EWR 7 (2008), Nr. 5 (September/Oktober)

Thomas Eckert (Hrsg.)
Übergänge im Bildungswesen
Münster: Waxmann 2007
(314 S.; ISBN 978-3-8309-1867-7; 29,90 EUR)
Übergänge im Bildungswesen Der vorliegende Band versammelt 19 Beiträge der 68. Tagung der Arbeitsgruppe für empirische pädagogische Forschung zum Thema Übergänge im Bildungswesen und damit ein hochaktuelles Thema, das sich in den Kanon der aktuellen Forschungsdebatten und bildungspolitischen Diskussionen einreiht. Der Herausgeber betont einleitend, dass die Beiträge nur einen Ausschnitt der möglichen Themen und Fragestellungen zum Thema behandeln. Trotzdem wird in den 19 Artikeln auf über 300 Seiten ein vielschichtiges Themenspektrum bearbeitet. Die Einzelbeiträge lassen sich in vier Bereiche gruppieren: (1) Einnahme einer institutionellen sowie einer (2) individuellen Perspektive, (3) der Übergang in das tertiäre Bildungssystem und (4) in die Weiterbildung.

In den ersten fünf Beiträgen steht die institutionelle Komponente von Übergängen im Mittelpunkt, wobei in den ersten vier Arbeiten das Programm „Lernende Regionen“ besondere Berücksichtigung findet. Rudolf Tippelt thematisiert in seinem Beitrag die Bedeutung von Übergängen vor dem Konzept des Lebensverlaufs und formuliert Fragen zum Übergangsmanagement in regionalen Kontexten. Es wird deutlich, dass die Analyse von Übergängen einen disziplinübergreifenden Ansatz erfordert. Der Autor betont daher an verschiedenen Stellen, dass Theorie- und Disziplingrenzen überwunden werden müssen. Der Beitrag stellt einen allgemeinen Überblick auch für die folgenden drei Beiträge dar und formuliert Perspektiven für die Forschung.

Der Beitrag von Rainer Brödel, Harald Affeldt und Sebastian Niedlich stellt das Programm „Lernende Region“ näher vor. Es erfolgt eine Annäherung an den Begriff Übergangsmanagement und eine Konkretisierung des Übergangsbegriffs. Anschließend werden ausgewählte Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung referiert. Dabei wird deutlich, dass die Handlungsfelder des Übergangsmanagements einerseits in den Bereichen wie der Berufsorientierung und der Vermittlung in Weiterbildung liegen und andererseits auch in der Persönlichkeitsentwicklung für den Aufbau grundlegender biografischer Orientierung.

Helmut Kuwan vergleicht in seinem Beitrag das spezifische Profil des Bereichs „Übergänge in Lern- und Bildungsphasen“ mit anderen Sektoren des Projekts (z. B. Bildungsmarketing, Neue Lernwelten, Qualitätsmanagement) bezüglich der Verbreitung und der Breitenwirkung von Angeboten, der Priorisierung von Innovation sowie der Marktfähigkeit.

Im letzten Beitrag zum Programm „Lernende Regionen“ thematisieren Andrea Reupold, Peter Schönfeld und Claudia Strobel angewandte Strategien zum Themenfeld „Übergänge“ im Sinne von Best-Practice-Beispielen. Sie zeigen, wie Menschen, durch gezielte Zusammenarbeit verschiedener Partner, in Übergangssituationen unterstützt werden können.

Der Beitrag von Thomas Brüsemeister, Martin Heinrich und Jürgen Kussau verfolgt ebenfalls eine institutionelle Perspektive, allerdings vor dem Hintergrund schulischer Qualitätsentwicklung. Der Beitrag unterstreicht die lokale Governance-Perspektive, „mit der die Organisation Schule vor Ort und die Realisierung von Qualitätsstandards nicht als Implementation oder gar Vollzug begriffen wird, sondern als permanenter Übersetzungsprozess mit entsprechenden Übersetzungsabweichungen und -fehlern“ (79).

