Heißt es nun der, die oder das Workload? Glaubt man dem Ergebnis einer Suchmaschinenanfrage im Internet, so hat sich hierzulande die maskuline Form durchgesetzt. Für „der Workload“ werden ungefähr 17.400 Treffer anzeigt, für „die Workload“ sind es mit etwas unter 9.000 gerade mal halb so viele. Lediglich „das Workload“ liegt mit 4.400 Treffern ziemlich abgeschlagen, sodass man mit gewisser Sicherheit annehmen kann, welches Genus Workload jedenfalls nicht hat. Auch wenn sich die Herausgeber an der deutschen Übersetzung „Arbeitslast“ oder „Arbeitsbelastung“ orientiert haben mögen und den vorliegenden Sammelband mit „Die Workload im Bachelor“ betiteln, wird in dieser Rezension auf die geläufigere, maskuline Form zurückgegriffen, so wie der Begriff z.B. auch im Sinne von „Arbeitsaufwand“ von der Hochschulrektorenkonferenz verwendet wird.
Die hier rezensierte Veröffentlichung beinhaltet neben einem kurzen Vorwort elf Beiträge von Mitarbeiter(inne)n und Projektpartnern der ZEITLast-Studie, die im Zeitraum 01.04.2009 bis 31.03.2012 unter der Leitung von Rolf Schulmeister und Christiane Metzger vom Zentrum für Hochschul- und Weiterbildung der Universität Hamburg durchgeführt wurde.
Die elf Beiträge werden vier Abschnitten zugeordnet. Unter der Überschrift „Empirische Untersuchung der studentischen Workload im Bachelor durch Zeitbudget-Analysen“ wird neben dem Hauptbeitrag von Schulmeister / Metzger ein Kapitel von Groß zu Themenwechseln und Zeitlücken im Studienalltag präsentiert. Im Teil „Befragungen“ folgen ein Aufsatz von Groß / Boger zum subjektiven Belastungsempfinden von Studierenden sowie ein in weiten Teilen theoretisch-analytischer Beitrag von Wagner / König, der die Ergebnisse mehrerer Untersuchungen system- bzw. organisationstheoretisch zu kontextualisieren versucht. Daran schließen sich „Didaktische Überlegungen und Konsequenzen“ sowie die „Beschreibung der untersuchten Studiengänge“ an den Standorten Hamburg, Hildesheim, Ilmenau, Mainz und Paderborn an.
Im ersten Beitrag konzentrieren sich Schulmeister und Metzger im Wesentlichen auf die Analyse und Kritik des Forschungsstandes, die theoretische Herleitung und Erläuterung der durchgeführten ZEITLast-Studie sowie die Darstellung zentraler Ergebnisse. Der Beitrag von Groß zu Themenwechseln und Zeitlücken im Studienalltag liefert den Befund, dass die den Studierenden zur Verfügung stehende Zeit zwischen Präsenzveranstaltungen unabhängig von Standort oder Studiengang in erster Linie für private Tätigkeiten genutzt wird (149).
Groß / Boger widmen sich dem subjektiven Belastungserleben von Studierenden. Mit Bezugnahme auf einschlägige Belastungsskalen, z.B. dem AVEM von Schaarschmidt / Fischer [1], wurden verschiedene Teilpopulationen an der Universität Mainz zum Teil mehrfach befragt. Die Auswertungen offenbaren, dass die vornehmlich von Bachelorstudierenden zu vernehmende Überlastung im Vergleich mit „Altstudiengängen“ empirisch nicht belegt werden kann. Damit wird nicht behauptet, dass es unter Studierenden keinerlei studienbedingte Belastung gäbe, sondern nur, dass sich diese unabhängig von der Studienstruktur bemerkbar macht.
Etwas aus der Reihe fällt der Aufsatz von Wagner und König, da die Autoren sich der Aufgabe widmen, Ergebnisse aus ZEITLast und zwei weiteren Befragungen aus organisations- bzw. systemtheoretischer Perspektive zu kontextualisieren und Konsequenzen für verbesserte Lehr- und Studienbedingungen abzuleiten. Dem Verständnis dieses Kapitels sind Kenntnisse von Details und Ergebnissen der ZEITLast-Studie sehr zuträglich, da die abgeleiteten Interpretationen und Empfehlungen in der insgesamt gelungenen Analyse ansonsten der Gefahr ausgesetzt sind, als bloße Annahmen und Behauptungen missverstanden werden zu können.
Auflockernd und für die Gestaltung von Lehre zumindest teilweise von Bedeutung sind die didaktischen Überlegungen und Konsequenzen im dritten Teil. Krömker et al. untersuchen im Rahmen des ZEITlast-Projekts an der TU Ilmenau die psychische Belastung von Studierenden und erproben und evaluieren lehrorganisatorische und methodisch-didaktische Interventionen im ingenieurwissenschaftlichen Studium. Metzger nimmt die ZEITLast-Befunde zum Anlass, sich mit motivationalen und lehr-lern-theoretischen Voraussetzungen für gelingende Selbstlernprozesse auseinanderzusetzen.
