Es war nur konsequent, dass der Herausgeber sich auf einer Tagung dieses Themas annahm und in dem hier besprochenen Band veröffentlichte, denn er hatte bereits in einem Buchbeitrag 2000 auf dieses Thema aufmerksam gemacht. Eine Lösung, so folgerte er aus den Schwierigkeiten der Übergangszeit zwischen Schule und Berufsausbildung, sei dadurch gegeben, dass ein Zusammenwirken von objektiven Situationsmerkmalen und deren subjektivem Erlebten nicht bewältigt und verdeutlicht werden könne. Seine Einleitung zu dem Tagungsband als „Berufsorientierung als Inhalt und Strategie der Übergangsbewältigung“ führte dann genau in dieses Thema ein.
Die Tagung – und damit der Band – gliederte sich in vier Teile. In den ersten „Aktuelle Herausforderung an eine zeitgemäße Berufsorientierung“ führte Gerd A. Famula ein, indem er „zentrale Herausforderungen an die schulische Berufsorientierung“ vorstellte. Weitere Themen waren: Karl Düsseldorff: „Die Funktion von Netzwerken und Entwicklungspartnerschaften am Übergang vom Bildungs- in das Beschäftigungssystem“; Johannes Kumme: „Neue Wege des Übergangs in das Ausbildungs- und Beschäftigungssystem“; Thomas Giessler betrachtete die Übergangsperspektiven aus Arbeitnehmersicht; Matthias Pilz: „Was sollen wir von anderen lernen? Aspekte der Berufsorientierung in Großbritannien und Japan“; Elisabeth Schlemmer/Joachim Rottmann/Eberhard Jung nahmen sich einer speziellen Chance an: „Förderung von Berufsorientierung an Ganztagsschulen – Ein interdisziplinäres Forschungsfeld“.
Vom Ausbildungsmarkt und den Bildungspotentialen führt Famula seine Leser über die „Darstellung von Arbeit und Beruf im Strukturwandel“ zu den „Ausbildungsfähigkeiten heute: Von der Qualifikation zur Kompetenz“. Das seit 1999 laufende bundesweite Programm „Schule – Wirtschaft/Arbeitsleben“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, das Famula geleitet hatte, erweiterte das Verständnis von Berufsorientierung und führte zur Bestimmung der Berufsorientierung als Schulentwicklungsaufgabe.
In einem Blick über den Zaun in andere Bildungssysteme – hier nach Großbritannien und Japan – bietet Pilz an: Obwohl die „Berufsorientierung“ als typisch deutscher Begriff verstanden werden müsse, sei dem Übergang von Schule in die Erwerbstätigkeit auch international- vergleichend Aufmerksamkeit zu schenken. Denn die Erfahrungen mit der britischen Modulstruktur geben Hoffnung, dass positive ausländische Erfahrungen in kultureller Adaption auf deutsche Gegebenheiten übertragen werden können.
Im zweiten Teil „Konzepte und Strategien zur Stärkung der Ausbilde- und Arbeitsfähigkeit von Jugendlichen“ fordert Jörg Schudy die Berufsorientierung als Querschnittsaufgabe aller Schulstufen und Unterrichtsfächer. Martin Weingardt definiert den Weg der Jugendlichen Richtung Arbeitswelt als Hürdenlauf, der Unterstützungsstrukturen brauche. Lothar Beinke betont, dass neben den Informationsagenten der Arbeitsverwaltung und der Nutzung des Informationspools BIZ der Einfluss der Eltern und der Peer-Groups zur Verbesserung der Berufsorientierung Jugendlicher zu beachten sei, denn beides stehe in hohem Ansehen bei den Schülern und übertreffe die Möglichkeiten, die der Schule und den Lehrern gegeben sind.
Ruth Weckenmann behandelt Werteaspekte beim Übergang ins Beschäftigungssystem und Bert Putz fordert ein Übergangsmanagement zur Verbesserung der Berufsorientierung. Denn die Probleme beim Übergang seien kein Randgruppenphänomen sondern längst ein Problem in der Mitte der Gesellschaft. Da die Bewältigung des Übergangs kein kurzfristiges Versorgungsproblem ist, müsse eine langfristige pädagogische Perspektive entworfen werden. Eine Konzentration des Themas auf nur Benachteiligungsförderung schade dem ganzen Übergangssystem und den Benachteiligten selbst.
Joachim Wagner vertritt die Agentur für Arbeit als Bindeglied zwischen Schule und Arbeitswelt und stellt das Modell für den Übergang „Das Ausbildungs-Übergangs-Modell“ vor.
Den dritten Teil: „Berufsorientierung als pädagogisch-didaktische Herausforderung und Element von Schulentwicklung“ beginnen Wolfgang Wiegand/Elisabeth Groß/Kerstin Gruhn/Stefan Röttele mit dem Beitrag, in dem Berufsorientierung als die Möglichkeit schulischer Profilbildung vorgestellt wird.
