Das Buch „E-Learning im Schulalltag“ von Mayr, Resinger und Schratz entstand aus den Ergebnissen einer Evaluationsstudie. Gegenstand der Evaluation war das vom österreichischen Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Auftrag gegebene Projekt eLSA, „E-Learning im Schulalltag“. Dabei sollte statt eines bislang punktuellen Einsatzes von E-Learning in wenigen Schulfächern ein flächendeckender Einsatz über alle Schulfächer hinweg erprobt werden. Drei Jahre nach Beginn der Pilotphase von eLSA setzt die Evaluationsstudie an. Hier wurde mithilfe von Interviews erhoben, ob und wie das E-Learning seinen Weg in den Schulalltag der untersuchten Modellschulen gefunden hat.
Das Buch setzt sich zum Ziel, „Einblicke in ein Forschungsprojekt [zu geben], das die Erfahrungen von Schulen analysiert, wie alle Lehrerinnen und Lehrer einer Schule gewonnen werden können, mit den neuen Informationstechnologien im Unterricht zu experimentieren“ (Klappentext). Im Fokus stehen die Erfahrungen der Akteure in den Schulen, welche in insgesamt fünf Fallstudien aufbereitet sind. Im Anschluss daran vernetzen die Autoren die zentralen Erkenntnisse aus den Fallstudien in den Kategorien Blended Learning, Lernplattformen sowie Literalität. Zusätzlich zum so entstehenden Gesamtbild wollen die Autoren „Empfehlungen zur Einführung von E-Learning im Schulalltag“ (Klappentext) an die Hand geben.
Die Erfahrungen der Akteure haben die Autoren in Form von Interviews erfasst. Diese methodische Vorgehensweise hat den Vorteil, dass sie sowohl eine anwenderorientierte als auch eine akteurszentrierte Perspektive auf die Herausforderungen des Umgangs mit neuen Medien bietet. Das Spektrum der in den Fallstudien angeschnittenen Bereiche reicht dabei von der Pflege und Wartung der technischen Infrastruktur bis hin zur Weiterbildungsbereitschaft der Lehrenden. So lässt sich beispielsweise im Bereich der Weiterbildung das häufig auftretende Problem feststellen, dass die Maßnahmen von „oben“ verordnet werden: „Die beteiligten Lehrer, auch die Klassenlehrer, hat man sehr stark überredet […[, da hat man schon Druck gemacht auch, dass da was passiert, dass die Anderen etwas machen müssen.“ (49). Gleichzeitig zeigen die Positionen der Befragten aber auch, dass sie den Möglichkeiten des E-Learnings positiv gegenüberstehen: „Je größer die räumliche Distanz zu den Partnern, desto interessanter werden die neuen Möglichkeiten der Kommunikation. Gemeinsames und organisiertes Chatten findet bereits zum wiederholten Male mit unseren Partnerschulen in Süditalien, Rumänien, Bulgarien […[ statt und lässt Distanzen schwinden.“ ( 42)
Insgesamt ist es den Autoren gelungen, ein plastisches Bild sowohl von den Potenzialen als auch von den Problemlagen großer Implementationsvorhaben zu zeichnen. Daher könnte man vermuten, dass insbesondere Praktiker aus diesen Einblicken in die Probleme und Herausforderungen des E-Learnings an Schulen profitieren. Jedoch zeigen sich die Schwächen des Buchs gerade bei dem, was für Praktiker am interessantesten ist: die Verbindung der aufgezeigten Probleme mit Lösungsansätzen. So entsteht bei der Lektüre der Fallstudien häufig der Eindruck, dass zu den zahlreichen aufgeworfenen Problemfeldern auch individuelle Lösungsansätze der jeweiligen Schule existieren. Leider werden diese, wenn überhaupt, nur punktuell im Sinne von best-practice-Beispielen gegeben. Damit bleiben die Fallstudien hinter dem zurück, was sie inhaltlich hätten leisten können.