Hintergrund der empirischen Studie ZEITLast zu Zeitbudget und Studierverhalten ist die mit den Bologna-Reformen verbundene Einführung von Bachelor und Master und die Orientierung am European Credit Transfer System (ECTS) zur Erhöhung von Vergleichbarkeit und Leistungsgerechtigkeit. Dem Workload kommt in diesem System eine zentrale Bedeutung zu, erlaubt er doch, den studentischen Arbeitsaufwand über objektive Zeiteinheiten messbar zu machen. Wie die vorliegende Studie bemängelt, geschieht dies jedoch „ohne dass sich jemand die Mühe gemacht hätte, dieses Zeitprinzip und alle davon abhängigen Komponenten, die dann ebenfalls in Begriffen von Zeit definiert werden wie Lehrveranstaltung, Modulprüfung, Lektürelisten, Selbststudium, tatsächlich zu messen“ (20). Nicht zu übersehen seien unerwünschte Nebeneffekte, wie eine Verstärkung der wahrgenommenen Leistungsanforderungen und erhöhte Arbeitsbelastung sowie der Anstieg von Studienabbrüchen insbesondere in Bachelorstudiengängen.
Das zentrale Ziel der Studie liegt in der empirischen Deskription des studentischen Workloads durch Einsatz verschiedener qualitativer und quantitativer Methoden. Im Mittelpunkt steht die auf 15 Minuten genaue Erfassung des studentischen Zeitbudgets. Die Untersuchung wurde drei Semester lang mit teilweise unterschiedlichen Studiengängen zu den verschiedenen Semestern an ausgewählten Universitäten durchgeführt. Je Semester wurden jeweils ca. 130 Studierende einbezogen. Für jeden Teilnehmenden kann für mehr als 150 Tage genau angegeben werden, welcher studienbezogenen und extracurricularen Aktivität wie lange nachgegangen wurde. Um eine hohe Datenqualität zu sichern, wurde in der ZEITLast-Studie allerhand Aufwand betrieben, der tägliche Plausibilisierungen und unmittelbares Feedback sowie Teilnahme-Erinnerungen an die einbezogenen Studierenden, also insgesamt auch eine hohe soziale Kontrolle, beinhaltetet. Ein Teil der Proband(inn)en erhielt für die Beteiligung außerdem eine Aufwandsentschädigung oder als weiteren Anreiz die Teilnahme an Workshops zum Zeit- und Selbstmanagement angeboten.
Zusammenfassend kommt man zu folgenden Ergebnissen: Die Autoren weisen sehr detailliert nach, dass die Lernzeit von Studierenden erheblich schwankt, und zwar nicht nur nach Semesterphase (z.B. zu Beginn, in der Prüfungszeit und der Nach-Prüfungszeit sowie in der Vorlesungs- und der vorlesungsfreien Zeit), monats-, wochen- und sogar tageweise, sondern zudem auch zwischen Studiengängen, zwischen Lehrveranstaltungen und zwischen Studierenden. Außerdem unterscheidet sich die Art der im Selbststudium getätigten Aufgaben z.B. nach Studiengang, da in den Geisteswissenschaften Referate und Präsentationen verbreiteter sind; in Mathematik, den Natur- und Ingenieurwissenschaften ist es das Lösen von Aufgaben. Unabhängig davon zeigen die Daten, „dass eine kontinuierliche Mitarbeit im Sinne eines konsistenten Selbststudiums nicht realisiert wird“ (86). Darüber hinaus wird festgestellt, dass sich andere Faktoren, z.B. studentische Erwerbstätigkeit, kaum auf den Workload auswirken: Den Autoren zufolge würde im Durchschnitt so unerwartet wenig gearbeitet, dass die Klage über Belastung im Studium durch „notwendige Erwerbstätigkeit (...) aufgrund des mangelhaften Stipendienwesens“ (95) nicht nachvollzogen werden kann.
Ohne Zweifel kann man der ZEITLast-Studie ein aufwendiges Design attestieren, das einen sehr detaillierten Eindruck über die von Studierenden für verschiedene Studienaktivitäten (im weitesten Sinne) verwendete Zeit liefert. Aufgrund der insgesamt sehr übersichtlichen Stichprobengröße in nicht zufällig ausgewählten Studiengängen an einer Handvoll Hochschulen zu unterschiedlichen Zeitpunkten dürften die Befunde jedoch kaum für alle Bachelorstudierenden verallgemeinert werden können.
