EWR 16 (2017), Nr. 4 (Juli/August)

Uwe Schaarschmidt / Ulf Kieschke / Andreas W. Fischer
Lehrereignung
Voraussetzungen erkennen, Kompetenzen fördern, Bedingungen gestalten
Stuttgart: Kohlhammer 2017
(164 Seiten; ISBN 978-3-17-032427-5; 30,00 EUR)
Lehrereignung Die Eignung zukünftiger Lehrerinnen und Lehrer wird aktuell sehr angeregt und aus recht unterschiedlichen Perspektiven diskutiert: Bringen Lehramtsstudierende die richtigen Eigenschaften mit, um Kindern und Jugendlichen Wissen zu vermitteln? Welche Motivation steckt hinter der Studienwahl? Fühlt sich eine angehende Lehrkraft nach dem Absolvieren der universitären Phase gut genug auf die praktischen Herausforderungen im Klassenzimmer vorbereitet? Und welche Instrumente können bereitgestellt werden, um Lehrerinnen und Lehrer vor einem Burnout zu bewahren? Diese und andere Fragen zeigen die breite Dimensionierbarkeit des Begriffs „Eignung“, die von Persönlichkeitsmerkmalen der Lehrkraft über die Studien- und Berufswahlmotivation und die Ausbildungsbedingungen bis hin zur Gesundheitsförderung und Prävention reicht.

Seit das Thema in den 1990er Jahren zunehmend fachwissenschaftliches Interesse fand, setzt Uwe Schaarschmidt Standards in der Entwicklung von Instrumenten zur Diagnostik von beruflichen Bewältigungsmustern und zur Unterstützung individueller Reflexion beruflicher Eignung. Die aktuelle Publikation hat – bezogen auf die Leistungen des Autors und im Zusammenwirken mit Ulf Kieschke und Andreas W. Fischer – dokumentarischen Charakter und verbindet die einzelnen Instrumente Schaarschmidts zu einem kompakten Paket an Test- und Interventionsmaßnahmen. In sechs Kapiteln stellen die Autoren die Grundlagen zum Themenfeld Lehrereignung und deren Diagnostik vor und spannen anschließend einen Bogen vom Selbsterkundungsverfahren über ein Assessment Center für Lehramtsstudierende und ein Trainingsprogramm zur Eignungsförderung bis hin zu Einflussmöglichkeiten auf das Verhältnis von Eignung und Gesundheit.

Der Einsatz von Testverfahren, die Aussagen zur (ggf. mangelnden) Lehrereignung generieren, weckt schnell den Verdacht, es handele sich um Selektionsverfahren, die den Zugang zum Beruf beschränken. Dies ist weder das Anliegen der Autoren noch zielen die „Empfehlungen zur Eignungsabklärung in der ersten Phase der Lehrerausbildung“ der Kultusministerkonferenz (2013) darauf ab [1]. Vielmehr stehen ein Verständnis der Eignungsabklärung als Beratungs- und Förderinstrument und damit die Fragen nach der Beeinflussbarkeit der Merkmale und nach denkbaren Interventionsmaßnahmen im Mittelpunkt.

Nach einer Einführung in das Thema Lehrereignung in Kapitel 1 werden im zweiten Kapitel zwei Selbsterkundungsverfahren vorgestellt. Es handelt sich zum einen um den Selbst- und Fremdeinschätzungsbogen „Fit für den Lehrerberuf“, d.h. um die aktuelle Revision des 2007 veröffentlichten Verfahrens (FIT-L (R)), welches dabei hilft, individuelle Erwartungen und Eigenschaften mit den beruflichen Anforderungen des Lehrerberufs noch vor oder während der Ausbildung abzugleichen. Zum anderen handelt es sich um die auf schulische Praktika angepasste Version desselben Verfahrens FIT-L (P). Mit FIT-L distanzierte sich Schaarschmidt seinerzeit vom Einsatz der sogenannten Big Five Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus, die als situationsübergreifende Persönlichkeitsmerkmale neben anderen Variablen dem Instrument Career Counselling for Teachers (CCT) zugrunde liegen. Stattdessen wird auf Merkmale psychosozialen Verhaltens aus drei Bereichen gesetzt: „Umgang mit der eigenen Person, Beziehung gegenüber anderen, [...] Grundfähigkeiten für wirksames Auftreten“ (43). Die hier vorliegende Publikation stellt die Fragebögen auch als Online-Anhang bereit.

Eine umfassendere Fremdbeurteilung berücksichtigt das im Kapitel 3 vorgestellte Assessment Center für Lehramtsstudierende, das Schaarschmidt und Fischer 2008 als Pilotprojekt mit Lehramtsstudierenden der Universität Hamburg durchführten. Auch dieses Verfahren hat zum Ziel, Selbstreflexionsprozesse zu befördern und stützt sich auf die Beurteilungen und Empfehlungen, die geschulte Beobachterinnen und Beobachter während verschiedener Übungen, Rollenspiele und Diskussionen herausarbeiten. Dokumente zu den einzelnen Verfahren sowie das Beobachtungsprotokoll und ein zusammenfassender Beurteilungsbogen stehen als zusätzliches Material ebenfalls zum Download bereit.

