
Insbesondere in den letzten Jahren der QLB Förderphase kam es dabei zu einer Neuausrichtung, in deren Zuge das Konzept der LLL mit Angeboten zum Erwerb digitaler Kompetenzen kombiniert wurde.
Der vorliegende Sammelband von Meier, Greefrath, Hammann, Wodzinski und Ziepprecht stellt nun Forschungsergebnisse und Konzepte dar, die aus dieser Fusion hervorgegangen sind. Unter dem Titel „Lehr-Lern-Labore und Digitalisierung“ versammelt der Band 30 Beiträge, davon zwei in englischer Sprache, aus verschiedensten Fachdidaktiken und Akteur*innenkreisen der Lehrer*innenbildung. Historisch hatten LLL einen starken MINT-Fokus [5], weshalb es erfreulich ist, dass der Sammelband darüber hinaus die erweiterte Breite der Labore, von Sprachen und Geschichte bis hin zur Wirtschaftspädagogik, abbildet. Grob können die Beiträge in zwei Kategorien unterteilt werden: Vorstellungen von (best-practice) Konzepten und (evaluierende) Forschung. Die Beiträge zu Konzepten umreißen das Design, inhaltliche Ziele, Aufbau und Aktivitäten der beschrieben LLL. Die Forschungsbeiträge beziehen sich meist auf ein Seminar, was in einem LLL durchgeführt wurde und neben einem fachdidaktischen auch einen digitalen Schwerpunkt hat. Das Erkenntnisinteresse fokussiert dabei die Lehramtsstudierenden, zentral beforscht werden Veränderungen von Einstellungen, Kompetenzen oder Wissensbeständen. Dabei weisen die Beiträge eine Bandbreite an Seminarkonzeptionen, der konkreten Laborgestaltung sowie der Forschungsmethodik auf. Der erste Teil präsentiert acht Forschungsbeiträge zum Thema Digitalisierung als Inhalt von Lehr-Lern-Laborarbeit. Vier weitere Artikel beschäftigen sich mit dem Thema virtueller und analoger Lernumgebungen und stellen Studienergebnisse vor. Der Band schließt mit fünf Forschungsbeiträgen, die die Lehr-Lern-Laborarbeit unter den Bedingungen der Corona-Pandemie untersuchen.
Der erste Teil des Bandes ist gekennzeichnet von methodisch vielseitigen Studien: Alle acht Beiträge beziehen sich auf quasi-experimentelle Interventionsstudien
im Prä-Post-Design, die mit Lehramtsstudierenden in einem LLL durchgeführt wurden. Das Ziel der Interventionen war es, die fachdidaktischen und digitalen Kompetenzen von Lehramtsstudierenden zu fördern. Es gab eine Erhebung der digitalen und fachdidaktischen Kompetenzen der Studierenden am Anfang des Seminars und am Ende, um den Zuwachs zu ermessen. Interessant ist die Vielfalt an Forschungsinstrumenten, die von den Autor*innen genutzt wurden, um diese Kompetenzen zu messen: Von teilnehmender Beobachtung bei Walpert und Wodzinski (69) über Online-Fragebögen bei Kempf und Bosse (125) bis hin zu einem exploratorischen Mixed-Method-Ansatz bei Weiler et al. (54). Interessant ist, dass bei dieser Vielfalt dennoch die teilnehmenden Lehramtsstudierenden, in allen acht Beiträgen, im Gegensatz zur Vergleichsgruppe ihre fachdidaktische und oder digitale Kompetenzen verbesserten.
Im zweiten Teil des Buches stellen zwölf LLL Standorte ihre Konzepte innovativer Lehr-Lernräume für die Digitalisierung dar. Gemein ist den Autor*innen dabei der Ansatz, digitale Technologien und innovative Raumkonzepte zu nutzen, um die Lehrerausbildung praxisnäher und interaktiver zu gestalten. Zudem setzen viele der vorgestellten Konzepte auf die kontinuierliche Reflexion und Anpassung der Lehrmethoden, um den dynamischen Anforderungen der Digitalisierung gerecht zu werden (175). Unterschiede in den Konzepten gibt zum Beispiel bei der Frage, was neben den Lern-Labor-Seminaren noch in dem Raum passiert. So können Studierenden der Universität Halle-Wittenberg in ihrem Labor selbstständig Medienprodukte herstellen (175).
Herausragend ist der gemeinsame Fokus der LLL auf die Förderung kollaborativer Lernmethoden, die immer einhergeht mit einer flexiblen Raumgestaltung, da diese an verschiedene didaktische Bedürfnisse angepasst werden kann (168). Möblierung und Raumgestaltung werden in allen Artikeln als lernförderlicher Parameter benannt und machen deutlich, dass der Erwerb von digitalen Kompetenzen auch mit der physischen Ausstattung des Raumes verbunden ist.
