EWR 6 (2007), Nr. 5 (September/Oktober 2007)

Michael Schemmann
Internationale Weiterbildungspolitik und Globalisierung
Orientierungen und Aktivitäten von OECD, EU, UNESCO und Weltbank
(Reihe: DIE Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung)
Bielefeld: Bertelsmann 2007
(264 S.; ISBN 978-3-7639-1941-3; 26,90 EUR)
Internationale Weiterbildungspolitik und Globalisierung Mit der vorliegenden Arbeit über internationale Weiterbildungspolitik und Globalisierung schließt Schemmann eine Lücke innerhalb der international vergleichenden Erwachsenenbildungsforschung. Anhand einzelner inter- und supranationaler Organisationen macht er die internationale Weiterbildungspolitik seit den 1990er Jahren anschaulich. Er widmet sich detailliert den weiterbildungspolitischen Orientierungen und Aktivitäten der OECD, der EU, der UNESCO und der Weltbank und stellt gleichzeitig allgemeine Tendenzen des globalen Weiterbildungsdiskurses heraus. Seine Arbeit zielt u.a. darauf ab, Gestaltungsansprüche und Wirkungen der oben genannten Organisationen auf die nationale Politikebene herauszustellen.

Das erste Kapitel führt in die Thematik ein und betont deren Relevanz. Dabei wird zunächst ein Mangel dahingehend festgestellt, dass sich eine Globalisierungsdebatte in der Erziehungswissenschaft bisher kaum etabliert hat; Internationalität stellt also keinen kontinuierlichen Diskursrahmen dar. In Bezug auf die Erwachsenenbildung wird festgehalten, dass es bis jetzt keine Untersuchungen gibt, die einzelne inter- und supranationale Organisationen systematisch auf die bildungspolitische Dimension der Erwachsenenbildung beziehen. Gleichzeitig wird das Konzept „Globalisierung“ als eine Herausforderung für die unterschiedlichsten Wissenschaften seit den 1990er Jahren herausgestellt. Supranationale Organisationen werden in diesem Zusammenhang einerseits als Phänomen der Globalisierung identifiziert und andererseits als Akteure im globalen Politikprozess gesehen, die unterschiedlichste politische Ebenen beeinflussen. Von daher ist es auch von Nutzen, ihren Einfluss auf die Weiterbildung zu untersuchen.

Seine Auswahl der dargestellten Organisationen begründet Schemmann mit deren Bedeutungsausmaß, deren Typ von Organisation und deren programmatischen Bezug zur Weiterbildung. Die OECD wird als internationale Organisation angesehen, die den Bildungsbereich maßgeblich, u.a. durch die PISA Studie, beeinflusst. Die EU gilt als bedeutsamste supranationale Regionalorganisation, die über die ökonomische Dimension hinaus operiert. Die beiden Sonderorganisationen der Vereinten Nationen, die Weltbank und die UNESCO, operieren weltweit, unterscheiden sich jedoch wesentlich in ihrer Zielsetzung.

Das zweite Kapitel befasst sich mit dem Theorierahmen des Themas. Dabei stellt Schemmann zunächst verschiedene Erklärungsansätze von Globalisierung vor und nimmt anschließend eine Systematisierung in die Pole der Globalisierungsdebatte vor. Einen Pol machen die Hyperglobalisierer aus, die das Ende des Nationalstaates und eine vollständige Neuordnung und Homogenisierung der Welt proklamieren. Den entgegengesetzten Pol stellen die Skeptiker dar, die von keiner grundlegenden Veränderung ausgehen. Dazwischen stehen die Transformationalisten, die Globalisierung als offenen Prozess sehen, für den gegensätzliche Tendenzen, ein Nebeneinander von Veränderungen und bestehenden Strukturen, charakteristisch sind. Schemmann bekennt sich zu letzterem Ansatz, den er als die überzeugendste Ansicht zum Phänomen der Globalisierung herausstellt. Daran anschließend werden Theorieansätze der international vergleichenden Bildungsforschung angeführt – mit der abschließenden Bemerkung, dass in der erziehungswissenschaftlichen Debatte nur zwei Pole vertreten würden und der Ansatz der Transformationalisten bisher ausgeklammert geblieben sei.

