EWR 11 (2012), Nr. 2 (März/April)

Stefanie Hartz
Qualität in Organisationen der Weiterbildung
Eine Studie zur Akzeptanz und Wirkung von LQW
(Organisation und Pädagogik, Bd. 9)
Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2011
(361 S.; ISBN 978-3-5311-7485-3; 39,95 EUR)
Qualität in Organisationen der Weiterbildung „Qualität“ hat nicht nur als bildungspolitisch gewollter Diskurs Eingang in die Erwachsenenbildung und Weiterbildung gefunden, sondern ist mittlerweile als Qualitätsmanagementsysteme und Qualitätsentwicklungsverfahren im System und in den Organisationen der Weiterbildung angekommen. Von Anfang an war dabei die Schwierigkeit präsent, dass die verschiedenen Managementsysteme betrieblichen Logiken folgen und weder die intendierten Wirkungen als gesichert gelten, noch die unmittelbare Realisierung des Lehrens und Lernens dadurch automatisch als „verbessert“ gilt. Das Modell der Lernerorientierten Qualitätsentwicklung (LQW) stellte sich diesem Problem und wurde als genuin erwachsenenpädagogisches Qualitätssicherungssystem entwickelt, das besonders die Figur des „gelungenen Lernens“ ins Zentrum der organisationalen Entwicklungsarbeit stellte. Das Modell gilt als erfolgreich und kommt in vielen, vor allem öffentlichen, Weiterbildungseinrichtungen zur Anwendung.

Im Rahmen einer Forschungsarbeit möchte man Gewissheit über die Realisierung der gewünschten Intentionen und über die Vortrefflichkeit des Modells. Die vorliegende Habilitationsstudie erforscht nun die Akzeptanz und Wirkungen von LQW. Dabei besteht die besondere Anforderung darin, dass es sich einerseits um eine umfangreich und fundiert angelegte Forschungsarbeit handelt und andererseits um eine Evaluationsstudie, die einem Auftrag folgt. Der Auslotung dieses Verhältnisses widmet die Autorin viel Aufmerksamkeit, besonders bei der Begründung ihres Vorgehens. Der „Doppelauftrag“ ist auch bei der Interpretation der Ergebnisse sehr gut nachvollziehbar. Die Autorin geht souverän damit um, dass unter Evaluationsgesichtspunkten Effektivität und praktische Nutzbarkeit eine Rolle spielen (50).

Insgesamt leisten Anlage und Ergebnisse einen grundlegenden Beitrag in verschiedener Hinsicht: zur Organisationsforschung, zur Verzahnung organisationstheoretischer Ansätze und empirischer Wirkungsforschung und zur Weiterentwicklung methodischer Konzeptualisierungen im Bereich der Erwachsenenpädagogik / Weiterbildung, besonders was die Verschränkung quantitativer und qualitativer Vorgehensweisen betrifft.

Die Studie widmet sich konsequent folgenden leitenden Fragestellungen: Wie integrieren die Organisationen dem Modell inhärente Imperative in die eigene Handlungslogik und wie eignen sie sich das Modell der Lernerorientierten Qualitätsentwicklung an? Inwieweit können die modellinhärenten Implikationen, die von der Bildungspolitik distribuiert und durch die Qualitätsdebatte repräsentiert werden, bis zur Lehr-Lerninteraktion eingelöst werden?

Theoretische Anschlüsse, die sich sowohl in die kategoriale Entwicklung als auch in die Interpretation einlassen, werden über die Systemtheorie und den Neo-Institutionalismus gewonnen. Die Relevanz der Systemtheorie wird mit der operativen Geschlossenheit und der eigenständigen Operationslogik sinnkonstituierter Systeme begründet, um die kommunikative Durchdringung von LQW und daran gebundene Sinnzuschreibungen zu analysieren (14). Der Neo-Institutionalismus liefert den Bezugsrahmen, um die Schnittstelle Organisation und Gesellschaft im Hinblick auf Phänomene der Systembildung zu fokussieren. Finden sich hier Prozesse der Strukturangleichung? Vier Analyseebenen leiten sich ab, die im empirischen Teil Aufnahme finden: Ebene Gesellschaft (z.B. Bildungspolitik, Testierungsstelle), Ebene Vermittlungsinstanzen (z.B. regionale Umsetzungsstellen, Deutsches Institut für Erwachsenenbildung), Ebene Organisation (entscheidende beteiligte Akteure), Ebene Lehr-Lerninteraktion. Die Ebene der Organisation bildet dabei den „neuralgischen“ Punkt, da sich hier die Kontingenz der Implementierung entscheidet.

