EWR 15 (2016), Nr. 1 (Januar/Februar)

Nils Berkemeyer / Wilfried Bos / Hanna Järvinen / Veronika Manitius / Nils van Holt (Hrsg.)
Netzwerkbasierte Unterrichtsentwicklung
Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitforschung zum Projekt „Schulen im Team“
Münster: Waxmann 2015
(192 S.; ISBN 978-3-8309-2306-0; 29,90 EUR)
Netzwerkbasierte Unterrichtsentwicklung Die Kooperation von Einzelschulen in Netzwerken hat sich national und international zu einem bedeutenden Ansatz der Schulentwicklung herausgebildet. In den vergangenen Jahren sind im deutschsprachigen Raum eine Reihe von Konzepten umgesetzt worden, die bei aller spezifischen Ausgestaltung auf der zentralen Idee basieren, dass Einzelschulen häufig nicht über genügend eigene Ressourcen zur Schulentwicklung verfügen. Einer schulischen Vernetzung wird demgegenüber trotz des individuellen Entwicklungsbedarfs der einzelnen Schulen großes Potential für die Schulentwicklung zugesprochen. Über die faktische Wirksamkeit von Schulnetzwerken für (auch innerschulische) Entwicklungsprozesse liegen bislang gleichwohl wenige empirische Befunde vor.

Der hier rezensierte Herausgeberband zieht aus Sicht der wissenschaftlichen Begleitforschung Bilanz zu einem Vernetzungsprojekt, das von 2007 bis 2010 in Nordrhein-Westfalen unter dem Titel „Schulen im Team“ durchgeführt wurde. In vier Duisburger und sechs Essener Netzwerken arbeiteten insgesamt 40 Schulen gemeinsam an ihrer fachbezogenen Unterrichtsentwicklung. Das Projekt wurde von der Stiftung Mercator finanziell gefördert und vom Institut für Schulentwicklungsforschung (IFS) der TU Dortmund wissenschaftlich begleitet. Der Band fasst in fünf Kapiteln die (theoretischen) Hintergründe und die zentralen Ergebnisse des Projekts zusammen.

Das erste Kapitel von Nils Berkemeyer und Wilfried Bos führt in die Konzeption und Hintergründe des Projekts und dessen Begleitforschung ein. Entscheidend für das Zustandekommen der Schulnetzwerke waren neben der lokalen Nähe der Schulen gemeinsame Entwicklungsinteressen. Das Projektprinzip der Selbstorganisation sah vor, dass die Netzwerke ihre Entwicklungsarbeit weitestgehend selbst organisierten, wobei je zwei Lehrkräfte als Koordinatoren die Einzelschulen im Netzwerk repräsentierten. Die Steuerung durch das IFS der TU Dortmund erfolgte vor allem indirekt, etwa durch Fortbildung der Koordinatoren, Workshops und Beratungsgespräche. Der Fokus des Projekts wurde durchaus eng gelegt: Die Unterrichtsentwicklung bezog sich zumeist auf ein Unterrichtsfach in einem oder zwei Jahrgängen und hierbei auf einen spezifischen Themenkomplex. Jedem Netzwerk wurden von der Stiftung Mercator 20.000 Euro pro Jahr für die Entwicklungsarbeit zur Verfügung gestellt.

In der sowohl quantitativen als auch qualitativen Begleitforschung zum Projekt wurden vier Wirkungsebenen unterschieden, deren Ergebnisse übersichtlich in vier Kapiteln des Bandes dargestellt werden. Neben der Ebene der Netzwerke und der Einzelschulen wurden die Nutzung der in den Netzwerken erarbeiteten Materialien im Unterricht sowie im Sinne des Outcomes mögliche motivationale, interessens- und kompetenzbezogene Veränderungen bei den Schülerinnen und Schülern in den Blick genommen.

Hanna Järvinnen, Veronika Manitius, Kathrin Müthing und Nils Berkemeyer stellen Ergebnisse auf der Netzwerkebene vor: Im Rahmen einer Fragebogenerhebung zu drei Messzeitpunkten und mithilfe von teilstrukturierten Telefoninterviews wurde untersucht, wie die Koordinatoren der Einzelschulen die Zusammenarbeit in den Netzwerken erlebten und ob sie bei sich selbst Lernprozesse feststellten. Die Befunde fallen insgesamt positiv aus und zeigen, dass die Kooperation in den Netzwerken als effektiv, gewinnbringend und vertrauensvoll eingeschätzt wurde. Als konkrete Nutzenaspekte wurde z. B. das Entstehen neuer Produkte zur Unterrichtsgestaltung beschrieben. Die Ergebnisse deuten außerdem darauf hin, dass netzwerkbezogene Lernprozesse bei den Koordinatoren stattfanden, wobei keine Aussagen über die Qualität und Tiefe gemacht werden konnten. Eine im Kontext des Lernens in den Netzwerken selbst entwickelte Skala scheint faktoriell valide zu sein, allerdings werden die entsprechenden Kennwerte der konfirmatorischen Faktorenanalyse in dem Beitrag nicht berichtet.

