EWR 9 (2010), Nr. 5 (September/Oktober)

Wendy Bignold / Liz Gayton (Hrsg.)
Global Issues and Comparative Education
(Perspectives in Education Studies)
Exeter: Learning Matters Ltd. 2009
(127 S.; ISBN 978-1-84445-208-8; 18,99 EUR)
Global Issues and Comparative Education In den vergangenen Jahren haben die Diskussionen um Globalisierung und Internationalisierung, wie auch immer diese definiert werden, auf die Relevanz einer vergleichenden Perspektive aufmerksam gemacht und dabei durchaus die International Vergleichende Erziehungswissenschaft (IVE) aufgewertet – dies lässt sich an der steigenden Zahl von Publikationen zu diesem Bereich ablesen. Der vorliegende Band ist ein weiteres Werk, das den Anspruch hat, Studierende in das Feld einzuführen.

Das Buch einer Gruppe von AutorInnen aus der Liverpool Hope University hat dabei einen hohen didaktischen Anspruch, dem folgende Definition von vergleichender Erziehungswissenschaft zugrunde liegt: „Comparative education is the comparison of education systems, processes and outcomes both in different countries and within a single country.” (1) Des Weiteren wird auf den Beitrag dieser Subdisziplin für die Erziehungswissenschaft und für die Bildungspolitik hingewiesen. Der Sammelband hat einen starken Bezug zur ‚Praxis’, sowohl zur Forschungspraxis – in dem es vergleichende Forschung anleiten will – als auch zur bildungspolitischen Praxis. Das Buch „provides you with strategies and guidance on making your own comparisons of different countries, while exploring a number of examples.“ (1)

Die 127 Seiten des Bandes sind auf acht Kapitel verteilt, die verschiedene Phasen einer Bildungsbiographie in unterschiedlichen Ländern thematisieren. Jedem Kapitel wird ein Überblick über die zu erreichenden Lernziele vorangestellt und am Schluss werden die Kernideen des Kapitels knapp zusammengefasst; darüber hinaus werden zu jedem Kapitel verschiedene Aufgaben gestellt: „Reflective tasks“, „practical tasks“ „critical thinking tasks“ und „research focus“, die den Lesern beim Reflektieren und Weiterlernen helfen sollen.

Einen historischen Überblick über die IVE wird im ersten Kapitel gegeben. In „What is Comparative Education?“ diskutiert Jean Clarkson die gegenwärtig zunehmende Bedeutung der Disziplin: Durch die steigende politische, wirtschaftliche und technologische Interdependenz der Welt soll Bildung dazu beitragen, informierte globale Bürger zu schaffen. Folgerichtig, „Without listening to the experiences of our colleagues, both at home and abroad, teaching may be static and our professional practices stagnant and myopic” (8). Clarkson thematisiert ebenfalls einige methodologischen Fragen und Probleme vergleichender Forschung und listet wichtige Datenquellen, insb. von internationalen Organisationen, auf. Entlang der Stichworte „Accuracy and reliability“, „Comparability“ und „Generality-specificity trap“ diskutiert die Autorin einige der Herausforderung der IVE (14ff). Aufgrund des gestiegenen Interesses seitens der Bildungspolitik, Praxis und Theorie an internationalen Trends sieht die Autorin der Zukunft der IVE mit Zuversicht entgegen.

Kapitel 2 („Back to the Future of Early Childhood: Same but Different“) thematisiert frühkindliche Bildung und Erziehung in Großbritannien, Italien und Neuseeland. Patricia Giardello und Joanne McNulty stellen die Praktiken frühkindlicher Bildung in historischer und philosophischer Perspektive vor – hier mit Bezug auf Pestalozzi, Fröbel, Montessori und Steiner (19f). Mit Blick auf ihren gemeinsamen konstruktivistischen Ansatz und auf die Bedeutung der Kooperation zwischen Bildungsinstitutionen und Elternhaus sowie die Integration von Bildungs- und Betreuungsangeboten diskutieren die Autorinnen die Beispiele Reggio Emilia in Italien und Te Whariki in Neuseeland, wobei Kinder (und ihre Rechte), pädagogische Kräfte und Eltern im Mittelpunkt der Diskussion stehen.

„Primary Practices and Curriculum Comparisons“ ist der Titel des dritten Beitrags, von Jackie Barbera und Deirdre Hewitt mit Blick auf England, Irland und Rumänien verfasst. Thematisiert werden das Schulpflichtalter, gesetzlich festgelegte (nationale) Lehrpläne für den Primarbereich und die Bestimmungen für deren Überprüfung. Dabei werden interessante Fragen angesprochen, wie z. B. die nach dem Charakter und Zielsetzung von Primarbildung: soll diese Kinder eher intellektuell fördern, oder soll sie vielmehr auf ihre soziale und emotionale Entwicklung abzielen? Soll sie sich mit der ganzheitlichen Natur des Kindes befassen? (45)

Anthony Edwards fokussiert den Sekundarbereich in England und Finnland; er beschäftigt sich in „High Schools and High Stakes Assessment“ (Kapitel 4) mit vergleichenden Daten aus verschiedenen Leistungsvergleichstudien in den Fächern Mathematik und „science“ (TIMSS, PIRLS und PISA). Der Beitrag setzt sich kritisch mit internationalen Vergleichstudien auseinander und resümiert: „Cultural differences make it very difficult to actually compare countries’ results in international surveys and we should be cautious when making such comparisons.“ (61)