Die Beiträge der ersten Gruppe thematisieren unterschiedliche institutionelle Perspektiven und stellen so die zentrale Bedeutung des institutionellen Kontextes im Zusammenhang mit Bildungsübergängen heraus. Darüber hinaus werden theoretische Bezüge dargestellt, empirische Ergebnisse vor dem Hintergrund theoretischer Annahmen referiert und Praxisbezüge hergestellt.

Der Beitrag von Markus Neuenschwander eröffnet die zweite Gruppe von Beiträgen, in deren Mittelpunkt die individuelle Perspektive des Übergangs steht. Neuenschwander thematisiert Übergänge im Schweizer Schulsystem als eine Person-Umwelt-Passung und untersucht u. a. erwartungswidrige Übergänge. Theoretisch wird auf das Erwartung-mal-Wert-Modell von Eccles zurückgegriffen. Der Autor resümiert, dass die institutionellen Regeln des Übergangs offenbar einen stärkeren Einfluss auf die Fähigkeit, eine gute Passung nach dem Übergang herzustellen, haben als die individuellen Motivlagen.

Regina Scherrer, Sybille Bayard und Marlis Buchmann beschäftigen sich mit der Frage fehlender Passung von geäußertem Berufswunsch und besuchtem Schulniveau in der ersten Schwelle. Hierbei wird die Bedeutung der Peers untersucht, die in diesem Zusammenhang bislang wenig Beachtung gefunden haben. Die Ergebnisse zeigen, dass die These der gegenseitigen Anspornung oder Behinderung Gleichaltriger keine eindeutige Bestätigung findet.

Stephan Schumann untersucht Übergänge nach einer Berufsvorbereitung und fragt, ob Jugendliche nach einer Berufsvorbereitung in eine vollqualifizierende Berufsausbildung übergehen und wie erfolgreich sie beim Nachholen allgemeinbildender Schulabschlüsse sind. In den ersten zweieinhalb Jahren nach Beendigung einer Berufsvorbereitung geht ca. die Hälfte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in eine Ausbildung über, allerdings von diesen nur ca. ein Drittel in eine betriebliche Ausbildung. Insgesamt spricht der Beitrag ein schwieriges und komplexes Thema an, zu dem bislang wenig empirisches Material vorliegt. Es werden verschiedene Probleme thematisiert (z. B. mehrfaches Durchlaufen von Maßnahmen), die bei der empirischen Analyse und der Interpretation beachtet werden müssen.

Der Übergang von Hauptschülerinnen und -schülern in den Beruf wird von Birgit Reißig und Nora Gaupp mit den Daten des DJI-Übergangspanels bearbeitet. In ihren Analysen untersuchen die Autoren zum einen die Ausbildungspläne und können zeigen, dass Hauptschülerinnen und -schüler eine klare Ausrichtung normalbiografischer Übergangsverläufe aufweisen. Zum anderen geht es um den Einfluss individueller Bildungsvoraussetzungen, der sozialen Herkunft und der elterlichen Unterstützung sowie der ethnischen Herkunft auf den Übergang in die Ausbildung. Die entsprechenden Ergebnisse stützen die dokumentierten Befunde zur Wirkungsweise dieser Indikatoren.

Ebenfalls mit den Daten des DJI-Übergangspanels untersucht Jan Skrobanek, ob der Übergang von der Schule in den Beruf zu Diskriminierungswahrnehmungen ethnischer Gruppen führt. Eine gelingende Integration im Übergang von der Schule in den Beruf verringert die Gefahr, dass sich Jugendliche mit Migrationshintergrund benachteiligt fühlen und sich auf ihre Herkunftsgruppe rückbeziehen.