Der dritte Teil des Sammelwerks besticht damit, dass die Beiträge innovative Gestaltungsideen für die Transformation von LLL in die Digitalität beschreiben, verbunden mit dem Ziel digitale und fachdidaktische Kompetenzen bei den Studierenden zu fördern. Eine Lösungsmöglichkeit, die alle vier Artikel diskutieren, ist dabei eine Veränderung der LLL von analogen Räumen hin zu digitalen Räumen. Im Beitrag von Glöcker et al. bedeute dies, dass sie in ihrem Lehr-Lern-Labor in Seminaren mit VR Brillen arbeiten: Lehramtsstudierende üben Unterrichtsituationen in einem virtuellen Raum mit VR Brille wie in einem Computerspiel. Die drei anderen Beiträge befassen sich mit Seminaren, in denen die Studierenden digitale Lernangebote für die Schüler*innen schaffen, dies wird dann als digitales oder virtuelles Lehr-Lern-Labor bezeichnet. Die gebauten digitalen LLL werden dann von Schüler*innen besucht. Interessant war, dass es in allen Artikel die Studierenden als Doppelbelastung empfanden, einen digitalen Ort herzustellen und ein Lernangebot zu entwickeln. So kam es zu Verbesserungen bei der digitalen Kompetenz, aber Änderung von Einstellungen der Studierenden war nicht bei allen Beiträgen gegeben.
Der vierte Teil des Buches knüpft thematisch an den dritten an, geht aber noch einen Schritt weiter, indem die beschriebenen Seminare auf Grund der Covid-19-Pandemie gänzlich digital umgesetzt werden mussten. Auch diese Beiträge stellen die jeweiligen Konzepte des Seminares und die besonderen Möglichkeiten des digitalen LLL vor. Auch in diesen Beiträgen werden Kompetenz- und Einstellungsänderungen der Studierenden entlang von evaluativen Befunden präsentiert. Hervorzuheben ist dabei der Beitrag von Elsholz dessen Ziel weniger ein messbarer Kompetenzzuwachs war, sondern das Erstellen einer Liste von möglichen Herausforderungen für digitale LLL. Hierbei wurde deutlich, wie wichtig die Vorbereitungsphase ist, da viele Herausforderungen, die in der Praxisphase mit den Schüler*innen entstanden, hätten vermieden werden können (287).
Insgesamt stellt der Sammelband einen wichtigen Beitrag zur aktuellen Forschungslandschaft dar. Durch die Kombination von qualitativen und quantitativen Forschungsansätzen und der Vielfalt der verwendeten Methoden insbesondere bei den qualitativen Erhebungen wird eine beeindruckende Bandbreite an empirischen Erkenntnissen präsentiert. Diese stärken nicht nur das Verständnis von LLLs, sondern schließen auch eine bedeutsame Lücke in der Forschung. Besonders hervorzuheben ist die Sichtbarmachung der verschiedenen Akteur*innen in der universitären Lehrer*innenbildung, die es der Zielgruppe des Bandes ermöglicht, sich über Fachgrenzen hinweg zu vernetzen und auszutauschen. Allerdings ist die Entscheidung, die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie als eigenen Teil des Bandes hervorzuheben, nur bedingt schlüssig, da die Beiträge in diesem Abschnitt ebenso gut in die anderen thematischen Bereiche integriert werden können, da die Pandemie die Lehre in allen Kontexten beeinflusst hat. Nichtsdestotrotz ist der Band für alle Lehrenden der universitären Lehrer*innenbildung, Dozierende, die solche Seminare anbieten und Organisator*innen von Lehr-Lern-Laboren ein wichtiges Werk, da es Nachschlagewerk, (didaktische) Inspirationsquelle und Argumentationsgrundlage sein kann.
Eine Frage, die durch den Band deutlich wird, ist, wie die Forschung zu Lehr-Lern-Laboren in Zukunft weitergehen wird, insbesondere angesichts der Unsicherheiten in der Finanzierung nach dem Auslaufen der QLB. Es besteht die Sorge, dass diese wertvolle Initiative und die gewonnenen Erkenntnisse ohne weitere Unterstützung nicht fortgeführt werden könnten. Um die Fortschritte der letzten Jahre zu sichern und weiterzuentwickeln, ist es entscheidend, dass neue Wege zur Förderung und Unterstützung dieser Forschungsrichtung gefunden werden und die nachhaltige Implementierung der LLL in den Universitäten gesichert wird. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Sammelwerk nicht nur ein Höhepunkt, sondern ein nachhaltiger Anstoß für zukünftige Forschungen und Innovationen in der Lehrer*innenbildung sein wird.
[1] Bundesministerium für Bildung und Forschung (2023). Qualitätsoffensive Lehrerbildung. Abrufbar unter: https://www.qualitaetsoffensive-lehrerbildung.de/lehrerbildung/de/home/home_node.html [17.04.2025].
[2] Kultusministerkonferenz (2016). Strategie der Kultusministerkonferenz. Bildung in der digitalen Welt. Berlin.
[3] Kultusministerkonferenz (2021). Lehren und Lernen in der digitalen Welt.
Ergänzung zur Strategie der Kultusministerkonferenz „Bildung in der digitalen Welt“. Berlin.
[4] Brüning, A.‑K., Käpnick, F., Weusmann, B., Köster, H., & Nordmeier, V. (2020). Lehr-Lern-Labore im MINT-Bereich – eine konzeptionelle Einordnung und empirischkonstruktive Begriffskennzeichnung. In B. Priemer & J. Roth (Hrsg.), Lehr-Lern-Labore: Konzepte und deren Wirksamkeit in der MINT-Lehrpersonenbildung (S. 13–26). Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-58913-7_2
[5] Roth, J., & Priemer, B. (2020). Das Lehr-Lern-Labor als Ort der Lehrpersonenbildung – Ergebnisse der Arbeit eines Forschungs- und Entwicklungsverbunds. In B. Priemer & J. Roth (Hrsg.), Lehr-Lern-Labore: Konzepte und deren Wirksamkeit in der MINT-Lehrpersonenbildung (S. 1–10). Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-58913-7_1