EWR 8 (2009), Nr. 3 (Mai/Juni)

Bertelsmann Stiftung (Hrsg.)
Generation Unternehmer?
Youth Entrepreneurship Education in Deutschland
GĂĽtersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung 2009
(311 S.; ISBN 978-3-89204-995-1; 30,00 EUR)
Generation Unternehmer? 22 Autorinnen und Autoren betrachten in den Beiträgen des vorliegenden Sammelbandes die Veränderungen und Anstrengungen, die im Bildungs- und Ausbildungsbereich erforderlich sind, um „Entrepreneurship“ bei jungen Menschen in Deutschland zu fördern. Die Förderung von unternehmerischem Denken und Handeln wird in den letzten Jahren zunehmend thematisiert und in der Lissabon-Strategie der EU im Jahr 2000 als entscheidender Faktor der Wirtschaftsförderungspolitik bekräftigt. Die politischen Handlungsempfehlungen zielen insbesondere auf ein Umdenken im Bildungsbereich, da der Weg zu einer Gesellschaft der Entrepreneure nur über die junge Generation führen kann. „Entrepreneurship Education“ umfasst Bildungsmassnahmen, die einerseits der Vermittlung von Fachwissen dienen, anderseits aber auch die Entwicklung bestimmter persönlicher Qualifikationen fördern sollen.

Neben theoretischen Grundlageninformationen und empirischen Ergebnissen liefern die Autorinnen und Autoren ebenfalls Praxisbeispiele, insbesondere im Bereich „Entrepreneurship-Education“ und „Social Entrepreneurship“. Der Sammelband „Generation Unternehmer“ ist der zweite Teil von drei Bänden, der sich mit dem Gegenstand „Youth Entrepreneurship“ aus verschiedenen Blickwinkeln beschäftigt. Im ersten Band („Heute Schüler, morgen Unternehmer“) werden Ergebnisse einer Befragung von Jugendlichen und Lehrenden vorgestellt, die Aufschluss gibt über die Einstellung Jugendlicher in Deutschland zur unternehmerischer Selbstständigkeit. Im vorliegenden zweiten Band erfolgt eine Betrachtung des Themas aus wissenschaftlicher Perspektive. In einem späteren dritten Band der „Entrepreneurship-Trilogie“ soll die Situation in anderen Ländern untersucht werden.

Der vorliegende Band gliedert sich in vier Teile: Im ersten Teil wird Entrepreneurship zwischen Theorie und Praxis thematisiert, im zweiten empirische Ergebnisse zu Youth Entrepreneurship präsentiert, im dritten die Möglichkeiten der Entrepreneurship Education aufgezeigt und im letzten Social Entrepreneurship als Option für Jugendliche besprochen. David B. Audretsch veranschaulicht die Bedeutung von Entrepreneuship durch die Verschiebung der Bedeutung von „physischem Kapital“ zum „Wissenskapital“ in der globalisierten Welt. Neben technologischem und wissenschaftlichem Wissen bezieht sich dieser Begriff ebenfalls auf Ideen, Kreativität und innovative Entwicklungsansätze (24). Die kommerzielle Nutzung des Wissenskapitals wird jedoch durch einen „Wissensfilter“ gehemmt, da neues Wissen zunächst nur einen potenziell kommerziellen Wert hat (26). Audretsch sieht in der Nutzung nicht-kommerzialisierten Wissens eine Chance für wirtschaftliche Selbstständigkeit. Er plädiert für eine Entrepreneurship-Politik, die nicht primär bestehende Kleinunternehmen fördert, sondern Neugründungen (27ff).

Günter Faltin tastet sich praxisnah an das Thema Entrepreneurship heran und zeigt anhand eines Gründungs-Workshops mit Hauptschülern auf, wie leicht unternehmerisches Denken und Handeln in der Schule umgesetzt werden kann (33ff). Faltin konstatiert, dass das heutige Schulsystem Schülerinnen und Schüler eher auf eine abhängige Beschäftigung als auf eine unabhängige Beschäftigung vorbereitet, das Setting der Schule quer zu den Anforderungen von Entrepreneurship liegt und den Lehrenden privatwirtschaftliche Zusammenhänge oft fremd sind. Dabei sieht er im Bildungssystem Chancen Entrepreneurship umzusetzen, weil dort Ideenfindung und Freiräume besser gestaltbar sind als im Beschäftigungssystem. Er fordert, dass Entrepreneurship stärker im Bildungssystem integriert wird (36f).