Christian Imdorf beschreibt die Bedeutung schulischer Qualifikationen für eine erfolgreiche Lehrstellensuche aus der Sicht kleiner und mittlerer Unternehmen in der Schweiz. Dem Beitrag liegt ein organisationstheoretisches Verständnis von Bildungserfolg zugrunde, wonach schulische Qualifikationen in Abhängigkeit besonderer betrieblicher Sachzwänge selektionsrelevant werden. Die Ergebnisse verweisen auf den Stellenwert schulischer Qualifikationen als Legitimationsressource betrieblicher Entscheidungen.

Die dritte Gruppe mit einem Fokus auf den Hochschulbereich beginnt mit einem Beitrag von Jürgen Abel, der in einer kleinen Studie zum Übergang vom Gymnasium in ein Chemiestudium die Bedeutung der Interessen herausstellt, die für die Aufnahme des Chemiestudiums vor allem ausschlaggebend sind.

Christine Hörmann und Michael Henninger stellen eine empirisch fundierte Studienangebotsentwicklung für einen BA-Studiengang vor und beschreiben (auf Basis einer weiterentwickelten Delphi-Methode), wie „die Ausrichtung des Studienangebots und zentrale Gestaltungshinweise gewonnen und in ein bedarfsorientiertes Angebot integriert werden können“ (209).

Der Beitrag von Christian Tarnai, Nadja Pfuhl und Pamela Bergmann beschäftigt sich mit der Einschätzung der Wichtigkeit beruflicher Kenntnisse und Studieninhalte aus der Sicht von Absolventen eines Pädagogikstudiums unter besonderer Berücksichtigung von Absolventen der Universitäten der Bundeswehr. Ein Großteil der Absolventen der Bundeswehr strebt nach dem Dienst eine Beschäftigung in den Arbeitsfeldern Personalwesen/Organisationsentwicklung und berufliche Aus- und Weiterbildung an. Die ehemaligen Offiziere sehen insgesamt eine hohe Verwertbarkeit ihres Studiums für ihre anschließende Tätigkeit. Die Autoren resümieren, dass die vorliegenden Ergebnisse als ein Hinweis darauf interpretiert werden können, dass die Hochschulausbildung der Offiziere einen moderierenden Faktor für den Übergang in das spätere Arbeitsleben darstellt.

Im letzten Beitrag, der dem Hochschulbereich zuzuordnen ist, beschäftigt sich Susanne Martinuzzi mit dem Berufseinstieg von Wiener Volksschullehrerinnen und -lehrern. Bezüglich des Schwierigkeitsempfindens und den Fortbildungsinteressen konnten keine gravierenden Unterschiede zwischen Berufseinsteigern und routinierten Lehrkräften festgestellt werden. Als besonders bedeutsam haben sich vor allem die ersten beiden Jahre Berufserfahrung herausgestellt, in der Berufseinsteigern Unterstützung angeboten werden sollte.

Die letzten vier Beiträge beschäftigen sich mit einem besonderen Aspekt in der Übergangsforschung, der Weiterbildung. Thomas Eckert kommt nach Sekundäranalysen des Berichtssystems Weiterbildung zu dem Schluss, dass es bei den Teilnahmequoten der beruflichen und allgemeinen Weiterbildung deutliche Kohorteneffekte gibt. Des Weiteren deuten die Ergebnisse darauf hin, dass sich die Aufnahme einer allgemeinen Weiterbildung eher durch eine Selbstselektion als durch eine Fremdselektion erklären lässt.

Bernhard Schmidt analysiert die Weiterbildung älterer Erwerbstätiger und zeigt, dass sich die Befunde zur Vorhersage der Weiterbildungsaufnahme zwischen älteren Erwerbstätigen und den übrigen Erwerbstätigen nicht wesentlich voneinander unterscheiden.

Sandra Schaffert beschäftigt sich mit der Weiterbildungsbeteiligung von Frauen in der Familienphase. Der Beitrag stellt die Wichtigkeit der beruflichen Weiterbildung von Frauen heraus, thematisiert aber auch das Für und Wider beruflich relevanten Lernens in der Familienphase.