Die Theoriebezüge werden in der gesamten Studie auch begrifflich konsequent durchgehalten und ermöglichen einen differenzierten Blick auf die Organisation. Theoretische Prämissen wie Isomorphie werden z.B. als organisationale Phänomene sichtbar. Ein eigener begrifflicher Binnenkosmos wird entfaltet, der Ausdruck der Theoriebezüge ist, vor allem aber auch eines eigenen „Stils“. Stellenweise wäre eine deduktive Beschreibung der empirischen Ergebnisse hilfreich gewesen, um Prozesse von innen heraus zu verstehen.

Methodisch bedient sich die Studie eines breiten Repertoires zwischen Experteninterviews, Gruppendiskussionen, Dokumentenanalyse, organisationsbezogenen Fallstudien und standardisierten Befragungen. Die Datenerhebungen wurden ebenenspezifisch konzeptualisiert, indem die beteiligten Personen einbezogen wurden (101). Die Instrumente bauen aufeinander auf. Die Interviewauswertungen liefern Kategorien für die quantitative Untersuchung. Die zwei Fallstudien, die sich auch Beobachtungen bedienen, betrachten interne Prozesse der Qualitätsentwicklung. Während die qualitativen Ergebnisse sparsam einflossen, ist besonders auf den umfangreichen quantitativen Teil zu verweisen.

Zentral sind die quantitativen Erhebungen, die zu zwei Messzeitpunkten erfolgten. Sehr differenziert erfasst und als Faktoren- und Clusteranalysen ausgewertet wurde die Implementierung von LQW unter den Perspektiven Akzeptanz und Wirkung. Sowohl die Herleitung, Begründung und Kategorienbildung als auch die Auswertung sind dem empirischen (Erwachsenen)bildungsforscher als grundlegend und wegweisend zu empfehlen.

Die verfolgten empirischen Themen sind die nach der Akzeptanz von LQW, die z.B. nach folgenden Kategorien ermittelt wurden: Verbreitung, Anerkennung des Qualitätsverständnisses, Sinnzuschreibung und Legitimierung entlang von Motiven und Erwartungen (z.B. Erfüllung von Umweltanforderungen, Verbesserung interner Prozesse mit dem Ziel der Effizienzsteigerung), kommunikative Anschlüsse (Wirkungen von LQW auf der Organisationsebene), Vereinbarkeit der Handlungslogiken (pädagogisch und organisational), Entkoppelung von Formal- und Aktivitätsstruktur (88ff).

Einige Ergebnisse seien genannt: 285 Einrichtungen, die im Erhebungszeitraum LQW einführten, wurden in die Erhebung einbezogen. Es sind besonders Einrichtungen aus dem „Reproduktionskontext Staat“, die sich für LQW entscheiden. Man erhofft sich insbesondere eine Optimierung interner Steuerungszusammenhänge, aber auch eine Weiterentwicklung pädagogischer Aspekte (164).

Es können Angleichungen in den Sinnzuschreibungen unterschiedlicher Einrichtungstypen festgestellt werden, d.h. solcher Einrichtungen, die dem Kontext Staat und Markt angehören. Mit der Wahl eines Qualitätsmanagementsystems scheinen sich einheitliche Sinnzuschreibungen auszubilden, so eine neo-institutionalistisch entwickelte These und empirisch gestützte Interpretation (188). Die Ergebnisse und Interpretationen verweisen weiterhin auf Gegenläufigkeiten und Parallelitäten, die organisations- und feldspezifischen Rationalitäten folgen.

Bezüglich der Wirkungen, die in Anlehnung an die Motive und Erwartungen erhoben wurden, sei auf ein weiteres Ergebnis hingewiesen: Es werden keine Wirkungen auf der Lehr-Lernebene vermerkt, sondern besonders auf der Organisationsebene, d.h. die den Lehr-Lernprozessen vor- und nachgelagerten Faktoren, wie z.B. Leitbildentwicklung, Bedarfserschließung und interne Kommunikation profitieren von LQW. Stefanie Hartz verweist hier auf eine paradoxe Aufklärungslücke, die sich zwischen der Motivstruktur (Lernerorientierung), dem erwarteten Professionalisierungsgewinn und den Wirkungen auf der Lehr-Lernebene aufspannt (221). Akzeptanz und Wirkungen entkoppeln sich diesbezüglich in interessanter Art und Weise – sollte LQW mit seinem Charakteristikum der Lernerorientierung deshalb Akzeptanz haben, weil es den Lernenden unberührt lässt? Dieser Befund und weitere Befunde werfen weiterführende Fragen auf, die durch Anschlussuntersuchungen aufzugreifen sind.
Steffi Robak (Hannover)
Zur Zitierweise der Rezension:
Steffi Robak: Rezension von: Hartz, Stefanie: Qualität in Organisationen der Weiterbildung, Eine Studie zur Akzeptanz und Wirkung von LQW (Organisation und Pädagogik, Bd. 9). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2011 2011. In: EWR 11 (2012), Nr. 2 (Veröffentlicht am 10.04.2012), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/978353117485.html