EWR 14 (2015), Nr. 6 (November/Dezember)

Meike Kricke / Louisa KĂĽrten (Hrsg.)
Internationalisierung der LehrerInnenbildung
Perspektiven aus Theorie und Praxis
LehrerInnenbildung gestalten, Band 6
MĂĽnster / New York: Waxmann 2015
(192 S.; ISBN 978-3-8309-3235-2; 21,90 EUR)
Internationalisierung der LehrerInnenbildung Die in den letzten Jahren zu verzeichnende zunehmende Diversität im Bildungsbereich macht auch nicht vor den Hochschulen halt, die wiederum durch verschiedenste Internationalisierungsstrategien versuchen, auf diese zu reagieren. Unter Internationalisierung wird dabei sowohl der individuelle Zuwachs an interkulturellen Erfahrungen und Kenntnissen bei den Studierenden und Dozierenden als auch die Haltungsfrage zur Interkulturalität an der Universität bzw. in der LehrerInnenbildung verstanden. Bisher weitgehend vernachlässigt – so die Ausgangsthese des hier rezensierten Sammelbandes – wurde dabei die Internationalisierung der LehrerInnenbildung, obwohl an vielen Standorten Lehramtsstudierende den größten Anteil an Studierenden ausmachen. Der Sammelband geht daher den Grundfragen nach, warum gerade die Internationalisierung der LehrerInnenbildung so schwierig ist und welche Möglichkeiten sich bieten, Lehramtsstudierende durch Internationalisierung auf eine heterogene Schülerschaft vorzubereiten.

Nach zwei ausführlichen, jedoch auch sehr ähnlichen Einleitungen gliedert sich der Band in drei Teile. Im ersten Teil „Theoretische Perspektiven“ wird mithilfe von vier Beiträgen, von denen zwei in englischer Sprache verfasst sind, der Entwicklungs- und Forschungsstand zum Thema Internationalisierung im Kontext der LehrerInnenbildung aufgezeigt. Der zweite Teil „Perspektiven aus der Praxis“ umfasst fünf Beiträge (einer auf Englisch) und liefert Praxis- bzw. Projektbeispiele zu ersten Versuchen der Umsetzung von Internationalisierung. Im dritten Teil „Studierendenperspektiven“ finden sich zwei Auslandserfahrungsberichte. Der Band, der von den Herausgeberinnen als „internationales Buchprojekt“ deklariert wird, entstand im Anschluss an eine DAAD-Tagung zum Thema im Jahr 2013, welche am Zentrum für Lehrerbildung der Universität zu Köln ausgerichtet wurde.

Der erste Teil beschäftigt sich mit theoretischen Perspektiven. Dabei werden verschiedene Zugänge zum Feld, Ausgangspunkte sowie (bildungspolitische) Ziele der Internationalisierung in der LehrerInnenbildung aufgezeigt. Der erste Beitrag von Pachler und Redondo verortet das Thema Internationalisierung interessanterweise bildungstheoretisch, denn nach ihrer Meinung steht Internationalisierung im Zentrum von Bildung: „internationalisation goes to the heart of the role of education […]“ (19). Der zweite Beitrag von Baedorf liefert empirische Befunde zur Internationalisierung, die aufzeigen, dass vor allem Lehramtsstudierende eher „unmobil“ sind. Nennenswert sind hier die Passagen, die einen Zusammenhang zwischen stabilen Persönlichkeitsmerkmalen der Studierenden und ihrer „Ablehnung“ gegenüber Auslandsaufenthalten aufzeigen. Der Empfehlung des Autors, v.a. Initiativen und Programme mit dem Schwerpunkt der Internationalisierung an der Heimatuniversität (at home) weiterzuentwickeln, da die Persönlichkeit der Studierenden nur schwer veränderbar sei, kann man sich aufgrund der skizzierten Datenlage nur anschließen. Der dritte Beitrag von Budak, Çakmak und Gündü greift im Wesentlichen Aspekte des ersten Artikels auf, führt ihn, unterstützt durch empirische Belege, fort und verdichtet die bisher gewonnenen Erkenntnisse zu einem theoretischen Modell. Der erste Teil schließt mit einem von Engelhardt und Neubert geführten Interview. Vertreterinnen und Vertretern des Zentrums für Internationale Beziehungen an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln nehmen u.a. Stellung zu Fragen der Mobilität von Lehramtsstudierenden sowie von Lehramtsausbildenden (ein oft vergessener, aber wichtiger Blickwinkel, denn Dozierende sind mit ihren Erfahrungen Vorbilder für Lehramtsstudierende). Diese „Momentaufnahme“ hätte eher den Band oder den folgenden Praxisteil einleiten sollen, hier im Theorieteil wirkt sie fehl am Platz. Insgesamt wäre im Theorieteil (der besser auch zusätzlich Empirieteil heißen sollte) eine stärkere Systematisierung der in den Beiträgen zahlreich dargestellten Erkenntnisse wünschenswert, schon um inhaltliche Redundanzen zu vermeiden.