Im letzten Beitrag stellt Dieter Gnahs ausgewählte Befunde und den Planungsstand einer international vergleichenden Studie (PIAAC) vor, in der es auch um Weiterbildung geht. Allerdings handelt es sich hier weniger um eine Studie zur Analyse von Bildungsübergängen, als vielmehr um eine Studie zur Kompetenzmessung bei Erwachsenen. Bevor auf die Zielsetzung dieser Studie eingegangen wird, werden auch andere relevante Studien (IALS, ALL, PISA) skizziert.

Mit dem vorliegenden Herausgeberwerk liegt ein Buch vor, das sich von anderen Publikationen der Übergangsforschung abhebt. Es ist auffällig, dass kein Beitrag aus den großen interdisziplinären Forschungsprojekten zum Übergang von der Grundschule in die weiterführenden Schulen des Sekundarschulsystems in diesem Herausgeberwerk vorzufinden ist. Dies ist aber kein Nachteil, denn insgesamt gelingt es dem Band, durch ein weites Spektrum von Bildungsübergängen unterschiedliche Aspekte zur Analyse von Übergängen zu vereinen, die in der Übergangsforschung bislang eher selten anzufinden sind. Zu nennen sind hier unter anderem die Berücksichtigung der Peers im Übergangsprozess, die Analyse von Bildungsübergängen von Absolventen der Hauptschule, der regionale Kontext und der Bereich der Weiterbildung. Insofern werden in den einzelnen Beiträgen zentrale Forschungsdesiderate aufgegriffen.

Gleichwohl finden aktuelle Entwicklungen der Übergangsforschung nur in einigen Beiträgen des Buches explizite Berücksichtigung. Dies bezieht sich zum einen auf die Theoriebildung zu den Übergangsprozessen, die in den letzten Jahren weit vorangeschritten ist, und zum anderen auf den empirischen Forschungsstand und die in diesem Zusammenhang zu erwähnende Methodenentwicklung.

Die einzelnen Beiträge sind durchaus heterogen. So wird in einigen Beiträgen dem methodischen Vorgehen und der Instrumentierung kein oder nur wenig Platz gewidmet. Auch kommt die Beschreibung der Analysestrategie, insbesondere bei der Anwendung multivariater Verfahren, in einigen Beiträgen zu kurz. Schließlich fällt auf, dass den Tabellen und Abbildungen kein einheitliches Format zugrunde liegt. Neben unterschiedlichen Darstellungsformen variiert auch der Informationsgehalt der Tabellen zwischen den einzelnen Beiträgen stark (vom Kenntlichmachen eines Effektes durch ein Kreuz bis zur Angabe des Wahrscheinlichkeitsniveaus bei multivariaten Analysen).

Es bleibt festzustellen, dass die Einleitung des Bandes insgesamt sehr knapp gehalten ist. Wünschenswert wäre sicher ein etwas ausführlicherer Einstieg in das Thema des Bandes, wobei zum Beispiel auch auf theoretische Entwicklungslinien hingewiesen wird, um das Buch besser in den Kontext der aktuellen Übergangsforschung zu verorten und es dem Leser zu erleichtern, den „roten Faden“ besser verfolgen zu können. Wünschenswert wäre des Weiteren am Schluss ein zusammenfassendes Kapitel, in dem noch einmal der „rote Faden“ des gesamten Bandes aufgegriffen wird und Forschungsausblicke bzw. Forschungsfragen benannt werden.
Kai Maaz (Berlin)
Zur Zitierweise der Rezension:
Kai Maaz: Rezension von: Eckert, Thomas (Hg.): Ãœbergänge im Bildungswesen. Münster: Waxmann 2007. In: EWR 7 (2008), Nr. 5 (Veröffentlicht am 09.10.2008), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/978383091867.html