Die Überzeugung, dass „unter beruflicher Eignung nichts Statisches [zu] verstehen [sei], sondern davon aus[zu]gehen [sei], dass Eignung auch gefördert und entwickelt werden kann“ (91), ist Voraussetzung für das im vierten Kapitel vorgebrachte Trainingsprogramm „Stärkung für die Schule“, das 2013 in Zusammenarbeit von Schaarschmidt und Fischer entwickelt wurde. Hauptaugenmerk eines 32-stündigen Gruppentrainings sind die Trainingsschwerpunkte Selbstmanagement (als Umgang mit der eigenen Person) und Kommunikation (als Gestaltung sozialer Beziehungen), die schließlich anhand von Übungsbeispielen für eine vereinfachte Umsetzung in studentischen Seminaren illustriert werden.

Mit der Entwicklung des in Kapitel 5 präsentierten Instruments zu Erhebung arbeitsbezogener Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM) leitete Schaarschmidt schon 1996 vier stabile Muster des Bewältigungsverhaltens her, die für berufliche Belastungssituationen besonders vorteilhaft oder nachteilig – bis hin zur Gesundheitsgefährdung – sein können. Durch die Anwendung dieses Instruments in der Potsdamer Lehrerstudie zur Belastungssituation von Lehrkräften (2000-2003) konnten die als ungünstig bezeichneten Muster der Selbstüberforderung und Resignation als besonders häufig vertreten ausgemacht werden. Die Ergebnisse motivierten in der Folge zur Entwicklung von Verfahren, die Unterstützungsbedarfe sichtbar werden lassen.

Die Eignungsabklärung von Lehrkräften bleibt, laut Schaarschmidt, jedoch hinter ihren eigenen Ansprüchen zurück, wenn Interventionen auf der individuellen Ebene verbleiben und strukturelle Bedingungen der Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse nicht verstärkt in den Blick genommen werden. Im sechsten Kapitel präsentieren die Herausgeber mit dem Inventar zur Erfassung von Gesundheitsressourcen im Lehrerberuf (IEGL) eine Kombination des Instruments AVEM mit einer von Schaarschmidt und Fischer entwickelten Beschwerdenliste (BESL 2008) und dem Arbeitsbewertungscheck für Lehrkräfte (ABC-L, Schaarschmidt, Kieschke und Fischer 2012). Das Inventar identifiziert diejenigen Arbeitsbedingungen, die sich nachteilig auf das Belastungsempfinden der Lehrpersonen auswirken. Es zielt darauf ab, in enger Zusammenarbeit und Abstimmung mit Vorgesetzten und dem Kollegium Veränderungen zugunsten einer verbesserten Passung von Person und Arbeit einzuleiten.

Der Anspruch, den Begriff „Eignung“ mit dem Aspekt der psychischen und physischen Gesundheit von Lehrpersonen zu verknüpfen und die Ergänzung um ein Trainingsprogramm und Hinweise zur Umgestaltung von Arbeitsbedingungen zeichnet die Arbeiten von Schaarschmidt, Kieschke und Fischer gegenüber anderen Zugängen aus. Dies spiegelt sich auch im letzten Kapitel, das bewusst mit „Denkanstößen“ arbeitet.

Im Regelfall erhalten Lehramtsinteressierte und -studierende zwar zahlreiche Informations- und Beratungsangebote, nachdem sie ein Eignungsfeststellungsverfahren absolviert haben. Umfassende Angebote zur qualitativen Steigerung der beruflichen Passung, wie etwa durch Trainings- und Coachingprogramme, fristen jedoch häufig ein Dasein als temporäre Projektlösungen. Wenngleich das vorliegende Buch auf die Position der Herausgeber fokussiert ist und somit keine umfängliche Einordnung in das wissenschaftliche Forschungsfeld bietet, stellt es ein überzeugendes Plädoyer dafür dar, künftig viel stärker auch Arbeits- und Ausbildungsbedingungen neben den individuellen Dispositionen angehender Lehrerinnen und Lehrer im Zusammenhang mit Fragen der Eignungsförderung zu berücksichtigen. Damit kann das Buch sowohl Forschenden als auch Akteurinnen und Akteuren in den verschiedenen Phasen der Lehrerbildung empfohlen werden.

[1] Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 07.03.2013: Empfehlungen zur Eignungsabklärung in der ersten Phase der Lehrerausbildung. In: http://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2013/2013-03-07-Empfehlung-Eignungsabklaerung.pdf.
Daniela Kölling (Dresden)
Zur Zitierweise der Rezension:
Daniela Kölling: Rezension von: Schaarschmidt, Uwe / Kieschke, Ulf / Fischer, Andreas W.: Lehrereignung, Voraussetzungen erkennen, Kompetenzen fördern, Bedingungen gestalten. Stuttgart: Kohlhammer 2017. In: EWR 16 (2017), Nr. 4 (Veröffentlicht am 02.08.2017), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/978317032427.html