EWR 13 (2014), Nr. 3 (Mai/Juni)

Fritz Oser / Tibor Bauder / Patrizia Salzmann / Sarah Heinzer (Hrsg.)
Ohne Kompetenz keine Qualität
Entwickeln und Einschätzen von Kompetenzprofilen bei Lehrpersonen und Berufsbildungsverantwortlichen
Bad Heilbrunn: Klinkhardt 2013
(352 S.; ISBN 978-3-7815-1887-2; 24,90 EUR)
Ohne Kompetenz keine Qualität Das Forschungsprogramm „Professional Minds“ des Leading Houses, dem Zentrum für Berufsbildungsforschung an der Universität Fribourg, setzt sich in dem vorliegenden Sammelband intensiv mit den über einen Zeitraum von sieben Jahren erarbeiteten Konzepten professioneller Kompetenzen von Lehrpersonen und Ausbildern unter dem Aspekt von Qualität auseinander. Die Autoren des Buchs beschäftigen sich insbesondere mit der Formulierung, Modellierung und Messung von Kompetenzen von Lehrpersonen und Berufsbildenden als Qualitätsmaßstab von Ausbildung. Das Programm knüpft damit an aktuellen Diskursen zur Professionalität von Lehrern bzw. Lehrender in verschiedenen pädagogischen Arbeitsfeldern an und liefert gleichzeitig ein Novum in der Forschungslandschaft der Berufs- und Wirtschaftspädagogik: Das Forscherteam um Prof. Fritz Oser stellt neben dem schulischen Lehrpersonen die Ausbilder in der betrieblichen Berufsausbildung in den Mittelpunkt ihrer methodologisch-variantenreichen Reflexion über relevante Elemente von Kompetenzen.

In seinem Vorwort „Auf der Suche nach Ausbildungskompetenzen“ nimmt Oser Bezug zur Kompetenzdebatte und den damit verbundenen Problemen, professionelle Kompetenzen zu beschreiben, zu modellieren und zu messen. Dies macht er sich zu Nutze, um gleich zu Beginn klarzumachen, dass Kompetenzen immer funktional bestimmt sind und folglich Kompetenzansätze immer aus der Situation in einem bestimmten Feld her gedacht werden müssen, was gleichzeitig die Verortung des Forschungsprogramms und des vorliegenden Sammelbands darstellt. Aufbauend darauf liefern Oser & Bauder eine Einführung zu dem vorgelegten Sammelband, die zum einen den Ablauf des Forschungsprogrammes vorstellt und über berufs- bzw. professionstheoretische Elemente diskutiert, zum anderen die Relevanz von Kompetenzprofilen begründet, bevor schließlich die einzelnen Buchkapitel des vierteiligen Werkes bzw. die Suche nach Qualität des Lehrpersonenhandelns vorgestellt werden.

Der erste Teil des Sammelwerkes beschäftigt sich einführend mit „Qualität der beruflichen Bildung“. Nach der Entwicklung des Ressourcenmodells der angestrebten Kompetenzprofile und Einführung in den Bottom-up-Prozess der Kompetenzentwicklung mit ethnographischen Techniken wird zunächst die Frage der Qualitätsmessung und -bestimmung geklärt. Darüber hinaus wird die Bestimmung von Qualität durch die Ermittlung von Kompetenzprofilen für Berufsfachschullehrpersonen besprochen und in einem weiteren Artikel Kompetenzprofile für Sportlehrpersonen an Berufsfachschulen ermittelt. Der Teil schließt mit einer theoretischen Einordnung der Kompetenzprofile anhand eines speziellen Kompetenzprofil-Beispiels.

Im zweiten Teil „Qualität durch videobasierte Kompetenzdiagnostik“ werden in drei Aufsätzen unterschiedliche Schwerpunkte zum Instrument der Videovignetten eruiert. Zunächst wird das advokatorische Messverfahren für authentisch videografierte Unterrichtsszenen als entwickelte Methode zur Messung von Lehrerkompetenzen vorgestellt. Im zweiten Schritt wird darüber diskutiert, ob und wie authentische Videoaufnahmen von Unterricht realisiert werden können und welche Herstellungskriterien für Filmvignetten für spätere Kompetenzmessung gelten müssen. Im dritten Schritt wird die Entwicklung eines Expertenratings für die Ermittlung von Qualität und letztlich Expertise für Kompetenzprofile von Berufsschullehrpersonen vorgestellt.

