
Neben der Einleitung der Herausgeber/innen gliedert sich der Band in vier Kapitel. In einem ersten systematischen Kapitel zur VerhĂ€ltnisbestimmung von LehrkrĂ€ftebildung und Erziehungswissenschaft, welches leider nur einen Beitrag enthĂ€lt, fĂŒhren Meseth und Proske in die bekannten Diskurslinien zum Thema ein. Dem Beitrag gelingt eine sehr gute Ăbersicht mit der Pointe, dass strukturtheoretische wie kompetenztheoretische Perspektiven in ihren Grundannahmen gleichermaĂen normativ argumentierten, was natĂŒrlich nicht ohne Konsequenzen fĂŒr Professionalisierungsprozesse bleiben kann.
In einem zweiten Kapitel werden drei gĂ€ngige ProfessionsansĂ€tze vorgestellt. Mit hohem Unterhaltungswert fĂŒhrt Wernet in die Untiefen des Wunsches nach mehr Praxis im Studium ein und relativiert den Anspruch auf vorzeitige bzw. frĂŒhzeitige Praxis. Erkenntnis- statt Praxisversprechen lautet sein Credo. König stellt wesentliche Facetten des kompetenztheoretischen Ansatzes dar und zeigt relevante Forschungen. Zugleich sieht er in dieser Forschungsrichtung auch ein Instrumentarium zur Politikberatung. Fabel-Lamla stellt den (berufs-)biographischen Professionsansatz vor, der ihrer Ansicht nach mit dem struktur- und kompetenztheoretischen Ansatz kompatibel ist. Sie zeigt dabei, dass reflexive Ausbildungsformate zur eigenen Lebens- und Professionsbiographie kaum verankert sind und der Ansatz so weniger prĂ€sent in der LehrkrĂ€ftebildung ist.
Im dritten Kapitel versammeln sich vier BeitrĂ€ge unter der Ăberschrift âEmpirische Bestimmungen des VerhĂ€ltnisses in erziehungswissenschaftlicher Forschung, lehreradressierter Fachliteratur und aktuellen Modulkonzeptionenâ. Cramer macht den Anfang mit Ergebnissen seiner SYSTEM-Studie. Eine Schlussfolgerung ist, dass die LehrkrĂ€ftebildung nicht mehr nach einer Leitdisziplin suchen soll, sondern den Umgang mit den pluralen WissensbestĂ€nden einĂŒben soll. Terhart diskutiert Ergebnisse der BilWiss.-Studie. Interessant ist hier vor allem seine nĂŒchterne EinschĂ€tzung zum staatlichen Einfluss auf die LehrkrĂ€ftebildung, mit der sich die Disziplin anfreunden sollte. Scheunpflug und Welser berichten ĂŒber ein Projekt zur dokumentarischen Praxisforschung und legen damit ein gelungenes Beispiel einer noch verhaltenen Praxisreflexion der Hochschullehre vor. Hofbauer berichtet schlieĂlich in einem lesenswerten Beitrag ĂŒber Ergebnisse einer umfĂ€nglichen Diskursanalyse und zeigt, wie selektiv das Rezeptionsverhalten in der deutschen Professionsforschung ist. Schön oder Shulman, so könnte man die Ergebnisse zusammenfassen, das ist wohl die Frage.