Die folgenden vier Kapitel machen den Hauptteil der Arbeit aus. Die OECD, EU, UNESCO und die Weltbank werden in jeweils eigenen Kapiteln systematisch und unter gleichen Aspekten dargestellt. Zunächst werden die Entwicklung, die strukturelle Bedingung und die allgemeine Aufgabe beschrieben. Dann werden die speziellen strukturellen Bedingungen des Bildungsbereichs analysiert, und im Bezug auf grundlegende Dokumente seit den 1990er Jahren wird die weiterbildungspolitsche Orientierung herausgearbeitet. Diese hält Schemmann den tatsächlichen Aktivitäten und Initiativen entgegen und analysiert sie in Bezug auf ihre Folgen. So entsteht ein differenziertes Bild der jeweiligen Organisation und ihrer Bildungsvorstellung. Durch die Darstellung der Organisationen in jeweils einzelnen Kapiteln werden einerseits institutionsspezifische Aspekte deutlich. Andererseits wird durch die einheitliche Gliederung ein Vergleich der Organisationen miteinander nahegelegt, der jedoch noch in einem darauffolgenden Kapitel explizit vorgenommen wird.

Interessant ist zu sehen, dass die hier vorgestellten Organisationen neben der Betonung der ökonomischen Dimension von Bildung (beruhend auf der Humankapitaltheorie) auch einen gerechten Zugang zur Bildung fordern. Damit stehen sie in einem Spannungsfeld zwischen ökonomischen und sozialen Zielsetzungen.

Angesichts der zentralen Herausforderungen einer globalen Ökonomie und den Modernisierungsansprüchen einer Wissensgesellschaft gewinnt Bildung durchweg an Bedeutung. So wird Bildung in einem utilitaristischen Sinn als die Lösung von sozialen und ökonomischen Problemen gesehen.

Im Bezug auf die Bildungs- und Weiterbildungsorientierung der einzelnen Organisationen ist bei der OECD ein Konzeptwandel von „recurrent education“ zu Lebenslangem Lernen zu verzeichnen. Die EU hat eine explizite Kompetenz für Bildung seit dem Vertrag von Maastricht übernommen und steht bei ihrer Politik im Spannungsfeld zwischen dem Prinzip der Subsidiarität und der zunehmenden Harmonisierung. Die Weltbank hat als einzige der hier aufgeführten Organisationen keine explizite Einheit für Bildung, aber sie ist als größter Geldergeber für Bildungsinitiativen bedeutsam. Ursprünglich nur im Bereich der formalen Grundbildung tätig, hat auch die Weltbank in jüngster Zeit das Konzept des Lebenslangen Lernens übernommen. Die UNESCO hat seit ihrer Gründung einen eigenen Fachbereich für Bildung, vertritt vorrangig die Ziele „Entwicklung“ und „Frieden“ und gilt international als Diskursimpulssetzer.

Im siebten Kapitel werden die zuvor aufgeführten Informationen unter den Gesichtspunkten der Konvergenz und Divergenz neu geordnet und zusammengefasst. Hierbei ist die Konvergenz eindeutig dominant. In Bezug auf die bildungspolitische Orientierung wird eine zunehmende Wertschätzung der Weiterbildung verzeichnet; das Bildungskonzept ist bei allen Organisationen am Lebenslangen Lernen orientiert. Diesem liegt das Verständnis eines Bildungskontinuums zugrunde, das auch informelle Lernprozesse würdigt.

Des Weiteren wird Informations- und Kommunikationstechnologien eine herausragende Stellung eingeräumt. Ebenso gilt die Qualität, gemessen u.a. mit Indikatoren und Leistungsmessstudien, als zentrales Kriterium. Divergenzen ergeben sich v.a. bei der Priorität der Zielsetzung. Während die UNESCO die soziale Gerechtigkeit in den Vordergrund stellt, richtet die Weltbank den Fokus auf die ökonomische Dimension. Bezüglich der Aktivitäten wird eine allgemeine Tendenz zur indikatorisierten Bildungsberichterstattung verzeichnet, die einen internationalen Vergleich und eine entsprechende Normsetzung vorantreiben.

