EWR 5 (2006), Nr. 2 (MĂ€rz/April 2006)

Manfred Spitzer
Vorsicht Bildschirm!
Elektronische Medien, Gehirnentwicklung, Gesundheit und Gesellschaft (Reihe Transfer ins Leben, Bd. 1)
Stuttgart: Ernst Klett Verlag 2005
(303 S.; ISBN 3-12-010170-2; 16,95 EUR)
Vorsicht Bildschirm! „Vorsicht Bildschirm“ ist der erste Band einer Schriftenreihe des „Zentrums fĂŒr Neurowissenschaften und Lernen“ in Ulm, die es sich unter dem Stichwort „Transfer ins Leben“ zum Ziel gesetzt hat, „neurowissenschaftliche Erkenntnisse zur Verbesserung des Lernens“ anzuwenden (X). Im vorliegenden Band soll der Stand der Wirkungsforschung ĂŒber Bildschirmmedien zusammengefasst und „erstmals vor dem Hintergrund neuester Ergebnisse aus der Gehirnforschung“ (so der Klappentext) diskutiert werden, um daraus neue Einsichten auf dem Gebiet des „praktischen Lernens“ (IX) zu gewinnen und medienpolitisches Umdenken anzuregen. Zur Zielgruppe gehören laut Autor all jene, die Fernsehen, Internet und Computerspiele nutzen, hierfĂŒr Programminhalte produzieren oder potentiell Einfluss auf den Mediengebrauch von Kindern und Jugendlichen haben, denn sie sollten sich durch das Buch ĂŒber die katastrophalen Wirkungen von Medien informieren lassen (Klappentext).

In der Einleitung werden allgemeine Daten zum Fernsehkonsum sowie zur Internetnutzung referiert und bereits hier wird deutlich, welche Tonlage fĂŒr die Publikation insgesamt kennzeichnend ist: Wirke man dem zunehmenden Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen nicht entgegen, so „verursachen Bildschirme im Jahr 2020 hierzulande jĂ€hrlich zusĂ€tzlich einige hundert Morde, einige tausend Vergewaltigungen und zehntausende von Gewaltdelikten gegen Personen. Ändern sich die politischen VerhĂ€ltnisse und damit auch die kulturellen Gepflogenheiten zusĂ€tzlich (z.B. durch die Auswirkungen von Globalisierung und Migration), dann kann es auch deutlich schlimmer kommen“ (9).

In den folgenden fĂŒnf Kapiteln diskutiert der Autor mit Rekurs auf neuere empirische Medienwirkungsstudien und neurowissenschaftliche Erkenntnisse die Themen „Körperliche Gesundheit“ (13ff.), „Erfahrung und Aufmerksamkeit“ (51ff.), „Gehirnentwicklung und Werbung“ (93ff.), „Leistungen in der Schule“ (121ff.), „Gewalt im Fernsehen“ (155ff.) und „Computer- und Videospiele“ (207ff.). Im abschließenden Kapitel „Was tun?“ (245ff.) gibt er pĂ€dagogische RatschlĂ€ge und formuliert weit reichende pĂ€dagogische und bildungspolitische Forderungen.

Inhaltlich konzentriert sich das Kapitel „Körperliche Gesundheit“ auf die Darstellung medizinischer Studien, die ĂŒber hohe Korrelationen zwischen Übergewicht, Fettleibigkeit, entsprechender Folgekrankheiten (Diabetes etc.) und dem Ausmaß des Fernsehkonsums berichten. So gingen beispielsweise 17% des Übergewichts und des Rauchens von neuseelĂ€ndischen Erwachsenen „auf das Konto des Fernsehkonsums in der Kindheit“ (30). Da in Deutschland jĂ€hrlich etwa 120.000 Personen an den Folgen von Dickleibigkeit verstĂŒrben, und 17% von 120.000 ungefĂ€hr 20.000 ergĂ€be, wĂ€re dies „etwa die Anzahl der im Jahre 2020 in Deutschland jĂ€hrlich durch das Medium Fernsehen verursachten TodesfĂ€lle“ (45).

