EWR 12 (2013), Nr. 6 (November/Dezember)

Martin Baethge / Eckart Severing / Reinhold Weiß
Handlungsstrategien für die berufliche Weiterbildung
Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag 2013
(120 S.; ISBN 978-3-7639-1159-2; 29,90 EUR)
Handlungsstrategien für die berufliche Weiterbildung Die Weiterbildung spielt gemeinhin eine untergeordnete Rolle im Bildungs- und Beschäftigungssystem. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass die Erhebung der Wirksamkeit als auch die unübersichtliche Anbieterstruktur mit äußerst heterogenen Programmen, Zertifikaten und Abschlüssen einen Zugewinn für das Individuum, das Unternehmen oder auch die Volkswirtschaft nicht sofort erkennen lassen. Zum anderen existieren Vorbehalte der Unternehmen in Weiterbildung zu investieren oder aber eine systematische Weiterbildung der Mitarbeiter findet gar nicht statt, wie es häufig in kleinen und mittelständischen Unternehmen der Fall ist. Der Weiterbildungssektor sieht sich seit Jahren mit stagnierenden Zahlen konfrontiert, für die bisher keine Antwort weder durch die Politik, die Wissenschaft noch durch die Weiterbildungsakteure gefunden werden konnte.

Martin Baethge, Eckart Severing und Reinhold Weiß schließen an diese Problematiken an und legen mit der Veröffentlichung eine Expertise vor, welche übersichtlich, strukturiert und nachvollziehbar Lösungsvorschläge aufzeigt, die zu einer Verbesserung der Situation auf dem Weiterbildungssektor beitragen können.

Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um ein Gutachten, welches gemeinsam vom Soziologischen Forschungsinstitut (SOFI), dem Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) sowie dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) im Auftrag des Bundesministerium für Bildung und Forschung erstellt wurde und sich der Identifizierung von Handlungsstrategien widmet.

Das Gutachten basiert zum einen auf der Auswertung vorhandener Forschungsdaten und zum anderen auf Ergebnissen aus sechs mit Experten aus Unternehmen und Wissenschaft durchgeführten Workshops. Daran anschließend gliedert sich das Buch zunächst in eine Darstellung der Problemlagen der Weiterbildung, die während den Workshops erarbeitet wurden, um schlussfolgernd Handlungsempfehlungen für die Politik auszusprechen und die Forschungsinfrastruktur im Bereich der Weiterbildung anzustoßen.

Die Autoren betonen im Vorwort, dass das vorliegende Gutachten keinen Anspruch auf eine Bewertung der Ergebnisse oder der Handlungsempfehlungen legt, sondern diese in die Hände der Politik und der Weiterbildungsakteure gelegt wird.

Im ersten Kapitel des Gutachtens gehen die Autoren auf die Bedeutung der Weiterbildung für das Beschäftigungssystem und den Arbeitsmarkt ein und stellen Problemlagen, wie eine heterogene Datenlage, eine begrenzte Nachhaltigkeit oder auch die Versäumnisse der Weiterbildungsforschung und -politik überblicksmäßig dar. Die Autoren betrachten ihre Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen jeweils vor dem Hintergrund der Debatte um den Fachkräftemangel und den demografischen Wandel.

Das zweite Kapitel konzentriert sich daran anschließend auf die Strukturfragen der Weiterbildung, die Anerkennung und Anrechnung informellen und nonformalen Lernens, die Qualifizierungs- und Weiterbildungsberatung, Weiterbildung von Migranten sowie die Qualitätssicherung. Diese Themen wurden im Zuge der Auswertung der Workshops als die zentralen Herausforderungen der Weiterbildung identifiziert und daher näher betrachtet.

Aufgearbeitet werden diese Themen in den zwei Problembereichen inhaltliche und strukturelle Herausforderungen. Es werden zunächst Problematiken und Herausforderungen, basierend auf Studien, Statistiken, wissenschaftlichen Veröffentlichungen oder der Expertise der Workshops, erläutert, um anschließend Perspektiven jeweils für die Weiterbildungspolitik als auch für die Weiterbildungsforschung aufzuzeigen. Dieser Struktur folgen alle Abschnitte des Gutachtens, was eine gezielte Recherche ermöglicht.