Die teils sehr harsche Kritik an einigen (nationalen) Studien, in denen u.a. auch die von Studierenden verwendete Zeit erfasst wird, wirkt allerdings etwas unangemessen, zumal dann andere, vorwiegend anglo-amerikanische Studien zwar referiert, die dort angewandten Methoden aber weder diskutiert noch mögliche Einschränkungen in der Brauchbarkeit der Ergebnisse reflektiert werden. Es ist selbstverständlich richtig, dass die retrospektive Erfassung von Zeitverwendung – und hierauf richtet sich die Hauptkritik der ZEITLast-Autor(inn)en an den vorliegenden Zeitbudgeterhebungen – durch gewisse Schwierigkeiten gekennzeichnet ist. Auf Probandenseite können Erinnerungseffekte oder soziale Erwünschtheit zu Verzerrungen führen und methodisch kann man darüber streiten, ob man Studierende nach einer für sie typischen Woche fragen darf. Mit ihrem fast schon qualitativen Design vermeidet die vorliegende Studie diese Probleme. Noch genauer wäre vermutlich nur, die Probanden auf Schritt und Tritt zu verfolgen.
Es ist plausibel – und die ZEITLast-Studie belegt es – davon auszugehen, dass es je nach Studiengang und Studienphase, Semester und Jahreszeit sowie weiteren denkbaren Einflüssen zu Schwankungen in der in Zeiteinheiten gemessenen Lernleistung kommt. Die Autoren kommen aber auch zu dem Schluss, dass der für eine hohe Datenqualität betriebene Aufwand „selbstverständlich nur für kleine Stichproben durchgeführt werden“ (42) kann. Für große Querschnittsbefragungen, in denen der studentische Zeithaushalt nicht im Zentrum der Analyse steht, sondern lediglich ein Indikator unter vielen ist, dürften auch weniger aufwandsintensive Verfahren durchaus angemessen sein. Die Genauigkeit in der Erfassung studentischer Aktivitäten hilft ja offensichtlich auch nicht immer weiter: So stellen die Autoren fest, dass „es sich schlecht interpretieren [lässt], ... wenn ein Studierender praktisch nicht liest, aber viel schreibt, während ein anderer viel liest, aber kaum schreibt, während ein dritter offenbar nur Referate hält, für die er weder lesen noch viel schreiben muss“ (89).
Schließlich ist kritisch anzumerken, dass die Autor(inn)en davon ausgehen, ein nicht-reaktives Verfahren anzuwenden (38). Es ist schwerlich zu glauben, dass die Beschäftigung mit der eigenen Zeitverwendung keinerlei Auswirkungen auf dieselbe haben sollte. Außerdem wurde den Proband(inn)en zumindest teilweise die Teilnahme an Zeitmanagement-Seminaren ermöglicht. Es klingt nicht besonders plausibel, dass dies keinen Einfluss auf den zentralen Fokus der Untersuchung haben sollte, zumal im Untersuchungsverlauf auch eine Minimierung der Streuung der Lernzeiten zu beobachten ist. Eine etwas selbstkritischere Einordnung der Ergebnisse hätte der Publikation an mancher Stelle gut zu Gesicht gestanden.
Fazit:
Die Studie verfolgt einen interessanten Ansatz in einem Untersuchungsfeld, in dem subjektive Fehleinschätzungen besonderes Gewicht haben können. Die in die Studie einbezogenen Studierenden liefern interessante Befunde über die zu verzeichnende Streuung investierter Studienzeit, wodurch die Sinnhaftigkeit des Workload-Ansatzes für die Ermittlung und Bemessung von Studienleistungen ggf. neu diskutiert werden muss. Die Ergebnisse sind gleichwohl alles andere als repräsentativ. Vielleicht kommt man nicht umhin, sich – wie beispielsweise PISA & Co. oder die im Bereich der Lehrerbildung geführten Diskussionen zeigen – auch in der Hochschulforschung insgesamt stärker auf den Output zu konzentrieren: Letztlich ist es nachrangig, wie viel Zeit die Studierenden wofür einsetzen. Entscheidend ist vielmehr, was sie hinterher können und wissen.
[1] Schaarschmidt, U. / Fischer. A. W. (2001): Bewältigungsmuster im Beruf. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht.
EWR 11 (2012), Nr. 6 (November/Dezember)
Die Workload im Bachelor: Zeitbudget und Studierverhalten
Eine empirische Studie
MĂĽnster / New York / MĂĽnchen / Berlin: Waxmann 2011
(360 S.; ISBN 978-3-8309-2516-3; 34,90 EUR)
Andreas Ortenburger (Hannover)
Zur Zitierweise der Rezension:
Andreas Ortenburger: Rezension von: Schulmeister, Rolf / Metzger, Christiane (Hg.): Die Workload im Bachelor: Zeitbudget und Studierverhalten, Eine empirische Studie. MĂĽnster / New York / MĂĽnchen / Berlin: Waxmann 2011. In: EWR 11 (2012), Nr. 6 (Veröffentlicht am 28.11.2012), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/978383092516.html
Andreas Ortenburger: Rezension von: Schulmeister, Rolf / Metzger, Christiane (Hg.): Die Workload im Bachelor: Zeitbudget und Studierverhalten, Eine empirische Studie. MĂĽnster / New York / MĂĽnchen / Berlin: Waxmann 2011. In: EWR 11 (2012), Nr. 6 (Veröffentlicht am 28.11.2012), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/978383092516.html