Das Kapitel „Erfahrung und Aufmerksamkeit“ ist das erste, das neurowissenschaftliche Forschungsergebnisse prĂ€sentiert. Seine zentrale These besagt, dass Fernsehen und Computerspiele die Entwicklung von Kindern störten, weil in diesen Medien Sehen und Hören, „Bildsoße und 
 Klangsoße“ (80), nur schlecht „miteinander korreliert sind“ (ebd.) und ihre Erfahrungswelten insgesamt flach und verarmt seien. Dies fĂŒhre bei einem (nicht nĂ€her quantifizierten) „substanziellen“ (90) Ausmaß an Fernsehkonsum und Computerspielen zum Aufbau „weniger klare(r) Strukturen“ (91) im Gehirn, was wiederum z.B. zu Aufmerksamkeitsstörungen fĂŒhre.

Das Kapitel „Gehirnentwicklung und Werbung“ referiert Studien ĂŒber den Konsum von Werbesendungen von Kindern und allgemeine Vermutungen ĂŒber die hohe neuronale PlastizitĂ€t des kindlichen Gehirns, das deshalb fĂŒr Werbebotschaften besonders empfĂ€nglich sei. Zum Thema „Leistungen in der Schule“ wird auf bekannte Studien zur Korrelation von Fernsehkonsum und schulischen Noten (insbesondere von LeseschwĂ€chen) hingewiesen. EKG-Studien zeigten, dass das Fernsehen, nicht die Schule, Stress und emotionale Beanspruchungen erzeuge (131), Schule sei daher fĂŒr gestresste Vielseher uninteressant. Die Kapitel ĂŒber „Gewalt in Fernsehen“ und „Computer- und Videospiele“ referieren korrelative Daten und Feldstudien zum Zusammenhang zwischen Gewaltdarstellungen in diesen Medien und gewalttĂ€tigen Tendenzen von Zuschauern. Beide Medien bewirkten ĂŒber Lernen am Modell und ĂŒber Primingprozesse unvermeidlich eine Steigerung individueller AggressivitĂ€t und seien im Übrigen auch mit ursĂ€chlich fĂŒr die gewaltorientierte Außenpolitik der Bush-Administration (161f.).

Methodisch versucht der Autor, seine Schlussfolgerungen ĂŒber die Wirkung von Medien und sich daraus ergebende pĂ€dagogische RatschlĂ€ge neurowissenschaftlich zu untermauern. TatsĂ€chlich jedoch zeigt seine Arbeit im Wesentlichen, welche Probleme der Versuch einer Ableitung von pĂ€dagogischen Schlussfolgerungen aus neurowissenschaftlichen Studien mit sich bringt. Zwischen den Fragestellungen der referierten sozialwissenschaftlichen (Medienwirkungs-) Studien und den neurowissenschaftlichen Experimenten lassen sich keine validen Verbindungen ausmachen. Dementsprechend wirken auch die angeblich aus den empirischen Befunden abgeleiteten pĂ€dagogischen RatschlĂ€ge - die alle darauf hinauslaufen, dass Bildschirmmedien per se schlecht seien und die Menschheit besser daran tĂ€te, sich ihrer zu entledigen - dubios. So erfĂ€hrt man beispielsweise zur hirnphysiologischen BegrĂŒndung der These, dass Gewaltdarstellungen von allen Zuschauern im Wesentlichen gleich rezipiert wĂŒrden, folgendes: Eine bildgebende (fMRT-)Studie habe gezeigt, dass bei Probanden, denen im Scanner ein Western gezeigt wĂŒrde, signifikante intersubjektive Korrelationen hinsichtlich der GehirnaktivitĂ€t zu erkennen seien. Die aktivierten Rindenareale seien u.a. solche, die „an höheren geistigen Leistungen wie Denken, Bewerten und Entscheiden“ (191) beteiligt seien. Genaueres wird ĂŒber die AktivitĂ€t dieser Areale jedoch nicht ausgesagt. Dennoch schlussfolgert der Autor, man wisse nun, dass Menschen auf Filme insgesamt „Àhnlich“ (191) reagierten und daher auch Ă€hnlich von ihnen beeinflusst wĂŒrden: „Menschen sind verschieden, aber nicht ganz so verschieden, als dass man nicht wĂŒsste, was in ihren Köpfen beim Betrachten eines Westernfilms geschieht“ (ebd.). Argumentationen dieser Art dĂŒrften freilich nur Leser beeindrucken, die mit den aktuellen Grenzen der LeistungsfĂ€higkeit von bildgebenden Verfahren nicht vertraut sind. TatsĂ€chlich ist es mit diesen Verfahren gegenwĂ€rtig und in naher Zukunft nicht einmal möglich, zu erkennen, auf welchen willkĂŒrlich gewĂ€hlten Begriff sich ein Proband zu einem bestimmten Zeitpunkt im Scanner konzentriert. Noch weiter ist man davon entfernt, SĂ€tze, Interpretationen oder individuelle Bewertungsprozesse rekonstruieren zu können. Genau diese sind es aber, die fĂŒr die Rezeption und Wirkung von Medien relevant sind. Dass sich beim Betrachten von Filmen die Aktivierung ‚Àhnlicher’ Hirnregionen ausmachen lĂ€sst, ist demnach kein Beleg fĂŒr die These, dass sich in den Gedanken der Probanden ‚das Gleiche’ abspiele und alle Rezipienten durch Filme auf Ă€hnliche Weise beeinflusst wĂŒrden. Die referierten neurowissenschaftlichen Studien lassen sich demnach als interessante und zum Weiterlesen anregende Garnierung des Textes auffassen; als empirische Belege fĂŒr die Argumentationen des Autors kann man sie jedoch nicht heranziehen.