Ebenso lassen sich aus Sicht des theoretischen Diskurses Mängel feststellen. So ist bei der Vernetzung der Ergebnisse aus den Fallstudien, die in Kapitel vier vorgenommen wird, nicht deutlich, ob die Ergebnisse untereinander oder mit dem wissenschaftlichen Fachdiskurs vernetzt werden sollen. Mitunter erscheint es, als würden die Autoren beides versuchen. Zwar wird das Kapitel mit einer Begriffsbestimmung des Blended Learning nach Heinz Mandl und Katrin Winkler eingeleitet, danach aber kein Rückbezug mehr auf den Wissenschaftsdiskurs genommen. Auch der Bezug der Fallstudienergebnisse aufeinander trägt nicht zur Klärung bei, da ein Bezugsmaßstab nicht genannt wird.
Die Unterteilung in die drei Kategorien Blended Learning, Lernplattform und Literacy schafft Redundanzen, die teilweise sogar zu widersprüchlichen Aussagen führen. Beispielsweise konstatieren die Autoren auf Seite 109: „Die klassische Angebotsstruktur von Schule ermöglicht es nicht, dass die SchülerInnen entsprechend ihrem Lerninteresse und -bedarf individuelle Lernangebote erhielten. Die Fachlogik der Stundentafel mit den zugeordneten Lehrpersonen bildete den Ausgangspunkt für die Gestaltung der E-Learning-Angebote“. Bereits zwei Seiten später kommen sie zu folgendem Schluss: „Blended Learning ermöglicht eine stärkere Individualisierung des Unterrichts, fordert Eigeninitiative und fördert soziales Lernen“ (111). Mit einem konsequenten Rückbezug auf den Wissenschaftsdiskurs könnten solche Widersprüchlichkeiten vermieden werden. Insgesamt wäre hier eine stärkere wissenschaftliche Durchdringung der Studie wünschenswert gewesen.
Zusammenfassend gefragt: Ist den Autoren ihr Vorhaben gelungen, detaillierte Einblicke in die Einführung von E-Learning im Schulalltag zu geben und daraus praktische Empfehlungen abzuleiten? Nur teilweise. Für neue Erkenntnisse zur Einführung von E-Learning fehlt schlichtweg die Rezeption des Forschungsstands; und die Zahl der aufgezeigten Praxis-Lösungen fällt ebenfalls zu klein aus. Zu empfehlen ist das Buch wohl in erster Linie für Entscheider in den Ministerien und Schulbehörden. Denn damit können sie sich einen ersten Überblick verschaffen, welchen Aufwand eine flächendeckende Einführung neuer Medien in Kindergärten, Schulen oder Universitäten nach sich ziehen kann. Insbesondere im Zuge der Medienentwicklungspläne der Bundesländer könnte dieses Buch einen entsprechenden Beitrag leisten. Jedoch sollte jeder, der sich tiefer mit der Materie befassen will, zu weiteren Publikationen greifen.
EWR 9 (2010), Nr. 4 (Juli/August)
E-Learning im Schulalltag
Eine Studie zum Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologien im Unterricht
Bad Heilbrunn: Klinkhardt 2009
(153 S.; ISBN 978-3-7815-1630-4; 26,00 EUR)
Susanne Kannenberg (Braunschweig)
Zur Zitierweise der Rezension:
Susanne Kannenberg: Rezension von: Mayr, Kerstin / Resinger, Paul / Schratz, Michael: E-Learning im Schulalltag, Eine Studie zum Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologien im Unterricht. Bad Heilbrunn: Klinkhardt Verlag 2009. In: EWR 9 (2010), Nr. 4 (Veröffentlicht am 10.08.2010), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/978378151630.html
Susanne Kannenberg: Rezension von: Mayr, Kerstin / Resinger, Paul / Schratz, Michael: E-Learning im Schulalltag, Eine Studie zum Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologien im Unterricht. Bad Heilbrunn: Klinkhardt Verlag 2009. In: EWR 9 (2010), Nr. 4 (Veröffentlicht am 10.08.2010), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/978378151630.html