
Er bleibt jedoch keinesfalls bei seiner Fachheimat Wirtschaftswissenschaft und Didaktik der ökonomischen Bildung stehen, anderen Disziplinen wird bei der Darstellung des Kompetenzerwerbs ebenso begegnet. Auf diese Weise wird unter anderem die Bedeutung domänenübergreifender Vergleiche deskriptiver Kompetenzebenen aufgezeigt, die zur Reduktion von Komplexität der Kompetenzmodelle (109) dienlich sein kann. Eine weitestgehend interdisziplinäre Perspektive taucht immer wieder im Buch auf und macht dieses Werk auch für Vertreter anderer Fachdidaktiken interessant.
Kompetenz ist schließlich ein Modethema, dass in allen Fächern gleichermaßen Beachtung findet. Jung spricht daher bei Kompetenzen von gattungsspezifischen Alleinstellungsmerkmalen (V) und betrachtet in diesem Sinne seine Publikation als Grundlagenwerk, dass für unterschiedliche Wissenschaftsdisziplinen genutzt werden kann (VI).
Das Buch richtet sich hierbei an „Lehramtsstudierende und Lehrende auf allen Stufen des Bildungssystems sowie alle, die sich vertieft mit dem Begriff der Kompetenz und deren Erwerb als pädagogischen Leitbegriff beschäftigen.“ (Klappentext) Durch die kontinuierlich gut verständliche und geordnete Struktur des Werkes, kann es für den Einsatz als Lehrbuch im Studium durchaus empfohlen werden. Zahlreiche, den Text auflockernde und auch wiedergebende Abbildungen sowie grau hinterlegte Textzusammenfassungen tragen zur einfachen Handhabung des Inhalts und dessen Verständlichkeit bei. Das Buch wird durch einen Index abgerundet.
Der Inhalt lässt sich, wie bereits oben erwähnt, in die drei Bereiche Grundlagen, Didaktik und Überprüfbarkeit einteilen. Diese beschreitet Jung hintereinander im Rahmen der dieses Buch einteilenden 10 Kapitel. Die einzelnen Kapitel sind zudem als eigenständige Teile verfasst (6), die folgende Fragestellungen beantworten sollen: „Was ist Kompetenz? Welche Bedeutung besitzt der Kompetenzerwerb in der heutigen Zeit? Auf welche Weise werden Kompetenzen erworben? Welchen Anforderungen hat eine Kompetenzdidaktik zu entsprechen? Gibt es Lehr-Lernarrangements, die sich für den Kompetenzerwerb in besonderer Weise eignen? Wie lässt sich Kompetenzerwerb überprüfen?“ (6).
Nach einer das Buch beschreibenden Einleitung, beschäftigt sich Jung in Kapitel 2 mit allgemeinen kompetenztheoretischen Grundlagen. Hier gelingt es ihm anschaulich, den Begriff aus einer allgemein wissenschaftlichen Perspektive zu reflektieren und durch anschauliche Abbildungen auf die wesentlichen, das Kapitel prägenden Inhalte zu reduzieren.
Das Kapitel 3 wird durch eine Diskussion zu dem Begriffspaar Wissens- versus Kompetenzgesellschaft eingeleitet (37). So meint Jung, dass wir uns in einer Kompetenzgesellschaft befinden, die die alltäglichen facettenreichen Herausforderungen zu bewältigen hat und Wissen die Grundlage ist, diesen Herausforderungen stand zu halten.
Hierauf aufbauend diskutiert Jung im Kapitel 4 den Kompetenzbegriff in der pädagogischen Theoriebildung. Besonders hervorzuheben ist hier die Vorstellung des aktuellen Diskurses zur pädagogischen Theoriebildung. Bezug wird hierbei vor allem auf die Kompetenzentwicklung im Rahmen der Diskussion der beruflichen Handlungskompetenz genommen. Der Leser erhält hier eine Übersicht über berufs- und wirtschaftspädagogischen Ansätze von Achtenhagen/Baethge, Edelmann/Tippelt sowie Rauner.
In Kapitel 5 werden partielle Kompetenzkonzepte reflektiert. Sie beschreiben eine Gruppe von Herausforderungen, die von Jung als „Sonderdomäne“ bezeichnet werden. Die innewohnende besondere Zielsetzung ordnet die Ganzheitlichkeit von Kompetenzerwerbsprozessen unter (84). Die hieraus folgende Kritik ist charakteristisch für die Reflexion der Kompetenzforschung in diesem Werk. Jung weist auf die Notwendigkeit hin, dass trotz der Disziplinvielfalt bzw. der unterschiedlichen spezifischen Teildomänen eine einheitliche „Kompetenzgrammatik“ entwickelt werden sollte, die von allen Fachrichtungen gleichartig verstanden und genutzt wird.
Der erste Pfad des Buches, der sich mit Kompetenz und Kompetenzentwicklung beschäftigt, wird dann mit einer Diskussion in Kapitel 6 zur Klieme-Expertise abgeschlossen. Jung rundet dieses Kapitel mit einem eigenen zweidimensionalen Kompetenzmodell, kombiniert mit vier Niveaustufen (zur Komplexitätsreduktion) für ökonomische geprägte Lebenssituationen, ab und lässt dieses auch auf der deskriptiven Ebene offen für andere Fachdisziplinen.
Die Kapitel 7, 8 und 9 beschreiten dann den didaktischen Pfad des Buches. Im Zentrum stehen jeweils die Artikulation des Kompetenzerwerbs, Kompetenzmodelle ausgewählter fachdidaktischer Disziplinen und didaktisch-methodische Aspekte des Kompetenzerwerbs. Besonders hervorzuheben ist die Zusammenstellung der Kompetenzmodelle der der ökonomischen Disziplin im weitesten Sinne benachbarten Domänen der politischen Bildung, der Geographie und des Lernbereichs Beruf-Haushalt-Technik-Wirtschaft. An allen Modellen kritisiert Jung, dass empirisch-diagnostische Ziele fehlen (139). Um diesem Gebiet jedoch in seinem Werk Rechnung zu tragen, schließt Jung in seinem letzten Kapitel genau hier an.
Die Überprüfbarkeit des Kompetenzerwerbs als didaktisch-methodischer Aneignungsprozess wird hier vorgestellt. Die Kompetenzdiagnostik im Sinne des durch die Klieme-Expertise initiierten pädagogisch-didaktischen Modernisierungsprozesses genießt hier höchste Aktualität (183). Am Beispiel der Arbeits- und Berufsfindungsprozesse führt Jung diese Kompetenzdiagnostik praktisch und für den Leser anschaulich durch. Einer Vignette ähnlich kann die abstrakte theoretische Kompetenzdiagnostik auf lebensweltliche Situationen bezogen reduziert und leicht verständlich betrachtet werden. Mit diesem Beispiel schließt das Buch ab und rundet die drei beschrittenen Pfade ab.
Es kann resümiert werden, dass das Buch von Eberhard Jung einen wesentlichen Beitrag zum Thema Kompetenz leistet. Gerade auch die Domäne der ökonomischen Bildung, in der Jung beheimatet ist, kann von der umfassenden Betrachtung des Kompetenzerwerbs profitieren.