Jenseits des hirnphysiologischen Beiwerks ist von den genannten Kapiteln fĂŒr den informierten MedienpĂ€dagogen im Wesentlichen die Darstellung der gesundheitlichen Risiken kindlichen Fernsehkonsums von Interesse. Hier bietet der Autor, von Hause aus Mediziner, einige interessante Perspektiven. Verwiesen wird z.B. darauf, dass vielsehenden Kindern nicht ein Mangel an Sport schade, sondern der Mangel an einer - fĂŒr Kinder typischen - motorischen Unruhe. Im Normalfall mache dieses ‚Herumzappeln’ (38) bis zu einem Drittel des tĂ€glichen Energieverbrauchs aus, beim Stillsitzen vor dem Fernseher bleibe es aber aus, was signifikant die langfristige Neigung zu Übergewicht und Fettleibigkeit mit entsprechenden Folgekrankheiten fördere.

Einer hiervon abgeleiteten Hochrechung zufolge fĂŒhre das durch Fernsehkonsum verursachte Übergewicht und Rauchen in Deutschland im Jahre 2020 zu etwa 40.000 vorzeitigen TodesfĂ€llen (49). Darauf Bezug nehmend folgert Spitzer, dass Fernsehproduzenten wie Ann Wood, die mit der Sendereihe Teletubbies eine Einstiegssendung fĂŒr Kleinkinder geschaffen habe, „nicht nur fĂŒr das Leiden vieler tausend Kinder unter Lese- und Aufmerksamkeitsstörungen (...) sondern indirekt auch fĂŒr deren Tod“ verantwortlich (137) seien.

Die weiteren Theoriekapitel referieren im Wesentlichen einzelne, meist neuere, psychologische Studien zu den Folgen von kindlichem und jugendlichem Fernseh- und Computerspielkonsum. Hier werden ĂŒberwiegend bekannte medienpsychologische Theorien und medienkritische Positionen wiedergegeben. Die Bezugsstudien werden allerdings hinsichtlich ihrer Aussagekraft nur dann methodisch hinterfragt, wenn sie den medienkritischen Thesen des Autors widersprechen. Scheinen sie diese zu stĂŒtzen, so werden sie als Beleg fĂŒr undifferenzierte Wirkungsannahmen des Autors herangezogen. Wo empirische Belege fehlen, stĂŒtzt Spitzer seine Argumentation auf persönliche Meinungen. So stellen die Kapitel im Wesentlichen eine Aneinanderreihung einzelner Studienergebnisse dar, die mit vorwissenschaftlicher Medienschelte vermischt wird. Eine umfassende Darstellung des Forschungsstandes oder eine eigenstĂ€ndige Forschungsleistung, wie einleitend im Buch angekĂŒndigt, ist auch dabei nicht zu erkennen.