Abschließend versucht Schemmann einige der so konstatierten Phänomene auf Aspekte der eingangs diskutieren Globalisierungstheorien zu beziehen. Besonders hervorzuheben ist in diesem Kapitel die systematische Darstellung der Aktivitäten, indem deren dominante Dimension herausgestellt wird. Schemmann führt hierfür Kategorien ein, die er dann bezüglich ihres Einflusses auf die nationale Bildungspolitik untersucht. Folgenreich ist vor allem die Dimension finanzielle Mittel, bei der sich, in Form von Krediten der Weltbank oder des europäischen Sozialfonds, internationale Weiterbildungsprogrammatiken konkret auf die nationale bildungspolitische Regierungsebene auswirken. Eine andere Dimension ist der sogenannte „Peer-pressure“, der sich durch gemeinsames Verpflichten der Staaten zu bestimmten Zielen – z.B. durch die Offene Koordinierung der EU – und durch die Überprüfung derselben aufbaut. Die Folgen hierbei sind nicht direkt abschätzbar, plausibel sind jedoch eine Annäherung der einzelnen Staaten an die internationalen Ziele, nationale Debatten, wie z.B. nach PISA, und eine Orientierung der nationalen Bildungspolitik an internationalen Indikatoren.

Schemmanns Arbeit zeichnet sich durch einen logischen Aufbau und eine systematische Darstellung der inter- und supranationalen Organisationen aus. Der Leser bekommt einen guten Einblick in das Charakteristische der einzelnen Organisationen und einen Gesamteindruck über homogenisierende Tendenzen innerhalb des Weiterbildungsdiskurses. Positiv zu verzeichnen ist ebenfalls die stetige Begründung seiner Vorgehensweise und seiner Auswahl, sowohl der speziellen Organisationen als auch der analysierten Dokumente und der speziellen Aktivitäten. Hierbei behält Schemmann stets seinen Schwerpunkt der Weiterbildung im Auge und führt, wenn möglich, Beispiele aus diesem Bereich an. Der Leser muss sich auf eine neutrale Darstellung der Organisationen und ihrer möglichen Folgen einstellen; so wird eingangs keine Hypothese formuliert und die Folgen werden kaum kritisch kommentiert. Angesichts der vielen Publikationen, die eine Darstellung supranationaler Organisationen mit möglichen Folgen und politischen Stellungnahmen vermengen, macht die vom Autor intendierte neutrale Darstellung aber den besonderen Wert dieses Buches aus.

Die Zusammenhänge zwischen identifizierten Phänomenen wie der zunehmenden Angleichung und den Globalisierungstheorien werden nur punktuell dargestellt. Ebenso bleiben die Folgen der inter- und supranationalen Organisationen für die nationale Bildungspolitik auf allgemeiner Stufe stehen. An dieser Stelle weist der Autor selbst auf methodische Schwierigkeiten bei der Erhebung hin und bezeichnet seine Arbeit als erste Systematisierung und Analyse, die weiterer Forschung in dieser Richtung bedarf. In diesem Sinne kann man bei dieser Arbeit von einer Pionierarbeit sprechen, die einen guten Einstieg bietet und einen Anstoß für weitere Forschungen darstellt. Sie kann sowohl für Studierende, für Professionelle im pädagogischen Bereich als auch für die bildungspolitische Fachöffentlichkeit empfohlen werden.
Mirjam Wenke (Freiburg)
Zur Zitierweise der Rezension:
Mirjam Wenke: Rezension von: Schemmann, Michael: Internationale Weiterbildungspolitik und Globalisierung, Orientierungen und Aktivitäten von OECD, EU, UNESCO und Weltbank (Reihe: DIE Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung). Bielefeld: Bertelsmann 2007. In: EWR 6 (2007), Nr. 5 (Veröffentlicht am 04.10.2007), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/978376391941.html