. 36).

Schade, dass der Band nur wenige Perspektiven und Ideen für eine solche Veränderung anbieten kann.
Heiko Kleve (Berlin)
Zur Zitierweise der Rezension:
Heiko Kleve: Rezension von: Pfaffenberger, Hans (Hg.): Identität – Eigenständigkeit – Handlungskompetenz der Sozialarbeit/Sozialpädagogik als Beruf und Wissenschaft, Münster, Hamburg, London: Lit Verlag 2001. In: EWR 1 (2002), Nr. 1 (Veröffentlicht am 01.01.2002), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/82584519.html