Zur BegrĂŒndung der zum Teil sehr kontroversen Thesen des Buches wĂ€re jedoch genau dies notwendig gewesen. Stattdessen werden wissenschaftliche Studien selektiv referiert und interpretiert, um die dĂŒsteren Prophezeiungen und pauschalen Metaphern des Buches wie z.B. „Bildschirm-Medien sind wie Umweltverschmutzung“ (246) vermeintlich empirisch zu stĂŒtzen. So zeige beispielsweise eine heute noch aktuelle Studie ĂŒber die Verbreitung Gewalt darstellender Sendungen aus dem Jahr 1993, dass Gewaltdarstellungen in allen verfĂŒgbaren Fernsehprogrammen massiv verbreitet seien (163). Ignoriert werden dabei neuere Programme wie der politische Dokumentationssender ‚Phoenix’, denn diese passen nicht in das Bild des Fernsehens als durch und durch schĂ€dliches Medium. Ähnlich pauschalisierend erfĂ€hrt man, Bandura habe bereits in den 1960er Jahren gezeigt: „Wer Gewalt sieht, wird selbst gewalttĂ€tig“ (183), und deshalb gelte: „Wer Gewaltfilme sieht, der lernt Gewalt“ (191). Das Gleiche gelte fĂŒr die Nutzung von Computerspielen, die sich Jugendliche angeblich „praktisch unkontrolliert aus dem Netz herunterladen können“ (242) (eine EinschĂ€tzung, die völlig am Gigabyteumfang und den technischen Raffinessen des Kopierschutzes heutiger Computerspiele vorbeigeht). Neben solchen AllgemeinplĂ€tzen finden sich auch widersprĂŒchliche Behauptungen. So sei beispielsweise eine altersbezogene Indizierung von gewaltbezogenen Computerspielen keine geeignete Gegenmaßnahme, denn diese mache diese Spiele â€žĂŒberhaupt erst interessant“ (241). Zugleich heißt es aber 28 Seiten spĂ€ter, dass Jugendliche sich aus evolutionĂ€ren GrĂŒnden fĂŒr solche Spiele interessierten, denn eine „Vorliebe fĂŒr Sex and Crime (...) muss sich als evolutionĂ€r vorteilhaft erweisen“ (269). Auf Seite 25 erfĂ€hrt man, dass die American Academy of Pediatrics „mit Recht“ empfehle, dass Kinder tĂ€glich höchstens zwei Stunden fernsehen sollten, bis zur Seite 266 reduziert sich dieser Richtwert schließlich nochmals um eineinhalb Stunden.

Insgesamt ist das Buch durch eine Frontstellung gegenĂŒber der MedienpĂ€dagogik und den Medienwissenschaften geprĂ€gt. Ihren Vertretern wird fachliche Inkompetenz und moralisches Versagen attestiert: „Manche” (272) leugneten „gezielt“ (273), „dreist und dĂŒmmlich-intellektualisierend” (272) medienkritische Befunde, denn „nicht wenige MedienpĂ€dagogen (...) sind finanziell von Medien abhĂ€ngig“ (270). Alle Autoren, die keinen Zusammenhang zwischen Medien und Gewaltbereitschaft sehen, „werden von der Unterhaltungsindustrie unterstĂŒtzt” (256) und Autoren, die sich positiv ĂŒber Computerspiele Ă€ußerten, “haben BeratervertrĂ€ge mit den Herstellerfirmen“ (ebd.). Ferner arbeiteten sie meist nicht empirisch, sondern „unter dem Vorwand die Dinge differenzierter zu sehen, ‘inhaltsanalytisch’“ und gĂ€ben „selten klare Stellungnahmen ab“ (275). Bei diesen Urteilen beruft sich Spitzer seinerseits allerdings nicht auf empirische Diskursanalysen, sondern auf persönliche Anschauungen: Man kenne diese Prinzipien ja aus eigener Erfahrung „z.B. aus dem Deutsch-Aufsatz: Erörtert man eine Frage, so darf man nicht klar Stellung beziehen. SorgfĂ€ltig abwĂ€gen, beiden Seiten Raum geben, ausgewogen urteilen ist die Devise, die Einsen in Deutsch bringt. Auch dann, wenn die Antwort klar und eindeutig (und einseitig) ist“ (279).

