EWR 19 (2020), Nr. 3 (Juli / August)

Tim Fütterer
Professional Development Portfolios im Vorbereitungsdienst
Die Wirksamkeit von Lernumgebungen auf die Qualität der Portfolioarbeit
Wiesbaden: Springer VS 2018
(492 S.; ISBN 978-3-6582-4063-9; 54,99 EUR)
Professional Development Portfolios im Vorbereitungsdienst Portfolioarbeit in Bildungsprozessen hat international sowie national eine gewisse Tradition. Dem in seinen Ursprüngen stark praxisorientierten Konzept wird ein hohes Innovationspotenzial in unterschiedlichen Bereichen zugeschrieben. Seit einiger Zeit rückt Portfolioarbeit insbesondere im Kontext bildungspolitischer Vorgaben vermehrt in die Aufmerksamkeit der ersten sowie der zweiten Phase der Lehrerbildung, während aus empirischer Perspektive kaum belastbare Befunde zu dessen Effektivität vorliegen. Vor diesem Hintergrund ist die Studie, die Tim Fütterer im vorliegenden Buch vorstellt, äußerst relevant.

Die Arbeit umfasst sieben Kapitel und gliedert sich in einen theoretischen sowie methodisch-empirischen Teil (Voruntersuchung sowie Hauptuntersuchung). Im theoretischen Teil des Buches findet sich nach dem einleitenden ersten Kapitel eine umfassende Skizzierung des Forschungsfelds: In dieser wird zunächst auf spezifische Herausforderungen und Charakteristika der Lehrerbildung (Kapitel 2) eingegangen und sodann eine Bestandsanalyse zur Funktion und zu Formaten von Portfolioarbeit (Kapitel 3) entfaltet. Im vierten Kapitel werden die Rahmenbedingungen für die zweite Phase der Lehrerbildung in Schleswig-Holstein dargestellt, wo Portfolioarbeit verbindlich vorgeschrieben ist und die vorliegende Studie durchgeführt wurde.

In den Kapiteln fünf (Zielsetzungen der Studie) und sechs (Ergebnisteil) findet sich der empirische Anteil des Buchs. In der vorgestellten Studie wurde die Bearbeitungsqualität als zentraler Faktor der Portfolioarbeit in einem sehr umfangreichen und aufwendigen Design erhoben: Um den Einfluss unterschiedlicher Lernumgebungen für Portfolioarbeit auf Portfolioprodukte zu untersuchen, wurden in einer Interventionsstudie zwei Untersuchungsgruppen (Stationenarbeit vs. direkte Instruktion) mit einer Kontrollgruppe (keine Intervention) verglichen. Die Zuteilung zu den jeweiligen Gruppen erfolgte randomisiert über ein Losverfahren.
Die Ergebnisdarstellung erfolgt entlang der zuvor aufgestellten, aus dem Forschungsstand abgeleiteten Hypothesen und berichtet in hoher Dichte die zentralen Befunde: Im Ergebnis zeigt sich in der Vorstudie eine geringe Akzeptanz des Portfolioeinsatzes in Schleswig-Holstein bei angehenden Lehrpersonen, da sie mehr Zeiträume zur Bearbeitung der Portfolios sowie Unterstützungs- und Beratungsangebote benötigten. In der Hauptstudie ergeben sich keine Unterschiede zwischen den Untersuchungsgruppen mit Blick auf die Qualität der Produkte der Portfolioarbeit, obschon sich die Treatments in besonderem Maße auf die Entwicklung von Kompetenzen zur Portfolioarbeit (z.B. Wissen um die Portfolioarbeit) auswirkten. Auch erweist sich zusätzliche Bearbeitungszeit nicht als hinreichender Prädiktor für die Qualität der Portfolioarbeit. Dagegen wurden als bedeutsame Prädiktoren für die Qualität der Portfolioarbeit u.a. Belastung, Motivation und selbstregulative Fähigkeiten identifiziert. Besonders interessant erscheint hierbei der Befund, dass sich für belastete angehende Lehrpersonen die direkte Instruktion in besonderem Maße als geeignetes Lernsetting erwiesen hat. Das Buch schließt in Kapitel 7 vor dem in den vorangegangenen Kapiteln aufbereiteten Hintergrund mit der Diskussion der Ergebnisse und gibt einen Ausblick auf Chancen, Grenzen sowie weitergehende Forschungsdesiderate (z.B. den Umgang angehender Lehrpersonen mit „ungewissen Situationen“ im Kontext von Portfolioarbeit).

Insgesamt betrachtet stellt das vorliegende Buch sowohl aus methodischer sowie aus ergebnisbezogener Perspektive einen Gewinn im Themenfeld der Portfolioarbeit dar, da damit für den deutschen Sprachraum erstmalig eine quasi-experimentelle Feldstudie zur Qualität der Portfolioarbeit vorgelegt wird. Die Gültigkeit der Aussagen sind hierbei auf das Bundesland Schleswig-Holstein begrenzt, worauf Fütterer explizit hinweist. Der Autor scheint sich der Grenzen seiner Studie bewusst, wie die umfassende und detaillierte Auseinandersetzung mit der Umsetzung der Studie (z.B. Randomisierung, hoher Dropout der Teilnehmenden) zeigt. Dennoch ist hervorzuheben, dass es weder im deutschen noch im internationalen Raum eine vergleichbare Studie gibt, was angesichts der hohen Erwartungen an Konzepte der Portfolioarbeit mindestens erstaunlich ist.

Das vorliegende Buch legt einen umfassenden, breiten und vertieften Überblick über das Themenfeld vor und bietet zahlreiche gewinnbringende Anknüpfungspunkte zur konstruktiven sowie kritischen Auseinandersetzung mit dem Konzept der Portfolioarbeit in der Lehrerbildung. Damit wird in für dieses Themenfeld längst überfälliger Tiefe das Konzept ‚Portfolioarbeit‘ aufgearbeitet, wenngleich in der inhaltlichen Einführung eine stärkere Zuspitzung auf den Forschungsgegenstand der Studie leserfreundlicher erscheinen könnte. Der große Umfang ist möglicherweise einer gewissen „Theoriearmut“ im Forschungsfeld zuzuschreiben: viele Vorüberlegungen (z.B. Konzeptualisierungen), auf welche die Studie zurückgreift, sind andernorts noch nicht geleistet und werden so auf redliche Weise zunächst für das Forschungsfeld ausführlich aufgegriffen, aus unterschiedlichen Quellen zusammengetragen und für die durchgeführte Studie adaptiert. Nebenbei entfaltet Fütterer auf diese Weise einen umfassenden, an vielen Stellen systematisierenden Überblick über die Thematik der Portfolioarbeit in der Lehrerbildung. Daher ist das vorgestellte Buch, das eine gekürzte Fassung der Dissertation von Tim Fütterer darstellt, nicht nur lesenswert für im Kontext von Portfolioarbeit forschende Personen, sondern auch für theoretisch-konzeptionell Tätige sowie bildungspolitische Verantwortungsträger.
Lina Feder (Tübingen)
Zur Zitierweise der Rezension:
Lina Feder: Rezension von: Fütterer, Tim: Professional Development Portfolios im Vorbereitungsdienst, Die Wirksamkeit von Lernumgebungen auf die Qualität der Portfolioarbeit. Wiesbaden: Springer VS 2018. In: EWR 19 (2020), Nr. 3 (Veröffentlicht am 02.09.2020), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/978365824063.html