EWR 6 (2007), Nr. 6 (November/Dezember 2007)

Christiane Eberhardt / GĂĽnter Albrecht (Hrsg.)
Qualifizierung und Vernetzung im Grenzraum
Bonn: Bundesinstitut fĂĽr Berufsbildung 2007
(252 S.; ISBN 978-3-7639-1030-4; 14,90 EUR)
Qualifizierung und Vernetzung im Grenzraum Das Thema Vernetzung zieht sich wie ein Leitmotiv durch die europäische Struktur- und Bildungspolitik. In der Berufsbildung gibt es zahlreiche Belege für Förderprogramme und Arbeitsbereiche wie etwa die Lernenden Regionen, die EURES-Initiative zur beruflichen Mobilität oder den Kopenhagen-Prozess für die Zusammenarbeit in der beruflichen Bildung. Das Buch von Eberhardt und Albrecht greift die europäische Vernetzung mit dem Fokus auf die ostdeutschen Bundesländer auf. Diese Ausrichtung wird zudem an dem Titel der Reihe deutlich: Mit „Good Practice in den neuen Ländern: Chance Grenzregion“ zeichnet sich ein Bild aus positiven Beispielen funktionierender Zusammenarbeit ab. Der geografische Anknüpfungspunkt wird über eine deutsche Perspektive auf die Grenzregionen zu Polen und Tschechien hergestellt. Aber auch die nordischen und baltischen Länder, Bulgarien und die neuen EU-Beitrittsländer im Allgemeinen kommen zur Sprache.

Im ersten Teil des Herausgeberwerkes geht es um die Gestaltung des europäischen Bildungs- und Beschäftigungsraumes. Generell werden die EU-Politik und der Kopenhagen-Prozess thematisiert und die Themen der Anrechenbarkeit, Durchlässigkeit, Mobilität erhalten einen hohen Stellenwert.

In Teil 2 werfen deutsche Autor/innen einen Blick auf den Grenzraum nach Osten und die neuen Herausforderungen durch die EU-Erweiterung. Die Artikel wurden von verschiedenen Akteuren zur grenzĂĽberschreitenden Regionalentwicklung verfasst.

Teil 3 wechselt die Blickrichtung von den Nachbarländern nach Deutschland und versammelt je einen polnischen, tschechischen und dänischen Beitrag, um diese im vierten Teil mit Beispielen und Modellen zu veranschaulichen. Besonders prominent ist das Projekt E2-VET zum Thema Erweiterung, Beschäftigung und Berufsbildung vertreten.

Der letzte Teil wechselt den Stil und den Takt; hier finden sich 16 Beiträge mit Kurzdarstellungen zu Einzelprojekten. Es geht vornehmlich um eine Berichterstattung bzw. einen Überblick zu zwischen 2003 und 2006 durchgeführten Initiativen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit.

Insgesamt greift das Buch die Thematik der Vernetzung aus einer an der Praxis orientierten Perspektive auf. Auch die Überblicksdarstellungen zu Beginn richten sich an diesem Merkmal aus. Danach werden die Beiträge spezieller an einem Projektkontext ausgerichtet. Der Schwerpunkt liegt auf der Darstellung von „Good Practice in den neuen Ländern“. Die kritischen Beiträge z.B. vom Scheitern einer Kooperation sucht man insofern vergebens. Vernetzung scheint per se wünschenswert, der Grenzraum zu den neuen EU-Ländern und Deutschland entwicklungsfähig. Besonders detailliert setzt sich der Artikel „Regionale Wirkung der EU-Osterweiterung“ von Krätke mit den Stolpersteinen von Kooperation auseinander. Der Autor konstatiert, dass vor allem die wirtschaftsstarken Zentren sich vernetzen und nicht zwangsläufig die grenznahen, aber oft wirtschaftsschwachen Regionen davon profitieren (49f.). Insofern stellt die Vernetzung im Grenzraum eine wirkliche Herausforderung dar.

Die Praxisorientierung birgt einen Beigeschmack der anschlusslosen Theorie. Das Statement zu Beginn des Beitrages über die polnisch-deutsche Zusammenarbeit kann als Beleg dafür gelesen werden: „Das Konzept des lebenslangen Lernens kann heute nicht mehr nur im Rahmen theoretischer Überlegungen oder abstrakter Forderungen betrachtet werden“ (121). Hier und an anderen Stellen scheint eine implizite Dichotomisierung von Theorie und Praxis hervorzutreten, welche die Komplexität der Bezüge ein Stück weit verkürzt. Hinzu kommt ein recht unkritischer Umgang mit den Konzepten der Wissensgesellschaft, der Vernetzung und weiteren positiv besetzten Schlagworten im politischen Jargon.

Hervorzuheben ist weiterhin Teil 5 des Buches. Hier sind Projektberichte zusammengestellt, die in der Regel kurz den Ausgangspunkt, die Zielsetzung und die Partner einer Initiative aufgreifen. Am Ende jedes Beitrages steht eine Kontaktadresse. Das Spektrum ist sehr weit gefasst und reicht von Unternehmen, Berufsfachschulen über ausgewählten Branchen und Praktika bis hin zu einem Bericht über die 9. Görlitzer Tage der Berufsbildner 2006. Diese Beträge sind als Dokumentation und Kontaktliste zu verstehen. Die wissenschaftliche Reflexion und die Einbettung in einen breiteren EU-Kontext leisten allerdings vor allem die ersten Teile im Buch.

Insgesamt kann festgehalten werden, dass der Band in der Tendenz von vorne nach hinten immer detaillierter und projektorientierter, zum Teil aber auch unkritischer und zusammenhangloser verläuft. Dem Aufbau kann der Leser aber gut vom Allgemeinen ins Detail folgen. Zu Beginn werden die kontextuellen Grundlagen erklärt, die für das spätere Verständnis eines Einzelprojektes von Vorteil sind. Allerdings endet das Ensemble etwas unvermittelt mit dem letzten Praxisbeispiel ohne eine weitere Rahmung.

Im Inhaltsverzeichnis wurde gekennzeichnet, dass die Artikel aus verschiedenen Jahren (2002-2006) stammen. Die Leser/innen stolpern trotzdem vereinzelt ĂĽber Angaben zur Zukunft, die nun schon in der Vergangenheit liegen.

Zusammenfassend können die Herausgeber mit einer Zusammenstellung von Kooperationsprojekten im Kreise des Bundesinstitutes für Berufsbildung für ein praktisch orientiertes Publikum überzeugen.
Markus Weil (ZĂĽrich)
Zur Zitierweise der Rezension:
Markus Weil: Rezension von: Eberhardt, Christiane / Albrecht, GĂĽnter (Hg.): Qualifizierung und Vernetzung im Grenzraum. Bonn: Bundesinstitut fĂĽr Berufsbildung 2007. In: EWR 6 (2007), Nr. 6 (Veröffentlicht am 05.12.2007), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/978376391030.html