Inwiefern die Ergebnisse der Netzwerkarbeit in die Einzelschulen transferiert werden konnten, berichten Nils Berkemeyer und Nils van Holt. Aufbauend auf einer fundierten theoretischen Rahmung des Themas werden die Ergebnisse der schriftlichen und mündlichen Befragungen der Netzwerkkoordinatoren sowie der Fachlehrkräfte der Schulen vorgestellt. Beide Personengruppen sind überzeugt, dass die in den Netzwerken erarbeiteten Konzepte und Inhalte in den Fachgruppen der Schulen und im Fachunterricht übernommen wurden. Welche Faktoren für die Implementation maßgeblich sind, sollte zusätzlich im Rahmen eines Strukturgleichungsmodells analysiert werden. Das spezifizierte Wirkungsmodell ließ sich allerdings mit den vorliegenden empirischen Daten nur unzureichend überprüfen, so dass die Autoren richtigerweise selbst von einer Interpretation der im Modell angenommenen Zusammenhänge absehen.

Nils van Holt, Nils Berkemeyer und Wilfried Bos widmen sich in ihrem Beitrag der zentralen Frage nach den Wirkungen des Projekts auf die Einstellungen und Kompetenzentwicklungen der Schülerinnen und Schüler. Die Ergebnisse der im Experimental-Kontrollgruppen-Design konzipierten Studie fallen unterschiedlich aus: Im Hinblick auf den Kompetenzzuwachs konnten in sechs Netzwerkgruppen positive Effekte nachgewiesen werden, insbesondere in den sprachlichen Fächern. In einem Fall zeigten sich weder positive noch negative Wirkungen. Für zwei Netzwerke ließen sich gar keine positiven Leistungsentwicklungen ausmachen. Vor allem der Schwerpunkt der Leseförderung scheint erfolgreich gewesen zu sein: Hier konnten im Gegensatz zur Kontrollgruppe hoch effektrelevante Leistungszuwächse für die Treatmentgruppe belegt werden.

Die Schülereinstellungen wurden durch verschiedene Aspekte der Motivation und des fachspezifischen Selbstkonzepts erfasst, wobei unklar bleibt, warum diese als Einstellungen bezeichnet werden bzw. unter dieser Überschrift subsumiert werden und konzeptuell nicht tatsächlich als motivationale Aspekte bzw. selbstbezogene Kognitionen bestimmt werden. Eine Auseinandersetzung mit dem Einstellungsbegriff erfolgt nicht. Die Ergebnisse in diesem Bereich verdeutlichen, dass die Fähigkeitsselbstkonzepte und die Motivation der Schülerinnen und Schüler insgesamt hoch ausgeprägt sind. Veränderungen oder effektrelevante Unterschiede konnten hingegen nicht nachgewiesen werden.

Das letzte Kapitel von Veronika Manitius, Robin Junker und Nils Berkemeyer thematisiert die Entwicklungsverläufe und die Nachhaltigkeit der schulischen Netzwerke. Die Auswertungen von Barometereinschätzungen, Befragungen der Netzwerkkoordinatoren und Dokumentenanalysen zeigen, dass alle Teilnetzwerke inhaltlich in ihrem Netzwerk arbeiteten, wobei es im Projektverlauf auch zu Neuausrichtungen und Weiterentwicklungen kam. Alle zehn Netzwerke verlängerten das Projekt um ein weiteres Jahr und setzten ihre Netzwerkarbeit fort. Außerdem wurde die Absicht geäußert, zukünftig weiter zusammenzuarbeiten.

Insgesamt gesehen präsentiert der Band fundiert dargestellte Ergebnisse hinsichtlich der Wirksamkeit des zeitlich vergleichsweise kurzen Projekts „Schulen im Team“. Er bietet im Sinne einer Bilanz einen übersichtlich strukturierten Einblick in die Hintergründe und die Befunde der wissenschaftlichen Begleitforschung und macht dabei deutlich, wie hoch die Entwicklungs- und vor allem die Kooperationsbereitschaft der Schulen sein muss, um ein solches Schulentwicklungsprojekt zu einem Erfolg zu machen. Es kann erwartet werden, dass derartige Projekte einer netzwerkbasierten Zusammenarbeit von Einzelschulen in Zukunft zunehmen werden.
Andreas Bach (Salzburg)
Zur Zitierweise der Rezension:
Andreas Bach: Rezension von: Berkemeyer, Nils / Bos, Wilfried / Järvinen, Hanna / Manitius, Veronika / Holt, Nils van (Hg.): Netzwerkbasierte Unterrichtsentwicklung, Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitforschung zum Projekt „Schulen im Team“. Münster: Waxmann 2015. In: EWR 15 (2016), Nr. 1 (Veröffentlicht am 04.02.2016), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/978383092306.html