Die im letzten Kapitel gegebenen praktischen RatschlĂ€ge betreffen alle Medienrezipienten, insbesondere alle Jugendlichen und Kinder. Eine Verbesserung der Medienkompetenz zur Abwehr unerwĂŒnschter Medienfolgen sei generell nicht wirksam und daher mĂŒsse bewahrpĂ€dagogisch vorgegangen werden. Fernsehen und Computerspiele schadeten der Gesundheit, machten gewalttĂ€tig und fĂŒhrten zu Lernstörungen, deshalb sollten Kinder generell nicht fernsehen und digital spielen; Fernsehen solle, wenn ĂŒberhaupt, höchstens 30 Minuten pro Tag erlaubt sein. FĂŒr Spitzer ist es dabei bedeutungslos, ob der Einzelne zu Übergewicht neigt oder nicht, in einer sozialen Umgebung aufwĂ€chst, die Gewaltbereitschaft fördert oder nicht, wie intelligent er ist oder wie seine schulischen Leistungen ausfallen. Auch in Bezug auf eine (offenbar doch nicht vollkommen ausgeschlossene) sinnvolle Computernutzung hĂ€lt der Autor generelle RatschlĂ€ge bereit: MĂ€dchen sollten nicht vor dem 12.- 14. Lebensjahr einen Computer nutzen dĂŒrfen, Jungen sogar erst einige Jahre spĂ€ter. Auf Power Point-VortrĂ€ge solle hingegen in der Schule und auch außerhalb gĂ€nzlich verzichtet werden, zumal eine Studie gezeigt habe, dass ausgerechnet die Power Point-PrĂ€sentationen von Schulverwaltungen den geringsten durchschnittlichen Informationsgehalt besĂ€ĂŸen. Spitzer appelliert „folgerichtig“: „Sollten wir nicht verhindern, dass diejenigen, die selbst offensichtlich nichts zu sagen haben, unseren Kindern die Benutzung neuer Medien, mit denen sich dies vertuschen lĂ€sst, flĂ€chendeckend vorschreiben?“ (149) Die Alternative, die FĂ€higkeiten im Umgang mit diesen Programmen zu verbessern, wird nicht erwogen, denn Computer haben nach Spitzers Auffassung in der Schule nun einmal generell nichts zu suchen. Ein generelles Fernsehverbot sei bildungspolitisch wohl leider nicht durchsetzbar, daher sollte eine finanzielle Abgabe fĂŒr jeden im Fernsehen gezeigten Gewaltakt eingefĂŒhrt und damit die öffentlich-rechtlichen Sender reichhaltiger finanziert werden, um prosoziale Sendeformate zu entwickeln. Ansonsten mĂŒsse man breite AufklĂ€rung betreiben - sein Buch leiste hierzu einen Beitrag - und an jeden Einzelnen appellieren, den Medienkonsum einzuschrĂ€nken, denn: „VermĂŒllte Köpfe bedrohen unsere zukĂŒnftige Existenz ebenso wie eine vermĂŒllte Landschaft. Deswegen dĂŒrfen wir nicht lĂ€nger zuschauen!“ (284)

Zusammenfassend bietet das Buch zur BegrĂŒndung eines radikal bewahrpĂ€dagogischen Appells eine tendenziöse Darstellung neuerer psychologischer und medizinischer Studien zu unerwĂŒnschten Folgen ĂŒbermĂ€ĂŸigen Medienkonsums, garniert mit Neuigkeiten aus der Hirnforschung. Eine seriöse wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas „Elektronische Medien, Gehirnentwicklung, Gesundheit und Gesellschaft“ leistet das Buch aber nicht, denn sowohl inhaltlich als auch stilistisch steht es einem Effekt heischenden Sensationsjournalismus wesentlich nĂ€her. Das Ziel, eine interdisziplinĂ€re VerknĂŒpfung des Standes der medialen Wirkungsforschung mit aktuellen Erkenntnissen der neurowissenschaftlichen Forschung zu bieten, wird demnach nicht erreicht. Die Hirnforschung dient vielmehr als unterhaltsames Beiwerk, das bei nĂ€herer Betrachtung die medialen Wirkungsthesen des Autors nicht belegen kann.
Matthias Bopp (TĂŒbingen)
Zur Zitierweise der Rezension:
Matthias Bopp: Rezension von: Spitzer, Manfred: Vorsicht Bildschirm! Elektronische Medien, Gehirnentwicklung, Gesundheit und Gesellschaft. Stuttgart: Ernst Klett Verlag 2005. In: EWR 5 (2006), Nr. 2 (Veröffentlicht am 04.04.2006), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/12010170.html