Stärker dem betrieblichen Teil der Berufsausbildung widmet sich der dritte Teil des Sammelbandes, überschrieben mit „Qualität der Ausbildung im Betrieb“. Zunächst werden dafür die Besonderheiten des betrieblichen Ausbildungsgeschehens aufgearbeitet und vorgestellt, welche Aufgaben betriebliche Berufsbildende wahrnehmen. Am Beispiel zweier Ausbildungsberufe wird anschließend untersucht, welche Kompetenzprofilgruppen sowohl von Berufsfachschullehrpersonen als auch von Berufsbildenden in den Betrieben benötigt werden und welche jeweils nur bei einer dieser beiden Berufsgruppen zum Einsatz kommen. Schließlich bildet die Sicht von Lernenden auf Berufsbildner in den Betrieben den Abschluss dieses Teils.
Im vierten Teil des Sammelbandes „Qualität im Umgang mit Diversität“ greift ein weiterer Beitrag die Anwendung der erarbeiteten Kompetenzprofile auf und wählt ein Kompetenzprofil aus, um die Frage zu diskutieren, welche Maßnahmen und Instrumente den Berufsfachschullehrpersonen zur Verfügung stehen, um die Integration jedes einzelnen Lernenden in den Berufsbildungsprozess gewährleisten zu können. Damit schlägt der Beitrag die Brücke zu den geplanten weiteren Schritten zur Erarbeitung von auf die Filmvignetten bezogenen praxisorientierten Arbeitsinstrumenten, die bspw. zur Reflexion über das eigene Unterrichtshandeln der Anwendenden im Rahmen von Aus- und Weiterbildung initiieren sollen, die Oser in seinen Nachwort „Von der Praxis zur Theorie und zurück“ für ein separat-erscheinendes Handbuch ankündigt, nachdem er resümiert und abschließend dringenden weiteren Forschungsbedarf postuliert.

Vor dem Hintergrund der dringend notwendigen Qualitätsentwicklung in der Berufsbildung und der damit einhergehenden Professionalisierung aller an der Berufsausbildung beteiligten Akteure wird mit dem vorlegten Befunden aus dem Schweizer Forschungsprogramm ein vielgestaltiger Einblick in die Erarbeitung von Kompetenzprofilen auf Basis unterschiedlicher (methodischer) Zugangswege präsentiert. Das Projekt versucht nicht die Qualität des Wissens zu messen, sondern betrachtet das adaptive Handeln in Situationen – das Handeln, das man sehen kann, das performativ und professionell notwendig ist. Von diesem Handeln wird auf das dahinter liegende Können in Form notwendigen Kompetenzen geschlossen. Mit den genutzten Zugängen, insbesondere der situativen Formulierung von Kompetenzprofilen wird ein umfassender, vielgestaltiger Einblick in die praktische Ausgestaltung von Berufsausbildung gegeben – professionelle Kompetenzen der unterschiedlichen Zielgruppen haben hier Gestalt angenommen. Der Übergang von Performanz zur Kompetenz bleibt eine Black Box, aber die Erhellung dieser war auch ausdrücklich nicht Gegenstand des Projektes. Für den Leser stellen die Aufsätze des vorliegenden Sammelbandes theoretisch fundierte Werke dar, die eine hohe Informationsdichte aufweisen und übersichtlich beschrieben sind. Einzig in der Gesamtschau bleibt die Exploration des Zusammenhangs der vorgestellten Teilstudien dem Leser überlassen.
Insgesamt wird in gelungener Art und Weise die Komplexität der Thematik aufgezeigt, auch mit Blick darauf, welche Hürden bei der Formulierung, Modellierung und Messung von Kompetenzen zu überwinden sind und wie diese genommen werden können. Darüber hinaus leisten die Autoren für den grenzüberschreitenden Blick wertvolle und lesenswerte Beiträge zum Fortschritt der in Deutschland geführten Kompetenzdebatte. Die Lektüre dieses Buches empfiehlt sich gleichsam für Wissenschaftler als auch, aufgrund der praxistauglichen Einblicke wie bspw. in Anhängen beigefügte berufsspezifische Kompetenzprofile, für Bildungs- und Personalverantwortliche in Schulverwaltungen und Betrieben, die sich mit Qualität von Ausbildungsprozessen und Kompetenz der betrachteten Akteure als elementare Einflussgrößen beschäftigen.
Kathrin BrĂĽnner (Jena)
Zur Zitierweise der Rezension:
Kathrin BrĂĽnner: Rezension von: Oser, Fritz / Bauder, Tibor / Salzmann, Patrizia / Heinzer, Sarah (Hg.): Ohne Kompetenz keine Qualität, Entwickeln und Einschätzen von Kompetenzprofilen bei Lehrpersonen und Berufsbildungsverantwortlichen. Bad Heilbrunn: Klinkhardt 2013. In: EWR 13 (2014), Nr. 3 (Veröffentlicht am 04.06.2014), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/978378151887.html