Ausführlich präsentieren vier Beiträge empirische Befunde zu Youth Entrepreneurship. Björn Hekman und Ulrich Schoof gehen auf Ergebnisse des Youth Entrepreneurship Barometers (YEB) bezüglich Motive und Interessen Jugendlicher hinsichtlich unternehmerischer Selbstständigkeit ein. Die Bereitschaft zur unternehmerischen Selbstständigkeit ist am höchsten, wenn nicht nur materielle, sondern auch ideelle Motive – wie etwas für die Gesellschaft tun, etwas in meinem Umfeld bewegen, gute Ideen verwirklichen, zeigen, was in mir steckt – zusammenwirken. Dieser Motivtyp („Gemeinschaftsorientierter Statusunternehmer“) tritt mit 28% in allen Bevölkerungsschichten auf und erscheint den Autoren als besonders aussichtsreich, erfolgreicher Unternehmer zu werden (97f). Thomas Gensicke zieht mit der Analyse des YEB-Datensatzes und der Shellstudie aus dem Jahre 2006 eine weniger positive Bilanz. Die heutige „pragmatische Jugend“ zeigt zwar „ein intensives Verhältnis zur wirtschaftlichen Selbstständigkeit“, aber die Einstellungsmuster sind in vielerlei Hinsicht unspezifisch, weil sie eher von Freiheitsstreben und Prosozialität geprägt sind, als von spezifischen unternehmerischen Eigenschaften (143). Die Analysen der GEM-Daten (Global Entrepreneurship Monitor) von Rolf Sternberg zeigen hinsichtlich der Einschätzung individueller gründungsbezogenen Fähigkeiten und Kenntnisse Jugendlicher in Deutschland weniger optimistische Ergebnisse auf. Junge Deutsche weisen als Gründer im Vergleich zu anderen Ländern Defizite in diesem Bereich auf: Drei Viertel der 18- bis 24-Jährigen Deutschen sind nicht der Meinung, dass sie über das notwendige Wissen, die Fähigkeiten und die Erfahrung verfügen, ein Unternehmen zu gründen (115). Sternberg fordert eine bessere gründungsbezogene Aus- und Weiterbildung an Schulen und Hochschulen. Beim letzten empirischen Beitrag von Heinz Klandt, Frank Halter, Stravroula Laspita und Simone Chlosta handelt es sich um das Forschungsprojekt „International Survey on Collegiate Entrepreneurship“ (ISCE), das zum Ziel hat, die unternehmerische Kraft von Studierenden und die Rahmenbedingungen an den Universitäten auf internationaler Ebene zu vergleichen. Es wurde ein Index konstruiert, der das unternehmerische Potenzial von Studierenden misst. Obwohl das universitäre Angebot an Entrepreneurship-Lehrveranstaltungen an den Universitäten in Deutschland und der Schweiz im internationalen Vergleich weit ausgebaut ist, verzeichnete der Gründungsindex in diesen Ländern paradoxerweise Tiefstwerte (178).

Der anschliessende Teil über Entrepreneurship Education setzt wieder bei der Schule an. Birgit Weber setzt sich kritisch mit der Forderung nach einer neuen Kultur der Selbstständigkeit auseinander und warnt davor, die Unmündigkeit junger Menschen für gesellschaftliche Zwecke zu instrumentalisieren (184). Gemäss der Autorin lässt sich die Förderung unternehmerischen Denkens und Handeln, die nicht beschränkt ist auf die wirtschaftliche Selbstständigkeit, aus den allgemeinen Bildungszielen heraus begründen (191) und befürwortet die Implementierung von Entrepreneurship Education in Schule und Lehrerausbildung. Zur Förderung unternehmerischen Handelns leiten Gerald Braun und Doreen Holtsch aus den Ergebnissen einer Befragung von Berufsschülern aus Mecklenburg-Vorpommern Entwicklungspotenziale auf den Ebenen Rahmenlehrplan, Schule und ihre Lehrenden und individuelle Lehr-Lern-Arrangements ab (222ff). Ulrich Braukmann, Teita Bijedic und Daniel Schneider sehen in der innovativen Organisationsform „Entrepreneurship Career Development“ den makrodidaktischen Königsweg in der Aus- und Weiterbildung, die nach dem Prinzip „so wenig Einzelveranstaltungen wie nötig und soviel Systematik und Nachhaltigkeit wie möglich“ ausgestaltet ist (253ff).

Der vierte und letzte Teil des Sammelbandes thematisiert Social Entrepreneurship und setzt sich ab von den bis dahin vor allem auf Entrepreneurship Education konzentrierten Beiträgen. Es werden diverse Projekte und Praxisbeispiele vorgestellt, die aufzeigen, wie die Verbindung von unternehmerischem Denken mit sozialen Zielen als Bildungsansatz für Jugendliche genutzt werden kann.

Insgesamt gibt der Sammelband einen breiten Einblick in die Thematik von Youth Entrepreneurship. Aus verschiedenen Perspektiven – der Politik, der Wirtschaft, der Jugendlichen und der Lehrenden – und auf unterschiedlichen Ebenen des Bildungssystems wird Entrepreneurship beleuchtet. Besonders informativ sind die empirischen Analysen, die Aufschluss geben über die Einstellungen, Motive, Fähigkeiten und die Bereitschaft junger Menschen bezüglich unternehmerischer Selbstständigkeit, was auch den Schwerpunkt des Sammelbandes darstellt. Wünschenswert wäre gewesen, wenn eine breitere Diskussion unternehmerischer Kompetenzen im Sinne von „Intrapreneurship“ (Mitunternehmer innerhalb eines Unternehmens), unabhängig von der Bereitschaft zur wirtschaftlichen Selbstständigkeit, statt gefunden hätte. Denn nicht nur Unternehmer benötigen unternehmerische Kompetenzen, auch von unselbstständig Erwerbenden werden aufgrund veränderter Arbeitsorganisation vermehrt selbstständiges Denken, Eigeninitiative, Kreativität und Innovation gefordert.

Entrepreneurship Education wird in diesem Sammelband eher affirmativ behandelt. Nur der Beitrag von Birgit Weber setzt sich kritisch mit der Forderung einer neuen Kultur der Selbstständigkeit und mit den Zielkonflikten einer Entrepreneurship Education mit den bestehenden Bildungszielen auseinander. Ein stärkeres Gewicht auf eine kritische Reflexion der politischen Forderung nach mehr Unternehmertum hätte dem Entrepreneurship-Education-Konzept in diesem Sammelband mehr Glaubwürdigkeit verliehen.
Karolina Weber (ZĂĽrich)
Zur Zitierweise der Rezension:
Karolina Weber: Rezension von: Stiftung, Bertelsmann (Hg.): Generation Unternehmer? , Youth Entrepreneurship Education in Deutschland . GĂĽtersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung 2009. In: EWR 8 (2009), Nr. 3 (Veröffentlicht am 05.06.2009), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/978389204995.html