Vier zusammenhängende globale Trends im Hochschulbereich – Finanzierung, Expansion der Beteiligung, Qualifizierung des akademischen Personals und Qualitätssicherung – werden im fünften Kapitel („Money and Massification: International Issues in Higher Education“) von Wendy Bignold und Liz Gayton in Großbritannien diskutiert und mit den Erfahrungen in Indien, China und USA verglichen. Vor dem Hintergrund dieser wichtigen Fragen wird nach der Zielsetzung und Aufgaben von Hochschulinstitutionen gefragt. Gegenwärtige Diskussionen wie die Schwerpunktsetzung auf Lehre und/oder auf Forschung und Entwicklung der Studentenschaft schließen den Beitrag ab. Die Autorinnen fassen die Herausforderungen für den Hochschulbereich zusammen: “Higher education in the twenty-first century is increasingly about doing more with less, getting better value for taxpayers’ and students’ money, working to ensure that higher education is not only fort he wealthy elites, and preserving academic freedom and quality.“ (77)

“Teacher Education in a Changing Context” (Kapitel 6) von David Cumberland, Wendy Bignold und Bart McGettrick thematisiert die erste Phase der Lehrerbildung für den grundständigen Schulbereich in Großbritannien und Polen. Nach einem knappen Abriss der Lehrerbildung in beiden Ländern wird auf den Inhalt der Lehramtstudiengänge sowie auf die Lehrerrolle, auf die Studierende vorbereitet werden sollen, eingegangen. In England stellen sie fest, dass „as a part of a drive to regulate and improve the quality of the teaching workforce, the government gradually increased its control over teacher training.” (85) In Polen bestätigt sich dieser große Einfluss, wobei die Institutionen relative Autonomie genießen (90).

In Kapitel 7 – „Education and Social Care: Friends or Foes?“ – von Sue Kay-Flowers wird das Verhältnis von Bildungs- und Hilfesystemen diskutiert. Dabei geht es unter anderem um die Auswirkung von globalen politischen und wirtschaftlichen Trends auf die Entwicklung von Dienstleistungen im sozialen Bereich in England und Rumänien. Im Vordergrund steht die Tendenz, Bildungs- und Hilfesysteme stärker durch Zusammenarbeit der verschiedenen Institutionen zu integrieren.

Der Beitrag von Phil Bamber schließt den Band ab. „Education for Citizenship: Different Dimensions“ thematisiert nationale Programme für ‚global citizenship education’. Vor dem Kontext der Globalisierung und verstärkter internationaler Integration sollen Kinder nicht nur zu guten Staatsbürgern einer Nation erzogen werden, vielmehr sollen sie ‚globale Bürger’ werden. Bamber diskutiert verschiedene Dimensionen des Ansatzes – „education about citizenship“ und „education for citizenship“ sowie „citizenship“ vs. „active citizenship“– und referiert die Hauptergebnisse der IEA-Studie CIVED (111ff). Drei Fallstudien – England, USA und Indien – vergleichen unterschiedliche Strategien der Implementation des Konzepts in den Lehrplan. Die Beispiele zeigen, so der Autor, dass zwei unterschiedliche Modelle von ‚global citizenship education’ nebeneinander bestehen, die integriert werden müssten, wenn das Konzept eine transformierende Wirkung haben soll: „The former perpetuates existing power relations between countries and individuals around the world and the latter challenges the learner to interpret global interdependence in new ways and envision a transformed relationship between the North and the South.“ (121)

Insgesamt stellt das gut lesbare und informative Buch einen gelungenen Versuch dar, in das Feld der International Vergleichende Erziehungswissenschaft einzuführen, ohne zugleich in die methodischen und theoretischen Kontroversen des Fachs einzugehen. Mit der Lektüre sind Studienanfänger vorbereitet, in die Thematik und Problematik des Vergleichs einzutauchen. Hilfreich sind dabei insbesondere die grau unterlegten Kästchen mit Zielsetzungen, Einzel- und Gruppenaufgaben und kommentierten Literaturhinweisen.

Insofern wird der Band dem Lehrbuch-Charakter voll gerecht: Das Buch eignet sich hervorragend für Studierende und Interessierte, um eine Vorstellung und einen ersten Überblick über das dynamische Feld der IVE zu erhalten. Dem Anspruch, den Lesern mit „Strategien und Anleitung für eigene Vergleiche auszustatten“ (1), wird das Buch insofern gerecht, als es mit den Aufgaben – ‚practical tasks’ und ‚critical thinking tasks’ – auf das Selbstverständnis der eigenen Erfahrungen hinweist und für sozio-politische und kulturelle Unterschiede sensibilisiert. Insbesondere als Seminarlektüre geeignet bedienen die Herausgeberinnen mit diesem Buch die wachsende Nachfrage nach Lehrbüchern.
Marcelo Parreira do Amaral (TĂĽbingen)
Zur Zitierweise der Rezension:
Marcelo Parreira do Amaral: Rezension von: Bignold, Wendy / Gayton, Liz (Hg.): Global Issues and Comparative Education, (Perspectives in Education Studies). Exeter: Learning Matters Ltd. 2009. In: EWR 9 (2010), Nr. 5 (Veröffentlicht am 13.10.2010), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/978184445208.html