EWR 19 (2020), Nr. 1 (Januar / Februar)

Gerhard Tulodziecki / Bardo Herzig / Silke Grafe
Medienbildung in Schule und Unterricht
Grundlagen und Beispiele
2. vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage
Bad Heilbrunn / Stuttgart: Julius Klinkhardt / UTB 2019
(399 S.; ISBN 978-3-8252-5029-4; 23,99 EUR)
Medienbildung in Schule und Unterricht Die Digitalisierung des Alltags greift immer stärker um sich. Kinder und Jugendliche wachsen als „permanently online, permanently connected“ (23) auf. Infolgedessen steht die Schule vor der bedeutsamen Aufgabe, ihre Schüler/innen auf eine reflektierte Nutzung (digitaler) Medien adäquat vorzubereiten. Dabei müssen sich (angehende) Lehrkräfte sowohl über Chancen als auch Risiken bewusst sein, die damit einhergehen und Ideen zur Kompetenzentwicklung bei Lernenden entwickeln.

Mit dem Lehr- und Arbeitsbuch „Medienbildung in Schule und Unterricht“ von Tulodziecki, Herzig und Grafe tragen die Autor/innen maßgeblich zur aktuellen Debatte um die Bedeutung der Medienbildung in der Schule und Kompetenzentwicklung im Unterricht bei. Die hier stattfindende, schnell voranschreitende Entwicklung, z.B. in der Nutzung des Smartphones, Augmented / Virtual Reality etc. und deren Berücksichtigung in der didaktischen Umsetzung machte eine Neuauflage des Bandes unbedingt notwendig. Da das Buch auf der Grundlage von Hochschulseminaren und Lehrerfortbildungsveranstaltungen entstanden ist, liegt ein Schwerpunkt auf konkreten Anregungen für die Umsetzung von Medienbildung in der Schule, von denen (angehende) Lehrkräfte, Schulentwickler/innen und in der Lehrerausbildung Tätige profitieren.

Kohärenz erreichen die Autor/innen durch einen pädagogischen Blick auf die Medienbildung, die sie durchgehend in den Kontext allgemeiner Erziehungs- und Bildungsaufgaben von Schule einordnen. Neben der Klärung grundlegender Theorien und Modellen, gelingt es ihnen, übergreifende Leitlinien, Orientierungsmaßstäbe und Grundprinzipien für das Arbeiten mit (digitalen) Medien herzuleiten. Dabei nehmen sie eine eigene Position im Diskurs ein, die sich an den Grundprinzipien einer handlungs-, entwicklungs- und kompetenzorientierten Medienbildung orientiert. Im Zentrum steht als Leitidee für medienpädagogische Aktivitäten bei Schüler/innen, ein sachgerechtes, selbstbestimmtes, kreatives und sozial verantwortliches Handeln zu fördern.

Angereichert ist das Werk mit konkreten Fragestellungen sowie Querverweisen auf relevante Kapitel und detailreich geschilderten und alltagsnahen (grafisch abgesetzten) Fallbeispielen, die die/den Leser/in zu einer vertieften Lektüre motivieren. Hierdurch werden die Autor/innen ihrem eigenen Anspruch gerecht, auf hohem Niveau eine „anwendungsbezogene Auseinandersetzung mit praxis- und theorierelevanten Fällen“ (Klappentext) anzuregen. Für die 2. Auflage wurden die angegebenen Beispiele aktualisiert, z.B. Onlineshopping statt Teleshopping, Smartphone statt Radiowecker etc.

In der „Einführung“, die die „Förderung von Medienkompetenz und Medienbildung […] als gesamtgesellschaftliche Aufgabe“ (11) darlegt und die besondere Verantwortung der Schule, dieser gerecht zu werden, in den Mittelpunkt stellt, wird die Medienbildung grundlegend in den Rahmen allgemeiner Erziehungs- und Bildungsaufgaben eingebettet.

In Kapitel 1 zeichnen die Autor/innen aktuelle Entwicklungen innerhalb der „Medienlandschaft“ und das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen in mediatisierten Lebenswelten fundiert nach. Im Fokus stehen Veränderungsprozesse, die z.B. eine zunehmende Vernetzung möglich machen. Konsequent erscheint die Schlussfolgerung, Veränderungen in den bisherigen medialen Vermittlungsformen anzustreben: Erfahrungen und Nutzung stehen den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen und ihren Möglichkeiten, dies zu verarbeiten, gegenüber, was verständlicherweise Chancen und Risiken in sich birgt. Dieses Kapitel widmet sich zudem einer (Medien-)Begriffsklärung sowie dem aktuellen medienpädagogischen Diskurs zur Medienbildung, -didaktik und -erziehung und zeigt darin die eigene Positionierung der Autor/innen.