Die Beiträge des zweiten Teils widmen sich allesamt praktischen Perspektiven auf das Thema. Kricke und Kürten stellen zunächst ein Seminarkonzept („International Teacher Education Laboratory“) vor, welches dem Austausch und der Reflexion mit internationalen Studierenden über inklusive Werte dient. Die dargestellte Evaluation des Konzeptes mit gerade einmal 23 Studierenden stellt nur eine geringe Basis empirischer Evidenz dar. Im zweiten Beitrag beschreiben Lehtomäki, Posti-Ahokas und Moate das Konzept „Education for All” eines zweitägigen Seminarworkshops an einer finnischen Universität mit Studierenden, Experten und Dozierenden aus 30 Ländern, in dem der Gewinn des Zuganges betont wird, Internationalisierung an der Heimatuniversität zu erleben. Christoforatou präsentiert im dritten Beitrag das Projekt „Teaching Right Livelihood“, welches seit 2011 an der Universität Kassel durchgeführt wird und als länderübergreifende Lehrveranstaltung konzipiert ist, bei der Studierende an bestimmten Themen gemeinsam arbeiten, Unterricht dazu planen und durch (internationales) Teamteaching erproben. Der vierte Beitrag von Ens, Glutsch und Massumi stellt das Konzept eines Berufsfeldpraktikums für Lehramtsstudierende in Uganda vor, welches ein e-Portfolio zur Praktikumsbegleitung nutzt. Der anschließende fünfte Beitrag von Bresges und Glutsch unternimmt einen Vergleich zwischen dem Naturwissenschaftsunterricht in Deutschland und den USA: Diese „interkulturelle Vergleichsstudie“ war ein Arbeitsauftrag für Studierende in diesem Praktikum. Alle fünf Beiträge liefern informative und anschauliche Beispiele für eine gelingende Internationalisierung. Es bleibt jedoch den Lesenden überlassen, zu bewerten, ob diese so „innovativ“ sind, wie oft betont wird, gehören doch bspw. Berufsfeldpraktika im Ausland an vielen Standorten schon zur Normalität, wenn auch mit noch geringen Studierendenzahlen.

Der letztgenannte Beitrag kann als Überleitung zum dritten Teil verstanden werden, der zwei Erfahrungsberichte von Studierenden liefert. Diese geben einen Eindruck davon, welche Veränderungen Studierende durch Auslandserfahrungen durchleben und an welchen Stellen interkulturelle Arbeit (hier im Sinne einer Praktikumsbegleitung) ansetzen könnte. Die zwei Praxisberichte runden den Band insofern ab, als vorher hauptsächlich auf quantitative Daten aus Befragungen von Studierenden verwiesen wurde.

Der Band will aus theoretischer und praktischer Perspektive Ansätze für eine Internationalisierung der LehrerInnenausbildung liefern. Dieses Anliegen gelingt ihm durch seinen mehrperspektivischen Blick (drei Teile) auf das Thema durchaus. Dabei kann – auch aufgrund des bisher sehr überschaubaren Forschungs- und Publikationsfeldes zu diesem Thema – der Sammelband nur einen ersten Ausgangspunkt darstellen. Wünschenswert wäre eine zusammenfassende Synthese gewesen, welche die nennenswerten Aspekte der Einzelbeiträge aufeinander bezieht und eine verbindende Perspektive über alle Beiträge herstellt. Der Band wird auch dem Attribut „international“ nur in Ansätzen gerecht (Beiträge aus drei Ländern neben Deutschland), denn Beiträge aus Ländern mit längerer Internationalisierungserfahrung (z.B. kleine Länder wie die Niederlande oder Vielvölkerstaaten wie die USA oder Bosnien-Herzegowina), die den Band bereichern würden, fehlen. Auch führt die nationale Autorenauswahl (12 von 16 Autorinnen und Autoren arbeiten derzeit an der Universität zu Köln) zu einem verengten Blickwinkel.

Trotz der genannten Kritik greift der Band ein hochaktuelles und überaus relevantes Thema auf: „Für zukünftige Generationen von Lehrerinnen und Lehrern werden internationale Erfahrungen und interkulturelle Kompetenzen unabdingbar sein, um die Diversität im Klassenzimmer nutzen zu können […]“ [1]. Dafür erscheinen auf Seiten der Lehramtsstudierenden Perspektiverweiterungen durch Sensibilisierung und Empowerment sowie die Förderung ihrer interkulturellen Handlungskompetenz und Reflexionsfähigkeit bedeutsam. Aufseiten der Lehrenden und Hochschulen bedarf es einer Internationalisierung der Lehr- und Lerninhalte sowie die bewusste Förderung fremdsprachlicher Kompetenz bei ihren Studierenden. Für beide Zielgruppen finden sich in diesem Band Anregungen.

[1] Hochschulrektorenkonferenz / DAAD: Resolution zur Internationalisierung der Lehramtsausbildung. Bonn: DAAD 2013, abrufbar unter: https://www.daad.de/veranstaltungen/lehrerbildung/lb/de/26676-resolution-zur-internationalisierung-der-lehramtsausbildung/ (09.11.2015).
Marcus Syring (MĂĽnchen)
Zur Zitierweise der Rezension:
Marcus Syring: Rezension von: Kricke, Meike / KĂĽrten, Louisa (Hg.): Internationalisierung der LehrerInnenbildung, Perspektiven aus Theorie und Praxis LehrerInnenbildung gestalten, Band 6. MĂĽnster / New York: Waxmann 2015. In: EWR 14 (2015), Nr. 6 (Veröffentlicht am 02.12.2015), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/978383093235.html