Holger Arndt fordert die größere Nutzung digitaler Medien im Berufswahlunterricht. Dazu analysiert er Medien für mehrere Phasen der Berufsorientierung, kommt aber zu seinem Bedauern zu dem Ausblick, dass angesichts des didaktischen Potentials digitaler Medien deren geringer Einsatz im Unterricht problematisch sei.
Helmut Meschenmoser, „Berufsorientierung von Jugendlichen mit Lernproblemen – Ausgangslage und Ansätze für Kompetenzmodelle in der Praxis“, stellt das Berliner Modell ESF-Projekt „Netzwerk Berliner Schülerfirmen“ vor, dessen Schwerpunkt die Förderung von arbeitsrelevanten Basiskompetenzen ist.
Manfred Hübner/Gerold Windels, „Schülerfirmen und Praxistage“ stellen das Arbeiten von Schülerfirmen vor. Es sei z.B. in den Schülerfirmen möglich geworden, dass eine curriculare Einbindung der Schülerfirmen in das Fach Wirtschaft ohne weiteres möglich sei und dass Aufgaben des Faches Wirtschaft, wie z.B. Buchhaltung, Preiskalkulation und Preisverhandlungen auch für andere Fächer identifizierbare Lern- und Erkenntnismöglichkeiten ermöglichen.
Simone Knab, die Berliner Schülerfirmen untersucht - „Schülerfirma, eine Lernform zur Verbesserung der Qualität schulischer Bildung“ – allerdings kam zu weniger euphorischen Ergebnissen. Überwiegend gestalten die Schulen ihre Schülerfirmen im Bereich von Cafeteria oder Pausenimbiss aus. Sie stellt fest, dass Schülerfirmen überwiegend im engen Bereich der eigenen Schule tätig werden. Entsprechend sind die von den Schülern zu leistenden Tätigkeiten auch nur in diesen Bereichen und die Adressaten der Schülerfirmen – die Abnehmer und Käufer – zu 71% der Kunden aus den nahen Personen und Interessenten – Lehrer, Schüler und Eltern kommen. Das Thema Berufsorientierung bezieht sich lediglich auf den Bereich der Nahrungsmittelbe- und -verarbeitung und auf den Einzelhandel.
Aline Oesterle: „Coaching als Instrument der schulischen Berufsorientierung“ fordert, dass neben Informationen und institutionellen Hilfen auch noch das Coaching als Maßnahme der Berufsorientierung genutzt werden sollte. Vom Coaching erwartet sie die Lösung konkreter Probleme: Ermittlung individueller Lernstrategien; Verhaltensüberprüfung im Spannungsfeld; mentales Vorbereiten auf Präsentation und Prüfungen u.a.
Das vierte Gebiet „Was ist eine zeitgemäße Berufsorientierung? Stellungnahmen verantwortlicher Akteure“ vereint die Beiträge von Gerhard Feldmann – Kreishandwerkerschaft Karlsruhe; Thomas Giessler – Deutscher Gewerkschaftsbund Baden-Württemberg, Stuttgart; Stephan Kammerer, Industrie- und Handelskammer Karlsruhe; Peter Seidel, Christliches Jugendwerk e.V., Maximiliansau; Joachim Wagner, Agentur für Arbeit, Karlsruhe; Wolfgang Wiegand, Ludwig-Uhland-Schule, Birkenfeld; Dieter Wolf, Siemens AG, Karlsruhe.
Der Band schließt mit einem sehr umfangreichen Literaturverzeichnis, in dem zeitgemäße Publikationen zum Innovationsfeld Berufsorientierung allen Lesern die Möglichkeit geben, das Gesamtthema und Einzelthemen des Bandes weiter zu verfolgen.
EWR 8 (2009), Nr. 2 (März/April)
Zwischen Qualifikationswandel und Marktenge
Konzepte und Strategien einer zeitgemäßen Berufsorientierung
Hohengehren: Schneider 2008
(323 S.; ISBN 978-3-8340-0378-2; 24,00 EUR)
Lothar Beinke (Osnabrück)
Zur Zitierweise der Rezension:
Lothar Beinke: Rezension von: Jung, Eberhard (Hg.): Zwischen Qualifikationswandel und Marktenge, Konzepte und Strategien einer zeitgemäßen Berufsorientierung. Hohengehren: Schneider 2008. In: EWR 8 (2009), Nr. 2 (Veröffentlicht am 27.03.2009), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/978383400378.html
Lothar Beinke: Rezension von: Jung, Eberhard (Hg.): Zwischen Qualifikationswandel und Marktenge, Konzepte und Strategien einer zeitgemäßen Berufsorientierung. Hohengehren: Schneider 2008. In: EWR 8 (2009), Nr. 2 (Veröffentlicht am 27.03.2009), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/978383400378.html