Im zweiten Kapitel wird die Nutzung von Medien in Abhängigkeit von sieben charakteristischen Bedürfnislagen und kindlichen Lebenssituationen plausibel auf Grundlage des bedürfnisorientierten Ansatz Maslows (1981) dargestellt sowie in Bezug zu Kohlbergs (1974) Stufen der intellektuellen Entwicklung gesetzt. Zwar wird Kritik an den zugrundeliegenden Modellen formuliert, hier stellt sich jedoch die Frage nach der Aktualität der Ansätze. In der Konsequenz der Leitidee (s.o.), so die Autor/innen, muss medienpädagogisches Handeln „Erlebnis- und Handlungsmöglichkeiten schaffen, die zum einen der Lebenssituation und der Bedürfnislage gerecht werden und zum anderen zu einer Erweiterung des Erfahrungs- bzw. Wissensstand sowie zu einer Förderung der sozial-kognitiven Entwicklung führen“ (76).

Im dritten Kapitel liegt der Schwerpunkt auf einer mediendidaktischen Perspektive. Die Autor/innen kategorisieren Medienangebote, verknüpft mit lerntheoretischen Modellen. Ein starker Fokus der Autor/innen liegt auf der überzeugenden Präsentation von Bespielen für die Gestaltung digitaler Lernangebote. Lesenswert erscheinen insbesondere die „Didaktischen Anforderungen“ (114ff), die stringent einer handlungs-, entwicklungs- und kompetenzorientierten Didaktik folgen. Konkret ausformulierte Entscheidungsfragen sollen dabei Praktiker/innen unterstützen, mediale Lernangebote reflektiert einzusetzen. Ergänzend erfolgt ein Blick auf empirische Forschungsansätze und Befunde. Neben einer gut nachvollziehbaren Kritik an Vergleichsstudien plädieren die Autor/innen für die Betrachtung von Medienmerkmalen und Evaluationsstudien.

Im Kapitel „Lernen über Medien“ sind sechs konzeptionelle Ansätze zu medienbezogenen Erziehungs- und Bildungsaufgaben (z.B. behütend-pflegend), meist auch historisch, eingebettet. Abgeleitet werden zehn Zielbereiche von Unterrichtseinheiten zur Medienbildung sowie drei Grundformen der Mediennutzung. Stellenweise könnte die Begründung der Auswahl von genau zehn Zielbereichen klarer erfolgen. Es folgt eine Anleitung zur Umsetzung konkreter, an die aktuellen Entwicklungen angepassten Unterrichtsbeispiele, schulinterner Konzepte und die Gestaltung eines Curriculums. Dies geschieht zunächst mit Fokus auf die reflektierte Nutzung (Kap. 5) von medialen Angeboten wie Analyse und Simulation, im Weiteren fokussiert auf die Inhalte (Kap. 6) z.B. in Bezug auf Urteilsfähigkeit. Aufgabenfeldspezifische Lernvoraussetzungen, die Festlegung von Kompetenzerwartungen und Zielvorstellungen sind beinhaltet. Die reflektierte Nutzung von medialen Angeboten beruht auf einer „erkundungs-, problem-, entscheidungs-, gestaltungs- oder beurteilungsorientierte Vorgehensweise“ (217) und weitet sich auf die intellektuelle und sozial-moralische Entwicklungsförderung aus (Kap. 7). Hierzu sind Schüler/innen, z.B. über Dilemmasituationen, die über ihrem aktuellen Entwicklungsniveau liegen, medienpädagogisch anzuregen.

Im abschließenden Kapitel 8 differenzieren die Autor/innen nutzungs- und inhaltsbezogene Kompetenzerwartungen für die Grundschule und Sekundarstufe I aus und entwerfen einen Koordinierungsrahmen. Skizzen von Unterrichts- und Projektbeispielen runden dieses praxisorientierte Bild ab. Auch die Medienbildung in Kindertagesstätten findet hier erfreulicherweise Berücksichtigung. Für Schulentwickler/innen finden sich hilfreiche Hinweise zur Einrichtung von Arbeits- und Koordinierungsgruppen. Das Buch schließt mit Gelingensbedingungen für eine Medienkompetenzentwicklung von Lehrkräften in verschiedenen Phasen der Lehrerbildung, die entsprechend der Kompetenzentwicklung der Schüler/innen gestaltet werden sollte.

Mit „Medienbildung in Schule und Unterricht“ gelingt den Autor/innen die Neuauflage eines Standardwerks im Bereich der Medienpädagogik. Mit der Präsentation übergreifender Leitlinien und Grundprinzipien für das Arbeiten mit (digitalen) Medien an der Schule, liefern sie nicht nur die theoretischen Grundlagen, sondern tragen zu deren praktischen Umsetzung bei. Sie leisten damit einen wesentlichen Beitrag dafür, dass (angehende) Lehrkräfte kompetent und professionell, Medienbildung an der Schule umsetzen können und medienpädagogisches Handeln bei Schüler/innen konkret wird.
Annika Braun (München)
Zur Zitierweise der Rezension:
Annika Braun: Rezension von: Tulodziecki, Gerhard / Herzig, Bardo / Grafe, Silke: Medienbildung in Schule und Unterricht, Grundlagen und Beispiele 2. vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage . Bad Heilbrunn / Stuttgart: Julius Klinkhardt / UTB 2019. In: EWR 19 (2020), Nr. 1 (Veröffentlicht am 18.03.2020), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/978382525029.html