Im vierten Kapitel werden erziehungswissenschaftliche Profilierungslinien der LehrkrĂ€ftebildung diskutiert. MĂŒller widmet sich dabei drei Denkfiguren des Reflektierens (Reflex, Reflektion, Reflexion). In der Reflexion sieht er eine âFigur des Aushaltensâ, die er als gewinnbringend und zielfĂŒhrend fĂŒr die LehrkrĂ€ftebildung einstuft. Kunze diskutiert sehr facettenreich Chancen und Grenzen der Kasuistik fĂŒr die LehrkrĂ€ftebildung, wobei sowohl der Expertenansatz wie auch der âprofessionalisierungstheoretisch begrĂŒndete Ansatzâ vorgestellt und in ihren Möglichkeiten verglichen werden. Wie Wernet plĂ€diert sie fĂŒr eine wissenschaftliche Variante der Erziehungswissenschaft in der LehrkrĂ€ftebildung. Professionalisierung durch Wissenschaft ist das Credo. Mikhail stellt in seinem Beitrag ein Unterrichtsplanungskonzept vor, welches mit dem Begriff der âpĂ€dagogischen HandlungsqualitĂ€tâ eingefĂŒhrt wird. Theoretisch anspruchsvoll, unter RĂŒckgriff auf die Sprachpragmatik bei Apel, bleiben doch offene Fragen, wenn der Autor beispielsweise sich gegen besser/schlechter RĂŒckmeldungen in Bezug auf die Planung verweigert. Was hier als StĂ€rke gesehen wird könnte ja auch als diffus wahrgenommen werden. Und am Ende soll ja doch mit dem Konzept der âpĂ€dagogischen HandlungsqualitĂ€tâ etwas intentional bewirkt werden. Leonhard plĂ€diert in seinem Beitrag fĂŒr die StĂ€rkung der schulpraktischen Studien. Sie sollen durch eigene LehrstĂŒhle oder Professuren vertreten werden. Die Differenz zur SchulpĂ€dagogik leuchtet hierbei nicht immer ganz ein. Dennoch liefert der Beitrag wichtige systematische Argumente fĂŒr die wissenschaftliche StĂ€rkung von Praxisphasen. Bressler und Rotter diskutieren schlieĂlich Chancen und Risiken des Seiteneinstiegs und die Rolle, die dabei dem erziehungswissenschaftlichen Wissen zukommt. In einer den Berufseinstieg begleitenden Reflexion wird ein vielversprechender Weg gesehen.
Insgesamt ist hier einer der besseren TagungsbĂ€nde herausgegeben worden. Es werden grundsĂ€tzliche Positionen und Diskurslinien deutlich und in einigen BeitrĂ€gen werden auch neue bzw. weniger stark rezipierte Aspekte der Diskussion betont. Was dem Band allerdings fehlt, wie so vielen HerausgeberbĂ€nden, ist der Versuch eines Fazits. Was können wir aus all dem lernen, drĂ€ngen sich beispielsweise bestimmte Formate der LehrkrĂ€ftebildung auf. So reizvoll der Widerstreit in der Wissenschaft ist, so notwendig ist es auch auf institutioneller wie organisatorischer Ebene Entscheidungen zu treffen und Studierenden ein angemessenes Angebot der Professionalisierung zu unterbreiten. Problematisch erscheint es mir aktuell, dass immer jene Formate richtig und wichtig sein sollen, die die Ich-IdentitĂ€t der Forscherinnen und Forscher bestĂ€tigen. Eigene Forschung und Gestaltung hochschulischer Angebote zur Professionalisierung dĂŒrfen auch mal auseinanderfallen, zumal wie Terhart richtig bemerkt, der Staat legitimer Weise AusbildungsansprĂŒche erhebt.
Ein zweiter Punkt fĂ€llt auf. Die BeitrĂ€ge bleiben jeweils immanent in ihrer Argumentation. Institution, Organisation und Umwelt bleiben blinde Flecken, obwohl es im Band um die âinstitutionalisierte Lehrerbildungâ (S. 7) geht. SchlieĂlich ist doch anzunehmen, dass die LeistungsfĂ€higkeit der EW auch davon abhĂ€ngig ist, wie sie in das Studium organisatorisch integriert wird. Allein auf der Symbolebene ist die Rede von zwei FĂ€chern und einem Begleit- oder ErgĂ€nzungsfach schwierig. Vielleicht wĂ€re dies aber auch ein anderer Band geworden, dennoch wĂ€re hier und da eine institutionentheoretisch aufgeklĂ€rte Reflexion wĂŒnschenswert gewesen. Trotz dieser kleineren Leerstellen wird der Band einen guten Referenzpunkt fĂŒr die Diskussion ĂŒber das VerhĂ€ltnis von EW und LehrkrĂ€ftebildung werden.