Die Autoren stellen heraus, dass die Weiterbildung sich in einer prekären Situation befindet, die durch eine stagnierende Teilnahmequote als auch eine diskriminierende Teilnahmestruktur gekennzeichnet ist: Sie identifizieren Geringqualifizierte, Frauen, Migranten und ältere Arbeitnehmer als unterrepräsentierte Gruppen der Weiterbildung und geben für jede diese Personengruppen jeweils Handlungsempfehlungen für die Weiterbildungspolitik und die Weiterbildungsforschung. Auch die Durchlässigkeit und die Weiterbildung von Hochqualifizierten werden thematisiert, wodurch eine umfassende Expertise zu inhaltlichen Herausforderungen der Weiterbildung vorliegt.

Daran anschließend wenden sich die Autoren den strukturellen Herausforderungen zu und thematisieren bspw. die Qualitätssicherung, die Professionalisierung des Weiterbildungspersonals sowie Aspekte der Weiterbildungsfinanzierung. Auch in diesem Abschnitt wird die Struktur – Herausstellen von Problemlagen und daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen für Wissenschaft und Politik – beibehalten.

Basierend auf der Annahme, dass eine strategische Neuausrichtung der Politik nur mit Hilfe einer angemessenen und sachgerechten Forschung möglich ist, führen die Autoren im letzten Abschnitt Handlungsempfehlungen zur Entwicklung einer adäquaten Forschungsinfrastruktur an. Zum einen fordern sie eine kontinuierliche und stringente Forschungsförderung, die über eine zerklüftete Projektförderung hinweg gehen muss, zum anderen werden der wissenschaftliche Nachwuchs als auch Wege zur Erzeugung einer nutzbaren Datenlage thematisiert. Abschließend fordern die Autoren eine engere Verzahnung von Wissenschaft, Politik und der Weiterbildungspraxis.

Der interessierte Leser findet mit diesem Gutachten eine ausführliche Übersicht über – sicherlich nicht neue – Probleme und Herausforderungen der Weiterbildungslandschaft vor, welche als Einführung in die Thematik genutzt werden kann, zur Vertiefung einzelner Themen oder Bereiche der Weitbildung jedoch wenig geeignet ist. Die Stärke des Gutachtens liegt in jedem Fall in der äußerst differenzierten Herausarbeitung von Handlungsempfehlungen als auch und in der Herausstellung von Forschungsdesideraten.

Hervorzuheben ist der Bezug der Thematik zu internationalen und nationalen Referenzrahmen wie dem ISCED oder auch den DQR.

Aufgrund des breit aufgestellten Verständnisses von Weiterbildung kann das Gutachten die Problemlagen und Herausforderungen sowie die Handlungsempfehlungen nur auf einer allgemeinen Ebene nachzeichnen. Es wurde jedoch versucht allen Bereichen der Weiterbildung Beachtung zu schenken, wobei die berufliche Weiterbildung im Vordergrund steht. Die betriebliche Weiterbildung wird an vielen Stellen einbezogen, gleichwohl wird sie aufgrund von Problemen bei der Datenerhebung und der Diversität der Angebote nur oberflächlich behandelt.

Es handelt sich bei der vorliegenden Veröffentlichung somit um eine überblicksartige Darstellung von Handlungsfeldern der Weiterbildung sowie der Erörterung von Problemlagen, die sowohl für den wissenschaftlichen als auch praxisorientierten Leser nutzbar ist. Aus wissenschaftlicher Perspektive leistet das Gutachten einen großen Beitrag zur Sensibilisierung für Forschungslücken. Es erhebt jedoch nicht den Anspruch, sich der Thematik theoriegeleitet zu nähern. Der praxisorientierte Leser findet in diesem Gutachten Anregungen für das Handeln in Politik und Unternehmen, welches einen umfassenden Einblick in die Problemlagen der Weiterbildung gewährt.

Die Autoren liefern eine Fülle an Denkanstößen zur Verbesserung und Verstetigung der Weiterbildung, deren Besonderheit in der dichotomen Perspektivität – Politik und Wissenschaft – liegt und deren Bearbeitung eine große Herausforderung für alle an Weiterbildung Beteiligten darstellt.
Sandra Riediger (Kassel)
Zur Zitierweise der Rezension:
Sandra Riediger: Rezension von: Baethge, Martin / Severing, Eckart / Weiß, Reinhold: Handlungsstrategien für die berufliche Weiterbildung. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag 2013. In: EWR 12 (2013), Nr. 6 (Veröffentlicht am 03.12.2013), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/978376391159.html