
Die Arbeit gliedert sich in drei Abschnitte mit fünf (Abschnitt I und II) bzw. drei (Abschnitt III) Unterkapiteln. Im ersten Teil stellt die Autorin knapp den thematischen, regionalen und zeitlichen Fokus der Arbeit dar. Den Beitrag ihrer Arbeit sieht Deluigi unter anderem darin, dass es wenige Arbeiten gebe, die über regionale Untersuchungen hinausgingen und wie ihre Arbeit einen interregionalen bzw. interkantonalen Blick auf die schweizerische Bildungslandschaft des 19. Jahrhunderts werfen. Den Beginn ihres Untersuchungszeitraumes erklärt sie über die „beginnenden Institutionalisierung der staatlich-seminaristischen Lehrer- und Lehrerinnenausbildung“ (20) in der Schweiz, einen Prozess, den sie durchweg in ihrer Arbeit als bestimmend in Bezug auf Normalitäts- und Divergenzdiskurse beschreibt. Ihren methodischen Zugang stellt die Autorin als „historisch-systematischen“ im Anschluss an Bellmann und Ehrenspeck dar [1].
Zunächst zeichnet die Autorin hauptsächlich anhand der untersuchten pädagogischen Zeitschriften Diskurse innerhalb der deutschsprachigen Lehrer:innenschaft nach. Hierbei wird chronologisch vorgegangen. Deluigi stellt eine Entwicklung dar, in der es zunächst um das Schaffen von Rahmenbedingungen ging, die einen ungestörten Unterricht ermöglichen sollten. Daraufhin, gegen Mitte des 19. Jahrhunderts, sieht die Autorin eine Neuordnung des Verständnisses der Divergenz von Schulkindern nach vermehrt medizinischen Kriterien. Gegen Ende des Jahrhunderts setzte sich nun, so die Autorin, eine Kategorisierung in sogenanntes 'normales' und 'anormales' Verhalten durch, die jedoch auch eine Vielzahl von Abstufungen zwischen diesen beiden Polen mit einbezog. In den Folgejahren sieht Deluigi eine „fortschreitende Verfeinerung der schulischen Einstufungen und Beurteilungen“ (204) sowie vermehrt auch Erklärungsversuche für schulische Leistungen, die das soziale Umfeld der Kinder stärker in den Blick nahmen. Im Weiteren wendet sich die Autorin den von ihr in den Blick genommenen Lehrbüchern zu, um „Beschreibungen von erwünschten und unerwünschten Eigenschaften und Verhaltensweisen von Schulkindern“ (207) sowie „zentrale Mittel zur Erreichung der erwünschten sowie zur Elimination der unerwünschten Ausprägungen“ (207) herausarbeiten zu können. Deluigi kommt zu dem Schluß, dass sich hierzu kein Konsens in den behandelten Quellen erkennen lässt, dass „nicht eine Ablösung bestehender Zuschreibungen, sondern vielmehr eine Ergänzung durch neue Kategorien und somit eine Akkumulation ebendieser“ (5) zu beobachten sei.
Auffällig bei der vorliegenden Arbeit ist ihr enggefasster historiographischer Rahmen, welcher fast ausschließlich deutschsprachige Sekundärliteratur aus der Deutschschweiz einbezieht. Zur Verortung der Arbeit werden einige wenige Arbeiten aus der Gesamtschweiz herangezogen, wobei diese ebenfalls auch fast durchweg auf Deutsch verfasst wurden. Mit Ausnahme der Nennung eines englischsprachigen Werkes beschränkt sich die Eingliederung in den außerschweizerischen Forschungskontext auf die knappe Bezugnahme auf fünf deutschsprachige Arbeiten. Gewinnbringend wird diese Arbeit denjenigen Leser:innen sein, die sich konkret für die Schriftkultur der deutschsprachigen Lehrer:innenschaft der Schweiz im 19. Jahrhundert interessieren. Deren regen Austausch kontrastiert die Autorin detailliert mit der sich im Wandel befindlichen schweizerischen Schulgesetzgebung. Somit gelingt es Deluigi, die herausgearbeiteten Diskurse zu Normdivergenz und den Umgang damit in einen allgemeineren Professionalisierungsdiskurs von Lehrberufen in der deutschsprachigen Schweiz einzufügen.
[1] Bellmann, J. & Ehrenspeck, Y. (2006). Historisch/systematisch. Anmerkungen zur Methodendiskussion in der pädagogischen Historiographie. Zeitschrift für Pädagogik, 52, S. 245-264.